Das mit 328 Seiten dickste Buch unseres Verlagsprogramms ist die Vampiranthologie "Ganz schön bissig ..." - die 33 besten Geschichten aus 540 Einsendungen.
Eine moderne Fabel: Wie Klara Krötin endlos lachen lernte von Ruth Störchlin
Humor ist, wenn man trotzdem sonnt. Sagte Klara, die Kröte. Und legte sich auf ein leicht vermodertes Seerosenblatt. Doch kaum hatte sie sich etwas in der Altweibersommer-Sonne gesuhlt, als sie von einem Froschkönig belästigt wurde. "Hau' ab", knurrte sie ihm unmissverständlich zu. Doch dieser grinste nur lau und begrabschte sie weiter. "Ich liebe ausladende Formen", labberte er ihr lüstern ins Ohr. "König hin oder her, zieh' Leine", schrie sie nun laut und heftigst "Du verkappte Kaulquappe, spürst Du den zweiten Frühling?"
Ob so viel Widerwillen verrutschte Ihro Gnaden leicht die Krone. Und das konnte er partout nicht ausstehen. "Bist doch einfach eine fette eingebildete Tussi", quakte er entnervt zurück. "Nix, keinen Humor hat die Tante!" blubberte er und zog ab.
Klara brachte ihre Augenfältchen in Ordnung. "Om", hauchte sie vor sich hin. "Ich bin ganz ruhig." Und versonnen begann sie zu meditieren. Als sie eben fast ins Nirwana abgeschwebt war und wie blöd vor sich hin lächelte, schlugen die Wellen über ihrem Kopf zusammen. Ein elegante Schwanenfrau war geräuschvoll gelandet. Prustend klammerte sich Klara an die zerfledderten Reste des Seerosenblattes. "Du dumme Kuh", keuchte sie, "hat man hier denn nie seine Ruh?" "Oh, was für ein nettes fluchendes Häppchen Du bist", zischte die Schwänin entzückt. Genau so ein 'Amuse-bouche' wie Dich suche ich noch für meine Party!"
Blitzschnell schoss ihr knallharter Schnabel auf Klara zu. Doch dank ihrer jahrelangen Teicherfahrung konnte die Krötin schneller abtauchen als die Seepolizei erlaubt. Madame Schwan packte das pure Entsetzen, hatte sie doch voll in das widerlich schmeckende Seerosenblatt gebissen. "Oh, nun muss ich noch meine Schnabelkosmetikerin aufsuchen", entfuhr es ihr, "sonst werde ich heut' Abend keine Begrüssungsschnäbeleien vollführen können!" Das pure Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben, als sie auf ihrem Handy die Notfallnummer wählte und mit modrigem Mundgeruch ihr akutes Problem ins Mikro hauchte.
Klara Krötin war vor lauter Schreck viel zu tief getaucht. Denn sie fürchtete sich nicht nur vor der Party-geilen Schwanenfrau. Sondern auch vor der Krötenhaut kontaminiernden Handy-Strahlung. Doch was sah sie da, auf dem Grund des tiefgrünen Teichs vor sich hindösen? Einen riesigen Kröterich! "Hi", flüsterte sie ganz scheu. Und reichlich ergriffen. "Bist Du der grosse Buddha-Kröterich?" Er sagte kein Wort. War umflort von fluoreszierenden Schlammwolken. Aber nach ein paar Minuten senkte er gnädigst und unendlich langsam seine Lider. Klara wurde kleinlaut. Legte Ihre Falten aufs Beste zurecht, holte tief Luft und flötete: "Darf ich Deine Schülerin sein?" "Grmmmbhh", antwortete die erleuchtete Buddha-Kröte nach einer kleinen Unendlichkeit aus der Tiefe ihrer Falten heraus.
Obwohl Klara kaum mehr Luft bekam, harrte sie weiter in der ungesunden Untiefe aus. Und auf einmal wurde sie in einen blendend hellgrünen Lichtsog gestrudelt. "Wo bin ich denn nur?", fragte sie sich schwach. Ihr Leben zog an ihr vorbei. Inklusive grabschende Froschkönige, schnäbelnde Schwäninnen und strahlende Handys. Und eh sie sich versah, schwebte sie einem Schilfblatt entlang dem Krötenhimmel zu. "Aber, aber, Du mein Buddha", stammelte sie geschockt. "Sterbe ich nun? Oder wah? Ich war doch gerade so üppig im Leben...".
Der Kröten-Buddha begann zu lächeln. Er lachte. Er schrie vor Lachen. Er brüllte. Und auf einmal war es wieder ganz still. Klara Kröte wunderte sich endlos. Klirrende Klarheit ergriff von ihr Besitz. Dann begriff sie. Auf immer und ewig: Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Also nahm sie mit fröhlichem Lachen die Flügel, die man ihr anbot. Schnallte die Gurten um ihren nun nicht mehr schwulstig-schweren, sondern leicht-luftigen Leib. Reihte sich in die himmlischen Kröten-Heerscharen ein. Und lächelte und lachte was das Zeug hielt. Und wenn sie nicht in höhere Spähren abgeschwebt ist, hört man Ihr Lachen noch heute. - Horcht darum genau, wenn Ihr an Seen und Sumpfgebieten, Tümpeln und Teichen steht, wenn es leise blubbert und seltsam siekt...
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