Madrigal für einen Mörder
Madrigal für einen Mörder
Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
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Dezember 2001
Mütterlein, lieb Mütterlein
von Jens Jaithe

Morgen kommt sie mich besuchen. Zum ersten Mal.

"Freuen Sie sich?", hat die Erzieherin gefragt. Seit ich 16 bin, siezen sie mich, das soll mein Selbstwertgefühl stärken, hat der Psychologe mir erklärt. Mir ist es egal.

Freue ich mich? Ich weiß es nicht. Zu tief sitzt die Wut. Zu lange ist alles her, ich habe versucht, zu vergessen oder wenigstens zu verdrängen.
Ich liebe meine Mutter. Ich liebe sie über alles, immer schon.
Wir waren eine Herz und eine Seele. Haben abends zusammen auf dem Sofa ferngekuckt, eng aneinandergekuschelt, sind gemeinsam in Urlaub gefahren, haben uns alles erzählt.

Bis er kam. Von dem hatte sie mir nichts erzählt. Sie hatte fast täglich mit ihm auf der Arbeit zu tun und nach diesem Betriebsfest vor Weihnachten, bei dem Kinder nicht erwünscht waren, hat es wohl gefunkt zwischen den beiden.

Am zweiten Weihnachtstag stand er plötzlich vor unserer Tür. Ich öffnete, ahnungslos, verwundert, wer uns da stören wollte, denn wir haben wenig Bekannte und keine Verwandte, weil wir ganz auf uns konzentriert leben, und da stand er vor mir. Mit einem Riesenstrauß in der Hand.

"Ist Deine Mutter da?" fragte er. "Ich bin der Peter".
"Ja, klar - äh, wieso?"
Ich stand und starrte auf den Blumenstrauß.
"Willst du mich nicht reinlassen?"
Da fing ich an, ihn zu hassen.
Aber da kam schon Mutti von hinten.

"Hallo Peter, schön, daß du so pünktlich bist, darf ich dir meinen Sohn vorstellen - Heiner, das ist Peter, ein lieber Kollege".
Ich brummelte irgendwas und verzog mich in mein Zimmer.
Nebenan redeten und lachten sie, und ich fühlte, wie ich vor Wut, Enttäuschung und Schmerz zitterte.

Das wiederholte sich bei jedem Mal, wenn er kam, und er kam oft. Sie ließen mich auch nicht in meinem Zimmer in Ruhe, sondern kamen ohne Anklopfen herein, "Peter" betrachtete meine Poster und machte dumme Kommentare über die Elben und Krieger darauf, Mutti lachte dann albern und fummelte an seinem Jacket herum.
Mein Haß stieg.

Ich wollte meine Mutter nicht teilen. Sie war mein Ein und Alles, niemand sonst kam ihr gleich, höchstens Manea, die Amazonin in einem meiner Bücher...

Bei der Verhandlung haben sie dann gesagt, ich sei reife-redardiert oder sowas und habe eine zu starke Mutterbindung mit 14. Das Alter war aber mein Glück, sie konnten das Strafrecht noch nicht anwenden und haben mich nur in dieses Heim gesteckt. "Nur" ist gut, geschlossen ist es, und ich habe jeden Tag Therapie.
Ich müsse einsehen, daß man seine Probleme nicht mit Gewalt lösen könne, bei aller Liebe.

Das Zauberschwert haben sie mir natürlich weggenommen, "eingezogen als Tatwaffe", wie der Richter sagte. Dabei wollte ich Mutti doch nur schützen vor ihm, der sie so brutal behandelte. Sie stöhnte so schrecklich, als er auf ihr lag. Ich hatte es durch die Wände gehört und war hinübergerast. Nach meinem Schlag war er von ihr heruntergekugelt, und sie begann zu schreien. Das war noch viel schlimmer als das Gestöhne. Ich selber staunte nur, wieviel Kraft ich aufgebracht hatte. Und daß dieses Schwert aus dem Fantasyshop so tief eingedrungen war.

Sie hat kaum noch mit mir gesprochen, nachdem die Polizei gekommen war, und hat mich in diesen zwei Jahren nie besucht. Ich leide wie Hund, aber das gestehe ich diesem Therapeuten nicht.

Morgen kommt sie ja auch endlich, morgen ist wieder Weihnachten.

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