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Januar 2002
Brief an die schweigenden Kinder
von Urte Skaliks

Brief an die schweigenden Kinder

Hallo, liebes Mädchen, lieber Junge,
Du wunderst Dich sicher über diesen Brief und über die Anrede. Bist Du auch eins von den vielen Kindern, die nicht sagen können, was ihnen so schwer auf der Seele liegt? Ich habe von vielen Müttern gehört, daß sie sich große Sorgen machen, weil ihr Kind so viel Kummer hat und weil sie ihm so wenig helfen können.

Ich habe auch schon mit vielen Jungen und Mädchen gesprochen, die sich Sorgen machen. Deshalb möchte ich Dir ein paar Dinge erzählen, die Dich vielleicht interessieren: über Kinder, wie Du eins bist, starke Kinder, die sich sehr in ihren Kummer vergraben hatten und niemandem etwas davon sagen mochten. Sie redeten immer nur innerlich mit sich selbst und drehten sich dabei wie im Kreis. Da kommt man dann schwer wieder raus.

Auch Du bist ja so ein starkes Kind. Du schaffst es schon seit längerer Zeit, etwas, das für Dich sehr wichtig sein muß, für Dich zu behalten. Niemand soll es erfahren. Aber es macht Dich fast schon krank. Du hast düstere Gedanken deswegen.

Manchmal schweigen Kinder, weil ihnen etwas so schrecklich erscheint, daß es niemand wissen soll. Gedanken, die sie haben, oder etwas, das geschehen ist. Vielleicht glauben sie, es sei schrecklicher als alles, was irgendein Mensch erlebt hat, weil es sie so verzweifelt macht.

Ich kenne das, weil ich auch so ein Kind war, das schon mit zehn Jahren alles nur mit sich selbst ausmachen wollte. Gerade über das, was mich wirklich belastete, habe ich nicht gesprochen. Nun habe ich natürlich keine Ahnung, was Dich so sehr beschäftigt, was Dich quält. Aber daß ein Kind sich manchmal so alleine fühlt, daß es nicht mal der Mutter etwas sagen kann, das kennen ganz viele Kinder. Sie schweigen über das, was ihnen am wichtigsten ist. Sie schweigen über ihre größten Sorgen. Du wirst Harry Potter kennen: Der hat keine Eltern mehr und zuerst auch keinen Freund. Er fühlt sich ganz abgelehnt, bis er dann seine Freunde findet.

Vielleicht denkst Du auch, kein anderer könnte verstehen, was Du fühlst und erlebst? Und schon gar kein Erwachsener? Denn was wissen Erwachsene schon von Kindern? Was wissen sie davon, was Kinder wirklich erleben? Als ich noch ein Kind war, habe ich immer gedacht, nur Kinder hätten Gefühle. Da mußte ich sehr stark sein. Vielleicht hatten aber die Erwachsenen ihre Verzweiflung nur so gut versteckt gehalten? Fast alle Menschen kennen das nämlich. Sie meinen, daß sie über manche Dinge nicht sprechen können. Einige können aber darüber schreiben.

Als ich älter wurde, hatte ich dann immer noch Gefühle. Überhaupt alle erwachsenen Menschen haben welche und fühlen sich manchmal stark und manchmal schwach oder ängstlich. Daß die Großmütter Gefühle haben, das weißt Du sicher. Und die können sie meist auch ausdrücken, weil sie keine Angst mehr davor haben. Und dann machen die Sorgen und die ängstlichen Gedanken auch nicht mehr krank.

Aber Du - hast Du Dir vielleicht vorgenommen – oder Dir versprochen, daß Du nichts über Deine Gefühle oder das Geschehene sagen willst? Aber nun merkst Du, wie schwer das ist? Du kannst vielleicht nicht mehr ruhig schlafen und nicht mehr lachen, weil es Dich so sehr ängstigt? Weil das Starksein so anstrengend ist?

Oder hast Du vielleicht sogar einem anderen Menschen versprechen müssen, daß Du etwas verschweigen wirst? Sicher hast Du gelernt, daß man ein Versprechen halten muß. Aber ob Du es Dir nun selbst versprochen hast oder jemand anderem: Ein Versprechen, das einen krank macht, das muß man eben nicht halten! Das wäre nämlich ein Mißverständnis: weil niemand so ein Versprechen verlangen darf. Du bist viel zu wichtig, als daß irgendwer Dich so ausnutzen dürfte!

Heißt das jetzt, ich will Dir sagen, man soll ein Versprechen nicht halten? Nein, das verstehst Du schon. Welche Versprechen muß man halten? Wenn man etwas ganz freiwillig versprochen hat und dadurch nicht unter Druck geraten kann, dann soll man es halten. Wenn aber nur ein anderer den Vorteil davon hat, dann gilt es nicht. Wenn man sich nicht frei entscheiden konnte, wenn man unter Angst und Zweifeln etwas geheimzuhalten versprochen hat, dann gilt das Versprechen nicht. Es gilt auch nicht, wenn man nur aus Freundlichkeit nachgegeben hat und es in Wirklichkeit gar nicht wollte oder nur so halb wollte. Das eigene Gefühl dabei ist ganz wichtig.

Und dann noch: Über etwas zu schweigen, das kannst Du sogar nicht einmal Dir selber versprechen. Denn könnte es nicht sein, daß sich gerade durch Sprechen mit anderen die Lösung findet? Die Lösung, die das Schweigen überflüssig macht? Die Lösung, die das Leben wieder fröhlich macht? Das habe ich inzwischen gelernt. Aber man muß eben die richtigen Menschen finden, mit denen man reden kann. Solche, die gut zuhören können. Solche, die Dich nicht zu etwas überreden wollen.

Und übrigens – das Starksein, das Dir so wichtig ist? Stark sein ist wirklich was Gutes. Aber auch stark sein muß man nicht immer. Wenn das auch manche Leute anders sehen, - man muß wirklich nicht immer stark sein, schon gar nicht als Kind. Dafür sind erst mal Erwachsene da, und auch die können sich von andern helfen lassen.

Niemand soll Dich zwingen zu reden, wenn Du nicht wirklich reden willst. Aber Du sprichst doch sowieso immer mit Dir selber, fragst Dich und suchst nach Antworten, und da drehst Du Dich vielleicht auch immer im Kreis und findest nicht raus? Du darfst Dir ruhig hinaus helfen lassen.
Ich wünsche Dir, mir, uns allen, daß es Dir bald wieder besser geht. Deine Brigga

(c) Urte Skaliks

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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