Der Cousin im Souterrain
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Der nach "Dingerchen und andere bittere Köstlichkeiten" zweite Streich der Dortmunder Autorinnengruppe "Undpunkt".
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Februar 2002
Zeitprotokoll
von Martina Bartels

Zeitprotokoll

Mein Blick geht ins Leere. Ein tiefer Zug an der Zigarette. Der Blick wandert zur Uhr. Noch vierzig Stunden. Endlos.
Ich suche Ablenkung, beschäftige mich. Sicher ist es gleich Zeit ins Bett zu gehen. Erneuter Blick auf die Uhr. Kein Zeitgefühl. Es ist kaum eine halbe Stunde vergangen.
Es kommt mir vor, als kriechen die Zeiger über das Zifferblatt. Ich sehe mir einen Film an. Kann mich nicht konzentrieren. Endlich werde ich müde und gehe schlafen. Wälze mich unruhig von einer Seite auf die andere.
Eine schlaflose Stunde ist rum. Und noch eine. Endlich falle ich in einen unruhigen Schlaf. Immer wieder wache ich auf, döse wieder ein. Im Morgengrauen ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Noch zweiunddreißig Stunden. Zu früh zum Aufstehen, also bleibe ich liegen. Lese, aber der Text zieht an mir vorbei. Endlich: sieben Uhr. Völlig gerädert stehe ich auf. Sehe in den Spiegel. Übernächtigt, bleich, wie ein Gespenst. Beste Voraussetzungen – für ein Date. Meine Stimmung sinkt weiter. Noch neunundzwanzig Stunden.
Ich quäle mich durch den Tag, versunken in Tagträumen. Erledige alles mechanisch, Alltag eben. Die Zeit will nicht vergehen. Noch sechsundzwanzig Stunden. Womit kann ich mich beschäftigen? Ich gehe raus, laufe durch den Regen. Vereinzelt kommt die Sonne durch. Heiter bis wolkig, passend zu meiner Stimmung. Vierundzwanzig Stunden.
Meine Gedanken schweifen ab ... Morgen ... Morgen um diese Zeit ...
Vorfreude, mein Puls beschleunigt sich. Aber bis morgen, so lange noch. Ich spüre einen Klos im Hals. Zurück nach Hause. Verpflichtungen. Ablenkung. Beschäftigung. Zwanzig Stunden.
Der Regen klatscht gegen die Fensterscheiben. Die Unruhe steigert sich. Meine Gedanken drehen sich im Kreis. Das Warten ist zermĂĽrbend. Endlose Stunden. Die Minuten schleichen dahin. Irgendwie geht der Tag zu Ende.
Dreiundzwanzig Uhr. Ich gehe ins Bett. Eine weitere schlaflose Nacht liegt vor mir. Ein letzter Blick auf die Uhr. FĂĽnfzehn Stunden noch.
Unruhiger Schlaf, wilde Träume. Wunschträume ... Alpträume ... Das Klingeln des Weckers erlöst mich. Noch sechs endlose Stunden. Ein Blick in den Spiegel. Fehler! Auf diesen Anblick soll er sich freuen?
Duschen , anziehen, schminken. Noch immer unzufrieden mustere ich mein Spiegelbild. Nur noch fünf Stunden! Wieder ein Blick in den Spiegel. Umziehen? Ich bin nervös. Meine Hände zittern. Ich bleibe so. Noch ein paar Erledigungen. Ein Blick auf die Uhr. Noch drei Stunden - nur noch drei Stunden! Telefon ... nicht jetzt! Die Zeit drängt. Ich muss los. Die Nachbarin fegt vor dem Haus. Sie will mir den neuesten Klatsch erzählen. Es interessiert mich nicht. Nicht jetzt. Ich wimmel sie ab, habe es eilig.
Rein ins Auto. Etliche Kilometer. Es kommt mir vor wie um die Ecke. Fast da. Warum geht das so schnell? Das endlose Warten ist vorbei.
Er ist da. Jetzt schon – endlich! Reden. Reden. Reden. Über was eigentlich? Es ist nicht wichtig. Er ist da, für ein paar gestohlene Stunden. Nur das zählt. Schüchterne Blicke, zaghafte Berührungen. Ein Blick auf die Uhr. Die Zeit rast. Die Stunden fliegen vorbei. Erneuter Blick auf die Uhr. Ich muss los, der Alltag erwartet mich.
Worte, ein letzter Blick. Vorbei. Die Zeit ist um. Den Kampf gegen die Uhr verloren. Es ging so schnell. Es war so kurz. Warten auf das nächste Mal. Es dauert so lange. Endlos.

© Martina Bartels


Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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