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März 2002
Licht und Schatten
von Anne Zeisig



Das Volk der Lumineux verehrte seit etlichen Lichtjahren ihren Sonnengott Soleil. Er hatte ihnen einst Lichtgestalten verliehen von strahlender Vollkommenheit, sonnige Wesen, gehüllt in filigrane Seidengewänder. Darin spiegelte sich die Helligkeit des Lichtes irisierend von zartgelb bis tieforange.
Tagein, tagaus erfüllten die Lumineux ihre Pflicht und hegten und pflegten ganze Heerscharen Sonnenblumen im Dienste ihres Gottes.
Sie überreichten ihm das gewonnene Öl zum Salben, die Körner zum Verzehr. Soleil dankte es seinem Volke mit Licht und Wärme, ohne diese Harmonie konnte es nicht existieren.

„Mein Volk muss nicht wissen, wie einsam ich hier bin in meinem güldenen Käfig. So sehr mühen sie sich täglich lächelnd für mich. Doch bin ich ein Weib, dass ich mich salben muss? Nein,“, sprach Soleil zu sich selbst. Das Sonnenblumen-Öl lagerte inzwischen in unzähligen Karaffen aus edelstem Bisquitt-Porzellan. Er kaute lustlos auf den Sonnenblumen-Kernen.
Aber das Volk sagte: „Es ist nicht gut, dass unser Sonnengott so einsam lebt. Auch ist es nicht rechtens, dass er sich einsalbt wie ein Weib!“
„Haltet inne mit eurer Kritik an unserer Gottheit!“,erhoben andere ihre Stimme, „wir wollen `Soleil´ nicht erzürnen in seiner Güte für uns!“

. . .

Tief im Erdreich lebte das Volk Terra. Bodenständige Wurzelgesellen von knorriger Gestalt. Sie waren ihrer Urmutter Marron untertan. Diese sorgte sich seit etlichen Jahreszeiten um Wohl und Gesundheit ihrer Tochter Fille. Seitdem versandete die Erde und bot dem Volk kaum noch Nahrung. Zusehends stürzten die seit Generationen mühsam erschaffenen Gänge und Höhlen ein.
Marron bettete das unglückliche Kind auf ihren Schoß. Der glanzlose Blick Filles flehte die Mutter an. Die einst so frische Bronzehaut der jungen Frau war trocken und faltig geworden. Schmerzen peinigten die Tochter.
„Fille, meine Tochter, wenn ich nur wüsste, wie ich dir helfen kann,“ , wehklagte Marron.
Das Erdvolk begann zu rebellieren: „Wenn unsere Urmutter all ihr Wissen verloren hat, dann müssen wir ihr die Macht aberkennen. Ihre Unfähigkeit stürzt uns alle in den Untergang!“
„Haltet inne mit eurer Kritik an unserer Urmutter,“ widersprach der andere Teil des Volkes, „auch wir sind unwissend und können nicht helfen.“

Als die Urmutter Marron ihr Töchterlein zum Schlaf gebettet hatte, machte sie sich heimlich auf den Weg. Geheimgängen folgend hinauf zu den Sonnenblumen-Feldern des Sonnengottes Soleil, der dort in seinem güldenen Käfig eine einsame Nacht wieder schlaflos verbrachte.
„Marron, du Unvorsichtige! zischte Soleil der Urmutter entgegen, „das ist gegen unsere Abmachung.“
„Doch meine Not um `Fille´ treibt mich her! Meine Ratlosigkeit und Sorge wollen bei dir Hoffnung finden!“, jammerte Marron.
Soleil lächelte matt: „Wenn ich mich zu dir und `Fille´ bekenne, dann zweifelt mein Volk an mir. Sie werden mir die Macht rauben und untergehen in Umnachtung.“
Traurig und enttäuscht stieg Marron hinab ins Erdreich.

. . .

„Aber wenn ich es euch doch sage!“ ,verkündete Lumineux-Uno, der erste Sprecher des Volkes, seine nächtliche Beobachtung, „unser Sonnengott hatte des nachts Gesellschaft von gar weiblicher Gestalt!“
Soleil fand keine Erklärung, warum sein ohnehin fröhliches Volk heute noch beflissener und hurtiger ihm Sonnenblumen-Kerne und das edle Öl in noch größerer Menge brachte. Er dankte es ihnen mit gleißendem Licht und noch mehr Wärme. Und die Zufriedenheit seiner Untertanen ließ ihn darüber hinwegsehen, dass wieder eine öde Nacht vor ihm lag.


. . .

Das Volk Terra begann, sich Gedanken zu machen: „Habt ihr euch niemals gefragt, warum das holde Töchterlein unserer Urmutter gänzlich andersartiger ist als wir übrigen Wurzelgestalten?“
Einige Erdbewohner überlegten: „Und niemals haben wir erfahren, wessen Ursprung das Kind ist.“
Früher, als Fille noch ein verspieltes, gesundes Kind war, da konnte die Urmutter sich ja um die Fruchtbarkeit des Erdreiches kümmern. Das waren noch saftige Zeiten, als die Gänge und Höhlen erdig dufteten und den Wurzelgestalten Halt und Sicherheit gaben. Nun aber waren sie verunsichert.
Marron saß wie immer beim Töchterchen. Sie strich ihm über ihr einst volles Goldhaar, das nun aber büschelweise zur Erde hinabfiel.
Die Urmutter schluchzte verzweifelt in ihrer Hilflosigkeit. Ihr Tränenwasser vermischte sich mit den Haarbüscheln, die inzwischen zuhauf auf dem ausgedörrtem Boden lagen. Erschöpft schlief Marron ein.

Die vertrocknete Erde gewann von den Tränen der Urmutter an Fruchtbarkeit. Die Haarwurzeln Filles keimten und bildeten noch in dieser Nacht ein imposantes Nachtschatten-Gewächs gar herrlichst goldenem Schimmer.
„Fille, wach auf.“ ,flüsterte das Gewächs, „schau an meinen sanften Schein, auf dass du Kraft erhältst, den Sonnengott zu besuchen, nur er kann dir helfen.“
Die Tochter, gestärkt von den warmen Strahlen, huschte hinauf zu den Feldern des Soleils.
„Ich bin `Fille´ und nur du kannst mir helfen, mein Siechtum zu beenden!“, flehte sie den Sonnengott an. Der rieb sich seine übernächtigten Augen. Dieser Besuch überraschte ihn. Er schickte die junge Frau jedoch fort mit den Worten, dass er ihr nicht behilflich sein könne. Fille erhielt keine Begründung von ihm.

„Jetzt habt auch ihr gesehen, dass unser Sonnengott des nachts Weiberbesuch erhält. Aber dieses Mal war es ein anderes Weib!“ ,tat Lumineux- Uno empört.
„Verbotene Vielweiberei!“, kreischte das Volk, „es lebte unser Gott der Sonne! Unser Sonnengott werde sterben!“ Und die sonnigen Wesen bewaffneten sich mit Schwertern und Dolchen. Sie stürmten den güldenen Käfig ihres Gottes, und zerstörten ihn. Soleil gelang die Flucht hinter die Wolken, wo er sich versteckte. Das Himmelsgestirn verdunkelte sich und Blitz und Donner traf auf die Sonnenblumenfelder nieder. Hagelkörner zerfetzten Blatt und Blüte. Entsetzt stand das Volk der Lumineux vor der Zerstörung ihres Lebensraumes. Verstört legten sie ihre Waffen nieder und suchten Schutz im Innern der Erde.

Das Volk der Terra staunte über die Eindringlinge.
„Seht! Diese zarten Gewänder in diesen herrlichsten Farben! Fühlt dieses edle Tuch von so glatter, zarter Struktur!“ Schwärmten sie bewundernd durcheinander. Und geleiteten die Sonnenwesen in die Höhle der Urmutter, die noch schlafend über dem Töchterlein gebeugt war.
„Oh! Ah!“ ,staunte das Volk der Lumineux, „schaut an dieses golden schimmernde Gewächs hier unten im Schatten!“ Lumineux-Uno betastete vorsichtig das glänzende Blattwerk, „im Schatten gediehen,“, flüsterte er kaum hörbar.
„Ein Wunder! Unsere Urmutter hat ein Wunder vollbracht, das Erdreich ist fruchtbar geworden! Hoch lebe `Marron´!“ ,jubelte das Volk der Terra.
Marron und Fille erwachten verwirrt. Lumineux-Uno erkannte die beiden Frauen. Schüchtern bat er um Aufklärung, warum er sie des nachts beim Sonnengott gesehen hatte.
Kraftvoll erhob die Urmutter sich zu ihrer wahren Größe, wie ihr Volk sie schon lange nicht mehr so machtvoll gesehen hatte, als sie hörte, wie die Lumineux ihr blühendes Land zerstört hatten. Aus einem Missverständnis heraus.
Sorgfältig grub sie das Nachtschatten-Gewächs aus, hüllte es in ihre Schürze. Sie befahl den beiden Völkern, ihr nach oben zu folgen. Auch Fille ging mit ihnen.
. . .
So standen sie auf dem durchnässtem Boden, der einst blühende Sonnenblumen hervorbrachte. Und schauten sehnsüchtig hinauf zu den bedrohlichen Wolken, die sich über ihnen zusammenbrauten. Die Urmutter Marron trug Fille auf, das Nachtschatten-Gewächs in den saftigen Boden zu pflanzen.
Marron erhob ihre Arme gen Himmel und rief: „Soleil! Reiße die Wolken auf! Schau hinab auf uns! Wir erwarten dein Geständnis! Enttäusche uns nicht, ich habe das Volk ins Licht geführt!“

Bleiern schwer lag die Schwüle über dem Land, kein Lufthauch zerstörte die Stille.
Sehr zaghaft zeigte Soleil seine ersten Strahlen, ließ sie vorauseilen, um ihnen hinab zu folgen.
„Vor Jahren, als sich der Sonnenlauf zum 17ten Male wiederholte, da habe ich mich in `Marron´ verliebt. Eine heimliche Liebschaft, aus der die Frucht `Fille´ hervorging,“ ,gestand er stockend, „aber ich, der Sonnengott, konnte nur da sein für mein Volk, das mir so untertan und harmonisch diente. Ich fürchtete um meine Macht, würde meinem Volk mein irdisches Geschick bekannt. So verleumdete ich `Marron´, und `Fille´, unsere gemeinsame Tochter. Verwehrte Hilfe, die ich mit meinen Strahlen `Fille´ hätte geben können.“
Zweifelnd sah Fille ihre Mutter an. Sie nickte gütig lächelnd und führte die Tochter zu Soleil, der sie wärmend umarmte.
„Hoch lebe `Marron´, `Soleil´ und `Fille´!“ ,jubilierten die beiden Völker.

Und Fille blühte auf in ihrer jugendlichen Frische unter den wärmenden Strahlen im Licht. Lumineux-Uno zwinkerte ihr zu und sah ihr tief in die glänzenden Augen. Er griff unter sein Seidengewand und hielt ihr eine Porzellankaraffe entgegen: „Mein Geschenk für dich. Edelstes Sonnenblumenöl zum Salben deiner samtigen Haut.“


(c) Anne Zeisig

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