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Mrz 2002
Zum Sonnenstein
von Sabine Harnau


Die aufgehende Sonne schien fahl durch den Schornstein in Lakras Hütte. Es war der Tag ihrer Einsetzung. Die Ältesten hatten einen Jüngling gewählt, mit dem sie bei Sonnenuntergang auf dem heiligen Stein die Vereinigung eingehen und ein neues Dorf gründen sollte.
Ihre Hände waren eiskalt. Rosán, ihre Magd, brachte ein neues Stück Kräuterseife und eine Schale heißen Wassers. Sie wusch ausgiebig Lakras Hände und Füße, bevor diese ein Bad im Wolkenfluss hinter dem Dorf nehmen durfte. Dann hüllte Rosán sie in ölgetränkte Tücher, ölte ihr Haar und färbte ihr Wangen und Lippen mit Beerenfarben.

Lakra bestieg die Stufen zum heiligen Stein und legte all ihren Besitz darauf. Gewänder, Sandalen, Köämme, Schmuck, Töpfe und Becher. Der Priester trug eine Kapuze; sein Gesicht blieb im Dunkel unerkennbar. Er hob segnend die Hände über Lakra und den Stein. Die Ältesten summten eine alte Liturgie, der Priester schwenkte einen Mistelzweig über dem Stein. Die Welt verschwamm vor Lakras Augen. Sie kniete vor dem Stein und schloss die Augen. Bis Sonnenuntergang durfte sie nun nicht mehr sprechen.

Lakra sieht in den kleinen Spiegel, den sie als Amulett um den Hals trägt. Ihr rotes Haar ist kunstvoll geflochten, ihre grünen Augen leuchten. Plötzlich steht hinter ihr ein blondgelockter Jüngling, der auffordernd lächelt. Niemand ist zu sehen, als Lakra sich umwendet. Sie schließt das Amulett, wirft ihren Umhang über und begibt sich in den Eichwald um vor dem Ritual den Sonnenstein zu ölen. Ihr Pferd Sidro trägt zwei Fässer mit Wasser und Fenchelöl.
Der Weg ist steinig und weit, und bald muss Lakra an der Mondquelle rasten und das Wasserfass auffüllen. Sie kniet nieder, da springt ihr Utun, die Quellnymphe, entgegen. Die kleine Nixe klettert auf Lakras Hand und legt eine Perle hinein. “Sei gegrüßt, Lakra. Du hast dich verlaufen. Um zum Stein zu finden, achte auf die Perle. Je näher du ihm bist, um so heller leuchtet sie.” Damit macht die Nymphe einen eleganten Kopfsprung und verschwindet im Sprudeln der Quelle. Lakra steckt die Perle in ihren kleinen Lederbeutel, füllt ihr Fass und befestigt es wieder am Sattelgurt.
Nach einiger Zeit betritt sie mit Sidro eine große Lichtung, auf der zwölf Männer um ein Feuer sitzen und einen riesigen Frosch braten. Das Feuer knistert, die Perle strahlt, und Lakra nähert sich vorsichtig den Kerlen, da sie auch Hunger hat. Da verschlingt der Frosch alle zwölf Gesellen und quakt eine herzzereißende Melodie. “Der Stein, mein Kind, das Feuer, mein Kind, unter der Glut liegt der Stein...” Sie betrachtet das Feuer genauer: Tatsächlich, unter der Glut liegt der Eingang zu einer Höhle! Die Perle leuchtet und leuchtet. Geblendet geht Lakra auf den Höhleneingang zu ohne zu bemerken, dass sie schrumpft. Sie findet sich in einem feuchtkühlen, kreisrunden Raum wieder, in dessen Mitte ein Kegel aus Perlen aufgeschichtet ist, jede davon weiß und so groß wie Lakras Kopf. Staunend umrundet sie den Kegel, da fällt ihr Utuns Geschenk wieder ein. Wirklich, die Perle scheint aus reinem Licht zu bestehen und ist genau so groß wie die Perlen des Kegels. Kaum lockert Lakra den Griff, schwebt die Perle auch schon an die Spitze des Kegels. Ein beben geht durch die Erde; die Höhle droht einzustürzen, und Lakra eilt durch herabfallende Gesteinsbrocken dem Eingang zu. Von allen Seiten drängen Wurzeln durch die Wände und schlingen sich um ihren Körper. Hier fällte ein Stein knapp neben ihr zu Boden. In einem letzten Ruck erzittert das Erdreich, und die Höhle begräbt Lakra unter sich.

Lakra erwachte von hellem Strahlen. Der Boden unter ihr war heiß. Ein Jüngling mit wilden blonden Locken kniete über sie gebeugt und legte ihr den Finger auf die Lippen, immer wieder ihren Namen flüsternd. Lakra wand sich und wollte fragen, doch er schüttelte den Kopf. Ich bin Simro, und du bist meine Braut. Morgen gehen wir fort und gründen an der Mondquelle ein neues Dorf.”

(c) Sabine Harnau

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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