Madrigal für einen Mörder
Madrigal für einen Mörder
Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
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April 2002
Frank Holter
von Andreas Simon


Frank Holter winkte dem Hubschrauber zu, der mit Ohren betäubenden Lärm auf ihn zugeflogen kam.
„Endlich!“, dachte er sich und schaute in die Tiefe.
Dort unten am Fuße der Steilwand war der in rot gekleidete Leichnam seiner Frau Renate zu erkennen.
Zerschlagen vom tiefen Fall. Die Rettungskräfte konnten nichts mehr für sie tun. Nur ihren toten Leib bergen.
„Bist narrisch, Bazi?“, Der Einsatzleiter schimpfte mit Frank Holter. Hessisch war das nicht. Das war besser zu verstehen für den Frankfurter.
Den Tod hatten sie häufig zu Besuch in dem hummerfarbigen Helikopter von der deutschen Bergwacht. Was den sportlichen Mann so aufregte war die Dummheit der Touristen.
Stumm blickte der Hesse zu Boden.
Es war auch wirklich zu unvernünftig mit einer so unerfahrenen Bergsteigerin wie seiner Frau diesen Gipfel erklimmen zu wollen.
„Dosamma“, brummte sein Gegenüber bei der Landung. Frank Holter lugte noch einmal nach hinten. Dorthin, wo seine Frau lag. Eingehüllt in einen schwarzen Plastiksack.
„Saupreiß, damischer!“, hörte Frank den Oberbayern beim Aussteigen grummeln.
Alles ließ er über sich ergehen. Die nicht enden wollenden Befragungen bei der Polizei.
Die Bestattungszeremonie, bei der seine Schwiegereltern ihn anschwiegen und den Sarg ihrer Tochter beweinten.
Das Gejammere von Thorsten und Maike, seinen fünf und sieben Jahre alten Kindern.
Er gab sie für das Erste an seine Schwiegereltern ab.

Seit einem Monat ist er nun Witwer.
Zeit sich nach einer neuen Arbeit umzusehen.
Straßenbahnfahrer das ist nichts mehr für ihn. Zu wenig Geld und ständig wechselnde Schichten.
Kaum Zeit für Marietta, dem russischen Animiermädchen aus der Lotus Bar mitten im Frankfurter Bahnhofsviertel.

Er fährt zu ihr an diesem Abend.
Ein ehemaliger Kollege in der Straßenbahn chauffiert in ruckelnd. Spricht ihm sein Mitgefühl aus. Wie ihn das nervt. Breitwangig hohle Visage. Mitgefühl heuchelnde Worte, die an ihm vorüberziehen wie ein vorbei fahrender Zug.
Marietta hat schon recht. Arbeiter sind primitiv. Er und die junge Brünette sind da ganz anders.
Sie hatte es ihm immer wieder bestätigt, was für ein ganz besonderer Kerl er sei.
So zupackend energisch. Ideenreich und großzügig. Vergeudet sein Talent bei biederer Arbeit.
Schon früh ist er da. Er will sicher gehen, dass er der erste ist.
Der einzige will er sein, mit dem die dreiundzwanzigjährige Frau aus dem Kaukasus ihr Leben verbringt.
„Deine Frau ist Tod, oh das ist ja furchtbar für dich, komm lass uns trinken ein Glas Wodka, dass es dir besser geht!“, sie sitzt mit ihren langen frei gelegten Beinen auf einem Sofa aus rotem Plüsch.
Hat ihn weg gezogen vom halbrunden Tresen an dem die Prosecco Fraktion gelangweilt Reden schwingt. Verqualmt ist die Luft von den Rauchschwaden, die einige Marlboro Jünger verursachen.
„Du weißt doch, wie verrückt ich nach dir bin, du kannst zu mir ziehen, jetzt wo sie nicht mehr da ist!“, er sagt das im Fieber seiner Gedanken. Jetzt ist er frei.
Ergötzt sich am Duft ihrer Haut. Teures Parfüm schmeichelt seiner Nase. Immer das gleiche benutzt sie von Dior. Er kann seinen Blick nicht lassen von ihrem Solarium gebräunten Fleisch, das sie nur leicht bekleidet zur Schau stellt.
„Na klar, Liebster, ich werde hier aufhören und zu dir ziehen!“, mit einem höhnischen Lächeln im Gesicht hat sie ihm geantwortet. Er versteht das nicht. Warum dieser Unterton.
Da war Häme. Deutlich hat er das gespürt.
„Ich hab dir doch gesagt mit einem einfachen Arbeiter, das ist nichts für mich, ich habe etwas Besseres verdient!“,
Langsam kapiert er. Er erklärt ihr in schillernden Farben von den Umschulungsmöglichkeiten, die ihm das Arbeitsamt anbietet.
Erläutert ihr die Vorzüge eines anständig gut bürgerlichen Lebens als Mutter von zwei Kindern.
Sie blickt an ihm vorbei zum „Schönen Martin“, dem Mann, der sie beschützt. Einen neuen Porsche braucht er, um mit ihr nach Paris zu fahren, der Stadt der Liebe und dem Flair einer großen Metropole.
„Das mit deinem Beruf, was warst du eigentlich noch mal? Straßenbahnfahrer oder so ähnlich? Schön und gut, aber Kinder weißt du, das geht nicht, ehrlich gesagt, ich mag die nicht, machen nur Krach und viel Arbeit, habe selber schon eins von Micha meinem Ex- Mann, diesem Schwein, deswegen geh ich ja hier arbeiten oder meinst du ich mach das aus Freude?“, nach beendeter Rede bestellt Marietta eine Flasche Champagner.
Ihre Aufwärmphase ist abgeschlossen. Die Nacht kann beginnen.
Frank Holter lauscht ihren Worten wie ein angehender katholischer Priester den Worten des Papstes. Eckig und zischend klingen sie aus ihrem Mund.

„Aber du liebst mich doch, ja?“, Frank legt seine Hand auf ihr linkes Knie.
Seine Fingernägel sind dreckig. Eine Sekunde lang zuckt sie zurück.
Ergreift dann aber schuldbewusst und zaghaft die bleiche Hand, um sie etwas höher auf ihren Oberschenkel, näher an ihr schwarzes Höschen, zu schieben.
Der „Schöne Martin“ ist kein eifersüchtiger Mann. Er lächelt kurz herüber und wirft ihr einen Kussmund zu. Wie weiß die Zähne sind, die er sich von ihrem Geld hat erneuern lassen.

Fahl ist Franks Gesicht. Glasig seine Augen, unter denen violette Tränensäcke hängen.

„Natürlich tu ich das, weißt du doch, nicht wahr, Freundchen?“ antwortete sie ihm lockend. Ihre feuchte Zunge umkurvt die rosa geschminkten Lippen.
Frank weiß nun, was er zu tun hat.
Sie hat ihm einen neuen Auftrag erteilt. Noch ist nicht alles erledigt.
Eindeutig was zu ihrem Glück noch fehlt. Sie hat Recht. Wie klug seine Marietta doch war. Warum war er da nicht selber drauf gekommen?
Auch wenn es ihm schwer fällt. Das letzte Hindernis muss noch aus dem Weg geräumt werden.
Am besten gleich. Kinder haben schnell mal einen Unfall.
Dieses Mal muss man nicht einmal in die Ferne schweifen.
Das Gute liegt doch so nah.
Es gibt ja den Main.
(c) Andreas Simon

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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