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Mai 2002
Doppelkopf
von Gudrun Gülden


Antonia begrüßte die Gäste in einer mir fremden Sprache. Vielleicht spanisch, denn sie hatte stundenlang mexikanisches Essen zubereitet. Ich konnte ihre Lippenbewegungen nicht entschlüsseln und ärgerte mich. Lissy und Roman grinsten und kamen herein.
Einmal im Monat trafen wir uns zum Doppelkopf, dieses Mal bei meiner Schwester. Ich war drei Jahre jünger als sie und seit meiner Geburt gehörlos. Antonia hatte viele Verehrer, aber selten gefiel ihr jemand ernsthaft. Seitdem sie studierte, lebte sie in einer eigenen Wohnung.
Antonia dachte sich immer was Besonderes aus für die Kartenabende. Bei Lissy gab es oft sehr merkwürdiges Essen. Eine Dose Mais, einfach nur so aufgemacht und auf Papptellern serviert. Antonia schimpfte oft über Lissy: „Sie ist ein faules Stück. Aber zum Saufen reicht ihre Energie jedes Mal noch.“ Sie waren Freundinnen seit dem Kindergarten.
Roman liebte Lissy. Auch wenn sie schon lange kein Liebespaar mehr waren, wohnten sie in einer Wohnung. Antonia schimpfte auch über Roman, aber anders, irgendwie hörte es sich an, als schimpfe sie wieder über Lissy.
„Warum tut er das? Er rennt ihr hinterher wie ein Hund und sie lässt ihn nicht los. Er ist doch so nett, warum sucht er sich keine andere?“
Lissys Haare sahen aus, als wäre der Friseur blind gewesen. Ihr Pony war auf der einen Seite so lang, dass sie schlecht sehen konnte. Sie strahlte und umarmte mich. Roman sah jämmerlich aus. Lissy hatte eine CD mitgebracht, die sie gleich auflegte. Roman und Antonia schauten sich an und verdrehten die Augen. Beim Essen redete Lissy die ganze Zeit. Es ging um einen Nils. Nils dies, Nils das. Jetzt hörte sie immer seine Lieblingsmusik.
Als ich mit Antonia in der Küche war, lästerte sie: „Ich dachte, Lissy ist Vegetarierin! Jetzt schaufelt sie sich Berge von Fleisch rein. Das macht sie nur, weil Nils Fleisch mag. Und seit wann hört sie gerne Jazz?“
Also kannte Antonia diesen Nils.
Uli hatte Frozen Margarita gemixt, wie immer tranken alle drei viel. Beim Kartenspielen machte Lissy viele Fehler. Sie wusste nie, wer ihr Partner war und vergaß, welche Karten schon ausgespielt waren. Aber das störte sie nicht, nur uns.
Lissy sortierte zum x-ten Mal ihre Karten. „Ist schon eine Herz Zehn ausgespielt?“ , fragte sie.
„Hältst Du wohl die Klappe!“ fuhr Roman sie an. Er spielte diese Runde mit ihr zusammen.
„Ja.!“ , antwortete Antonia.
Lissy legte ihre Herz Zehn auf den Tisch. Antonia legte eine Herz Zehn darauf.
„Aber wieso...?“ Lissy schaute verwundert.
Ich haute mein Karo As drauf, Roman zog knurrend einen niedrigen Trumpf.
„Bist selbst dran schuld, wenn Du nicht aufpasst. Das lass ich mir doch nicht entgehen.“ Antonia griff sich den Stich und lächelte verschlagen.
Roman wurde rot im Gesicht und pflaumte Lissy an. „Mir reicht es langsam mit dir. Ich hör auf.“
Er setzte sich auf Antonias Clubsessel und zündete sich eine Zigarette an. Antonia setzte sich zu ihm auf die Armlehne und machte den Fernseher an. Schweigend starrten die beiden auf den Bildschirm.
Ich blieb mit Lissy am Tisch sitzen.
„Wer ist dieser Nils?“
„Wir haben ihn in einer Disco kennen gelernt. Er ist Musiker. Er ist gerade in Amerika auf einem Festival.“ Lissy gab sich viel Mühe, dass ich sie verstehen konnte.
„Und magst Du ihn gerne?“
„Ja, ich finde ihn toll. Er ist ein spannender Mensch. Er macht tolle Sachen“ Lissy sah ganz stolz aus.
„Und mag er dich?“
„Ich glaube ja.“
„Woran merkst Du das?“
„Keine Ahnung, ich muss die ganze Zeit an ihn denken und ich habe das Gefühl, dass er an mich denkt.“
Lissy ging wieder zum CD-Player. Neben der Musikanlage stand Antonias alter Sekretär. Auf dem dunklen Holz leuchtete weißes Papier, das Lissys Aufmerksamkeit weckte. Es war ein Brief. Lissy nahm ihn und betrachtete ihn von beide Seiten. Dann fragte sie Antonia etwas. Antonia schaute sie an und nickte. Lissy entfaltete den Brief und begann zu lesen. Nach einem Moment wandte sie uns den Rücken zu. Es war eine merkwürdige Atmosphäre im Raum, keiner rührte sich. Der Rauch von Romans Zigarette zog schnurgerade hoch zur Decke. Lissys Schultern senkten sich. Sie legte den Brief zurück und wischte an ihren Augen. Dann holte sie ihre Jacke und verließ die Wohnung.
Ich ging zu Antonia und fragte sie, was in dem Brief stand. Sie bedeutete mir mit einer Handbewegung, dass ich den Brief lesen sollte Ich nahm den Briefumschlag. Auf der Briefmarke war ein Stempel aus New Orleans. Dann nahm ich den Bogen.
Liebste Antonia,
seit zwei Jahren habe ich mich auf diese Reise gefreut. Ich habe jeden Pfennig gespart, Extra-Nachtschichten in der ungeliebten Disco geschoben und mir viele Wünsche nicht erfüllt. Nun bin ich hier in New Orleans und wünschte, ich wäre nie hierher gefahren.
Der Grund dafür bist Du.
Hier ist alles so, wie ich es mir vorgestellt habe. Die Luft ist angefüllt mit Musik und pulsierendem Leben, der Himmel ist tiefblau, doch wenn ich ihn anschaue, denke ich nur an die Farben deiner Augen. Ich sehe die Menschen und will ihnen erzählen, wie glücklich man sein kann. Ich sitze auf der Holzveranda einer angesagte Jazzkneipe und träume vom Eiscafé bei dir um die Ecke. Wo wir zusammen waren. Durch dich habe ich eine Sache genau verstanden. Liebe kann man nicht erklären. Man liebt nicht weil... oder wegen... Man liebt einfach. An dich zu denken macht mich glücklich.
Ich zähle die Tage bis zu meiner Rückkehr wie ein Gefangener die Tage bis zu seiner Entlassung.
Dein Nils
PS. Grüß deine netten Freunde.
Ich schaute Antonia an. Sie zuckte mit den Schultern und sagte: „Sie hätte es sowieso erfahren.“

(c) Gudrun Gülden

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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