Der himmelblaue Schmengeling
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Mai 2002
Cactus Club
von Sabine Harnau


Montag
Der Frühling ist gelb wie der Himmel vor dem Sturm.
Im November hat er Paula einen Heiratsantrag gemacht.
Sie stand neben ihm. Die Fußgängerampel war rot. Sie hatten sich den ganzen Abend über Komplimente gemacht und wollten irgendwo Mousse au Chocolat auftreiben. Dann der Antrag, als sagte er: “Es ist grün.“
Sie ist über die Straße gerannt und in einen abfahrenden Bus gesprungen. Er ist stehengeblieben und hat ihr nachgeschaut.

Heute die Postkarte. Ein Bild von einem Schiff und auf der Rückseite: “Freitag halb elf Cactus Club.“ Kein Name, kein Gruß. Der Stempel sagt: Oslo.
Er feiert dort wohl Geburtstag, wie in jedem Jahr. Seit langem zum ersten Mal ohne Paula.


Dienstag
Im Bus trifft sie ihre Nachbarin. Sie haben als Kinder zusammen gespielt. Sie mustern einander, reden nicht, haben den gleichen Heimweg, sprechen kein Wort. Sie war bei H&M, Paula auf einer Wahlkampfveranstaltung. Die Nachbarin hat zugenommen. Zu Hause wartet ihr Verlobter.
Paula isst eine Schüssel voll Mousse au Chocolat und sieht dem Efeu beim Wachsen zu.


Mittwoch
Die Zeit schlägt sie tot.
Ihre Mutter ruft an. Nichts Neues. Sie zieht um, wie jeden April, ob Paula ihre grüne Couch haben will und warum Paula sich so lange nicht gemeldet habe. Und ob Paula schon weiß, dass ihre Cousine zum zweiten Mal schwanger ist.

Paula drückt die Nase ans Küchenfenster und sieht keinen Horizont.


Donnerstag
Beim Aufwachen hat sie Fensterkitt in den Augen. Der Spiegel spottet über sie. Sie findet einen Schoko-Osterhasen und sticht ihm mit der Nagelfeile die Augen aus.
Im Garten findet sie tote Mäuse und Maulwürfe. Die Nachbarin hat wieder Gift gespritzt. Paula hängt die Leichen an rote Bindfäden.
Bis zum Abend liegt sie in der Badewanne.


Freitag
Um halb elf ist sie da.
Aus den Hallen treffen Soul und Punk aufeinander, Paula sitzt genau in der Mitte.
Gedanken tanzen Ringelreihen ums Glas.
Paula tanzt mit, fällt aus dem Rhythmus an seine Brust. Sie gehen nach draußen. Aus seinen Augen pflückt sie Oliven. Die Kerne fädelt sie auf und webt ein Netz.
Sie fällt in die Nacht. Sie lieben einander.
Es stürmt.


Wochenende
Im Morgenrot legt sie sich in die abgeworfenen Schalen.
Als Abschiedsgeschenke Kissen unter den Lidern und eine Erinnerung im Netz.
Der Montag ist weit. Sie lässt Ballast zurück, bis nur noch Worte bleiben.
Die wirft sie in den Fluss.


©Sabine Harnau


Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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