Der Tod aus der Teekiste
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Mai 2002
Sex und Liebe in der sowjetischen Gesellschaft.
von Vladimir Poljakov

Einführungslektion.

Damals, kurz nach Beginn der „Perestrojka“, spuckte eine Frau in einer TV-Sendung, die in die USA übertragen wurde, ins Gesicht der amerikanischen Nation: „Wir haben gar keinen Sex!“ Es war die ehrliche Aussage eines Mitglieds der KPdSU. Selbstverständlich brauchte die Partei keinen Sex, um das Paradies für Arbeiter und Bauern zu schaffen. Der Aufbau des Paradieses sollte nach den kommunistischen Anweisungen mit dem Herzen erfolgen, aber nicht mit den Genitalien. Aus diesem Grund gab es in Zeitschriften, Zeitungen und im Fernsehen keine nackten Busen oder Ähnliches und viele junge Leute wussten auch nicht, wo Kinder herkommen.

Ich war sportlich, studierte mit voller Kraft an der Hochschule für Mechanik, hatte gar keine Zeit für die Liebe und stellte mir deswegen auch keine Fragen über die Herkunft der Kinder. Aber eines Tages sah ich in unserer studentischen Wandzeitung eine Anzeige, die mich neugierig machte. „Sex und Liebe in der sowjetischen Gesellschaft. Einführungslektion mit Dias. Am 1 April um 19:00 Uhr im Hauptgebäude. Raum 222.“

„Sex mit Dias. Das ist cool“, dachte ich mir, nahm meinen Kumpel und eine Flasche Bier mit und ging zu dieser Lektion.

Der Raum war voll. Der Lektor gefiel mir nicht. Das war ein kleines Kerlchen mit Glatze und Brille, der pünktlich um 19:00 Uhr kam. Er begrüßte kurz die Teilnehmer und begann sofort mit der Lektion.

„Die Liebe in der sowjetischen Gesellschaft kann man grob in vier Gruppen einteilen“, sagte der Lektor. „Zur ersten Gruppe gehört die Liebe eines Mannes zu einer Frau oder umgekehrt. Das ist ganz normale Liebe, jeder von euch hat darüber schon was gehört oder sie sogar erlebt. Deswegen braucht ihr dazu keine Dias zu sehen.“ Ohne eine Pause einzulegen, fuhr das Kerlchen fort: „Zur zweiten und dritten Gruppe gehört die Liebe der Homosexuelle und Lesben. Wie ihr wisst“, erinnerte uns der Lektor, „nach dem Sieg der Grossen Sozialistischen Oktoberrevolution gibt es in unserem Staat keine Homosexuelle und Lesben mehr. Aus diesen Gründen habe ich auch keine Dias.“ Danach atmete der Lektor tief durch und setzte fort: „Zur letzten, aber der wichtigsten Gruppe der Liebe in unserer sowjetischen Gesellschaft gehört die große Liebe zum Vaterland. Und jetzt zeige ich euch die Dias, die ich mitgebracht habe...“

Meine Enttäuschung war groß. Aber komischerweise verließ keiner der Teilnehmer den Raum. Wahrscheinlich war die Liebe zum Vaterland wirklich unbegrenzt. Leider wurden meine Fragen über Sex nicht beantwortet. Die Antworten erfuhr ich später von meiner Frau während unserer praktischen Übungen, nachdem ich mir die Theorie selbst beigebracht hatte.




Vladimir Poliakov (V.Poliakov@web.de)

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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