Das alte Buch Mamsell
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Peggy Wehmeier zeigt in diesem Buch, dass Märchen für kleine und große Leute interessant sein können - und dass sich auch schwere Inhalte wie der Tod für Kinder verstehbar machen lassen.
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Juli 2002
GRAUENVOLL UNAUFGEREGT
von Sebastian Spengler


grauenvoll unaufgeregt
Als ihre Blicke sich kreuzten, so eine der gewaltigen Blickkreuzungen, wie sie doch im alltäglichen Leben ganz nebenbei, sozusagen aus Zufall nur allzu oft passieren. Es mochten auch einige Quanten aufeinander geprallt sein, daß sie, von ihrer Flugbahn abgelenkt, so etwas wie kleinste Lichtfunken bedeutet haben, aber bemerkt hat solcherlei letztlich keiner der beiden. Und es hätte schon großer Gesten benötigt, um diesem Moment ein Besonderes an Bedeutung abzugewinnen. Es war nicht mehr als: ER stand so da, SIE stand so da, sie sahen sich an, SIE lächelte. Der Moment darauf war der Tumult des Zusammenstoß zweier Autos nicht wenige Meter entfernt. Beide mit 50 km/h, Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften, frontal aufeinander, und mit immerhin drei Leichtverletzten, daß in der ganzen Aufregung und der zusammenlaufenden Schaulustigen sie sich aus den Augen verloren.

Nach all den Jahren, während ER mit mittlerweile ein wenig grauen Schläfen in den Armen SEINER Frau einen wirklich außerordentlichen Orgasmus hatte, fragte ER sich, was damals nicht Alles hätte sein können.

Dieser Unfall, er sei nicht passiert, als ihre Blicke sich kreuzten, plötzlich war da das Quietschen von Bremsen, außerdem das Schreien mancher Passanten. Als SIE sich abrupt zuwendete, in einer solchen Zufälligkeit, wie IHRE Hand die SEINE streifte, es durchzuckte IHN, raste IHM heißkalt den Rücken hinauf. Scharf bremsend ins Schleudern geraten, die Autos ein wenig außer Kontrolle, bis sie schließlich Seite an Seite gegeneinander zu Stehen kamen, die Passanten schrien übrigens noch immer. Der Gestank nach verbranntem Gummi waberte über die Köpfe hinweg, ein klein wenig Rauch mochte auch von den Reifen fortgeweht worden sein, es passierte da letztlich nicht mehr sonderlich viel, daß ER SEINEN Arm um IHRE Taille legte. ER spürte IHR heftiges Atmen, neben IHR, nun, gehen wir?, fragte ER, beiläufig, SIE nickte nur.

SEINE Oberlippe kräuselte sich, SEIN Becken bebte noch ein wenig nach, SEINE Füße gestreckt, die Zehen zuckten unkontrolliert. Währenddessen rasten IHM die Möglichkeiten, die vergangenen, durch den Kopf.

Also hat ER SIE zum Eisessen eingeladen, gleich darauf, sind sie dann auch ins nächste Café, ER IHR gegenüber gesessen und hat IHR zugesehen. SIE schloß die Augen, wenn SIE mit gespitzten Lippen, leicht schmatzend, die cremige Süße nachschmeckte. Sie sahen sich über IHREN Eisbecher hinweg in die Augen, in IHREM Augenwinkel bildeten sich kleinste Fältchen, wenn SIE lächelte, SIE hatte grüne Augen, wie Augen nur so grün sein können. Es dauerte nicht lange und, oder die Zeit raste für die beiden nur so vorbei, jedenfalls roch es rasch nach Rauch, quollen auch schon dunkle Schwaden unter der Decke hinweg, und irgendwer rief es dann noch mal laut, Feuer. Und alles rannte, und geriet in Panik, und die Decke stürzte ja auch bereits teilweise runter, und Funken stieben. Jedenfalls alle über IHN hinweg, der erschrocken im Ausgang stehengeblieben war, und der Krankenwagen kam ja auch schon. Aber SIE hat nicht an SEINEM Bett gesessen, als ER die Augen das erste Mal wieder aufschlug und überhaupt hat ER SIE nicht wieder gesehen.

Nein, auch dieses Feuer, es sei nicht passiert, es sei nur ein mißglücktes Flammbieren gewesen, das in einer Rauchwolke zur Decke verpuffte, weiter ist nichts geschehen. SIE sah auf von IHREM Eisbecher, sagte nichts, lächelte IHN kurz an, wendete aber den Kopf und beobachtete das Pärchen am Tisch nebenan. ER hatte eigentlich etwas sagen wollen, sagte nichts und beobachtete bald ebenfalls das Pärchen am Tisch nebenan. Irgendein Kellner kam zu ihnen, mit besorgter Stimme: Es wäre doch recht nett, wenn Sie jetzt dieses Lokal verlassen würden. Sie müssen wissen, ein lieber Vetter von mir arbeitet in der Bank hier in der Nähe und gerade sammeln sich dort einige doch recht dubiose Personen davor. Natürlich, sie würden doch gerne helfen, sagten sie, einstimmig und wenig später bereits hatten sie sich verabschiedet und waren in verschiedene Richtungen davongegangen. Die einigermaßen verdächtige Gruppe vor einer Bankfiliale fast genau gegenüber tauschte Blicke und zerstreute sich dann doch. Ein paar Tage darauf nur liefen sie, zufällig, einander über den Weg. SIE sagte, es ist doch recht seltsam, daß wir uns immer wieder sehen, und es doch eigentlich nicht wollen, ER sagte ER wisse auch nicht, sie lachten zusammen. Als ER bald darauf mit IHR unter einer Decke steckte, sie beide nackt, und das Unabwendbare also endlich geschehen. Da, ER wollte gar nicht erst den Fernseher anschalten und sehen, welche Panzer an wessen Grenzen, oder ob vielleicht sogar Weltkrieg, ER zog sich schweigend an und verließ SIE also, und hatte es wohl endlich eingesehen.

ER stöhnte noch einmal auf, seufzte, rollte auf die Seite und war recht bald auch schon eingeschlafen. SEINE Frau strich IHM kurz noch einmal über den Rücken, seufzte, drehte sich von IHM weg und schlief kurz darauf ebenfalls ein.

Während SIE nackt auf IHREM Mann sitzend und Schweiß und das Alles, und gerade irrwitzig intensiv den Orgasmus erreichte, fragte SIE sich, was damals nicht Alles hätte sein können.

©2002 Sebastian Spengler

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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