Das alte Buch Mamsell
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Peggy Wehmeier zeigt in diesem Buch, dass Märchen für kleine und große Leute interessant sein können - und dass sich auch schwere Inhalte wie der Tod für Kinder verstehbar machen lassen.
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Juli 2002
Liebe
von Sven Göttlicher


Ich werde dich töten. Dich. Keinen anderen. Nur dich. Die anderen schnappe ich mir später. Vielleicht noch heute. Vielleicht erst morgen. Mal sehen. Jedenfalls bist du jetzt dran. Jetzt.
Schau mich nicht so an, als hättest du nicht gewusst, dass ich eines Tages kommen würde, um genau das zu tun. Immerhin weißt du, wer ich bin. Und du kennst mich schon sehr lange. Du hast bereits gewusst, dass es passieren würde, als wir uns das erste Mal sahen. Oder besser: Du hast es damals bereits geahnt. Kannst du dich daran erinnern?
Okay, ich war nicht immer bei dir. Schließlich bist du nicht der einzige, um den ich mich kümmern muss. Es gibt noch viele andere. Ich kam nur manchmal vorbei, um dich auf deinem Weg zu begleiten. Wir sind zusammen ein Stück gegangen. Und oft war dieses Stück ziemlich holprig. Mal ging es hoch. Mal ging es runter. Nur selten verlief der Weg auf einer Ebene. Dann habe ich dich wieder verlassen. Und du musstest allein weitergehen.
Ich war nicht immer bei dir. Und vielleicht hast du daher nicht mehr daran geglaubt, dass es passieren würde. Doch das war ein Fehler. Denn jetzt bin ich hier. Um dich zu töten.
Du hast mir vertraut. Aber gib dir nicht die Schuld. Es liegt in deiner Natur, mir zu vertrauen.
Seit Jahrtausenden suche ich die Menschen heim. Ich treffe sie meistens in der Nacht, wenn die Hektik des Tages sie verlassen hat und sie die Ruhe haben, mich zu hören. Sie öffnen mir lächelnd die Tür und lauschen allem, was ich zu erzählen habe.
Sie gehen los. Ich begleite sie. Sie überlassen mir die Entscheidung, wenn sich ihr Weg gabelt und sie nicht wissen, in welche Richtung sie gehen sollen. Und sie folgen mir.
Es ist ein einfaches Spiel. Und die Menschen fallen immer wieder darauf herein. Immer wieder.
Am Anfang ging der Mann zur Frau. Oder die Frau zum Mann. Ich fand, dass das körperlich sehr gut passte. Doch das wurde mir rasch zu langweilig. Ich wollte etwas Neues ausprobieren. Und mir fiel etwas ein, das ich für gewagt, aber witzig hielt.
Natürlich dachte ich über den menschlichen Körper nach. Zweifelte daran, dass er mich bei meiner Idee unterstützen würde. Aber er tat es. Ein Freund von mir konnte ihn dazu überreden: Das triebhafte Verlangen.
Und die Menschen spielen mit.
Bube mit Bube. Bube mit Dame. Dame mit Dame.
Es macht mir Spaß, die Menschen mit diesem Spiel zu necken. Vielleicht, weil sie es mir so einfach machen. Vielleicht, weil sie gerade dazu berufen sind.
Auch du warst ein leichtes Opfer. Du hast gemerkt, wie ich in deinen Magen schlich. Wie ich dort kribbelte. Wie ich Wärme verschenkte. Und Erregung. Du hast gemerkt, wie ich in dein Herz wanderte. Wie ich dort meinen Sohn gebar. Den Kummer. Doch du hast nichts dagegen getan.
Du hast mir vertraut. Bist den Weg gegangen, den ich dir zeigte. Aber ich habe dich in die Irre geführt. Jedesmal.
So wuchs der Kummer heran. Nährte sich mit der Wunde, die ich in deinem Herzen hinterließ. Die Wunde, die du gespürt, aber in deiner Hoffnung auf Besserung nicht ernstgenommen hast.
Jetzt bist du leer. Der Kummer hat dich ausgesaugt. Du weißt, dass du keine Chance mehr hast, das Spiel zu gewinnen. Du weißt, daß du deinen Einsatz verspielt hast. Dein Leben.
Du winselst um Gnade, aber ich bin nicht gnädig. Ich werde in dein Herz stechen. So tief, bis es zerbricht.
Ich werde dich töten.
Jetzt.


(c) Sven Göttlicher

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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