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August 2002
Biggis heimlicher Wunsch
von Karl-Heinz Ganser


Im Kur-Cafe` in Bad Tölz war nur noch ein Platz in der Ecknische frei.
Biggi schob schnell den Kinderwagen dorthin und setzte sich an den runden Holztisch.
Sie kam öfters hierher um ein Sahnestück mit einem Capuccino zu genießen.
Wenn sie Frust hatte, weil das Baby besonders quengelig gewesen war, oder ihr Mann wieder einmal keine Zeit fand, sich ihre alltäglichen Sorgen anzuhören, dann brauchte sie einfach zur Entspannung die angenehme Atmosphäre dieses Cafes.

Biggi achtete darauf, dass sie mit ihren vierundzwanzig Jahren immer ein bisschen schicker gekleidet war, als die meisten Frauen ihres Alters, die auch ein Baby hatten.
Schließlich war sie Mannequin in München gewesen, wenn auch nur in Kaufhäusern, wie sie sich ein wenig wehmütig eingestehen musste.
Und dann der Reinfall mit ihrem Traum vom Film. Nur ihre Größe von einsdreiund-siebzig und der tizianrote Schimmer im dunkelblonden Haar hatte einen Film-
menschen dazu bewogen, ihr einmal eine kleine Rolle zu geben.
Noch heute hasste sie alle Filmbonzen.

Enttäuscht von der Welt war sie nach Bad Tölz zurückgekommen und hatte
geheiratet.
„Ach ja, München“, seufzte sie so vor sich hin. Erst als sie ein Räuspern hörte, blick-te sie auf und vor ihr stand ein junger Mann, der sie anlächelte und fragte, ob er sich setzen dürfe.
„Bitte! Wenn es Sie nicht stört, dass ich jetzt mein Baby stille.“
Während das Kind an der Brust schmatzte, musterte sie den Mann ganz genau, der jetzt genießerisch die große Portion Eis verspeiste.
„Wir kennen uns irgendwo her!“ sagte sie nach einer Weile.
Der Mann blickte verwundert auf.
„Ich wüsste nicht ...“
„Jetzt fällt es mir wieder ein“, unterbrach sie ihn freudig erregt. „Wir waren doch zusammen auf dem Gymnasium in Freiburg. Erinnerst du dich?“
„Ich glaube du hast recht“, sagte der Mann und nickte nachdenklich.

Biggi legte den Kleinen an die andere Brust.
Eine ältere Frau am Nebentisch beugte sich zu ihr herüber und sagte empört: „Zu meiner Zeit hätte keine Frau ihr Kind so öffentlich gestillt, dass jeder die Brüste
sehen kann. Ziehen Sie doch die Bluse herunter!“
„Ach! Das stört Sie?“ Biggi grinste die Frau an. Dann hob sie den Kopf und schaute sich um. „Ich habe nicht den Eindruck, dass sonst hier jemand sich belästigt fühlt.“
Von irgendwo her rief jemand: „Das sind ja verkrustete Ansichten!“
Einige Gäste lachten laut, andere tuschelten miteinander.

„Donnerwetter! Du könntest ja direkt als moderne Frau in einem Filmstreifen auftre-ten!“ meinte der Mann schmunzelnd, nachdem Biggi ihr Baby wieder in den
Wagen gelegt hatte.
„Was hast du gerade gesagt?“ fragte Biggi erstaunt und irgendwo machte es bei ihr Klick.
„Übrigens, ich bin die Biggi, damals Erdmann, jetzt verheiratete Laufens. Habe Mann mit Nachwuchs, wie du siehst.“
Sie machte eine Pause. „Und du bist der ... darf ich es sagen? Du bist der brave
Helmut, der uns Mädchen immer so seltsam angesehen hat, aber nie mit einer angebändelt hat, nicht wahr?“
Jetzt mussten sie beide lachen.
Helmut erzählte ihr dann, dass er hier eine Jod-Kur mache und in drei Monaten in München einen Film produziere.
Bei dem Wort ›Film‹ merkte Biggi plötzlich wie sich jeder Muskel in ihrem Körper spannte und wie ihr Gesicht zu glühen begann.
„Helmut ... Helmut, hilf mir, dass ich zum Film komme!“ bedrängte sie ihn und rück-te mit ihrem Stuhl ganz nahe an ihn heran. Ihre dunklen Augen blitzten vor Aufre-gung.
„Davon habe ich doch immer geträumt. Du kannst mir die Chance meines Lebens geben. Ich spiele alles was du willst, auch ...“ Sie beugte sich ganz weit zu ihm her-über und flüsterte: „Wenn du mir einen Job besorgst, dann ...“ Biggi blickte ihn viel-sagend an: „ Dann ... dann darfst du dir ...“
„Was darf der Kerl?“ kreischte plötzlich eine erregte Stimme hinter ihr.
Biggi zuckte zusammen und – schaute in das wütende Gesicht ihres Mannes.

(c) Karl-Heinz Ganser

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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