Der himmelblaue Schmengeling
Der himmelblaue Schmengeling
Glück ist für jeden etwas anderes. Unter der Herausgeberschaft von Katharina Joanowitsch versuchen unsere Autoren 33 Annäherungen an diesen schwierigen Begriff.
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August 2002
Die Wette
von Ingeborg Restat


Sie waren jung, sie fühlten sich stark, der Adrian, der Daniel und der Mark. Von Kindheit an hielten sie zusammen, hatten so manchen Streich ausgeheckt, so manche Strafe miteinander durchgestanden. Jetzt hatten sie das Abitur hinter sich; das Leben lag noch vor ihnen und war für sie so viel verheißend. Sie wollten es herausfordern, ihre Kräfte messen, ihre Fähigkeiten ergründen, so erlernten sie das Klettern an steilen Felsen und Klippen während eines gemeinsamen Aufenthaltes im Harz.
Wieder ging ein herrlicher Ferientag für sie zu Ende, es war der letzte mit dem Bergsteiger, der ihnen das Klettern beigebracht hatte. Die Luft war wie Seide an diesem milden Sommerabend. Je dunkler es wurde, umso klarer traten die Sterne hervor. Sie saßen im Garten eines Restaurants an einem kleinen See zusammen mit drei Mädchen, die sie hier kennen gelernt hatten. Ein Boot glitt von ruhigen Ruderschlägen bewegt über das Wasser und schickte leise schwappende Wellen ans Ufer. Motten umschwirrten das Licht der Laternen, die zwischen den Gartentischen standen. Da wo ihr Schein aufhörte, begann die zunehmende Dunkelheit, die Finsternis des Waldes, der sich über die Berge ringsherum hinzog.
Die drei streckten ihre vom Muskelkater schmerzenden Beine unter den Tisch, auf dem Gläser mit Wein standen. Aber sie ließen sich nichts anmerken, sondern schwärmten den Mädchen vor, wie gut sie nun in den Felsen und an den Klippen klettern könnten. Dabei legte Adrian, der stets Besonnene, Gundel seinen Arm um die Schulter und Mark, der Kleinste, aber Pfiffige, versuchte es auch bei Hanna mit Erfolg. Nur Daniel, eigentlich der Draufgänger von ihnen, wagte es bei Olivia nicht. Er sah schon, wie Mark spöttisch grinste, wie erstaunt Adrian herübersah, aber der abschätzende Blick von Olivia, aus ihren schwarzen Augen, hielt ihn zurück. Er ärgerte sich darüber. Es reizte ihn sehr, sie zu gewinnen. Er grübelte, was er tun könne, um ihr zu imponieren.
Adrian erzählte gerade wortreich, wie geistesgegenwärtig er Mark am Felsen abgefangen habe, als dieser abzurutschen drohte.
Mark wehrte sofort ab: „Das kam dir nur so vor. Ich hatte schon längst wieder Halt gefunden.“
„Und ich war über euch und habe euch beide am Seil gehalten. Wer weiß, was sonst passiert wäre“, trumpfte Daniel auf. Er nutzte die Gelegenheit, sich in den Vordergrund zu spielen. Selbstgefällig lehnte er seine breiten Schultern zurück und sah Beifall heischend zu Olivia.
Aber sie blieb ungerührt.
Adrian zuckten für einen Moment gereizt mir den Augenbrauen. Ungehalten sah er Daniel an, als wollte er etwas erwidern. Aber dann fuhr er sich über seine braunen Stoppelhaare und, besonnen wie immer, sagte er: „Ja, so ist das in einer Seilschaft. Jeder muss auf jeden aufpassen.“
„Und das können wir, das haben wir gelernt“, stimmte Mark zu.
„Das möchte ich mal sehen“, sagte Gundel, strich sich ihr dunkles Haar aus dem Gesicht und sah Adrian fragend an.
„Ich auch!“ Hanna reckte unternehmungslustig ihre kecke Stupsnase in die Höhe.
„Wir können ja morgen gemeinsam etwas unternehmen“, überlegte Adrian.
„Lasst uns zusammen zum Kegelstein hochgehen! Wir wollten doch an der Felswand noch üben“, begeisterte sich gleich Mark dafür.
Olivia schwieg.
„Was heißt hier, üben? Damit ist jetzt Schluss. Wir können es. In den nächsten Ferien fahren wir in die Alpen. Dort am Watzmann werden wir unsere ersten richtigen Klettertouren machen.“ Draufgängerisch blitzten Daniels helle Augen. Anerkennung suchend sah er erneut zu Olivia.
Aber Olivia blickte an ihm vorbei.
Das gab es doch nicht! Er, der so leicht vor nichts zurückscheute, sollte es nicht schaffen, dieses Mädchen zu erobern?
„Ja! Und einmal werden wir das Matterhorn erklimmen“, machte sich auch Mark wichtig. Seine Augen leuchteten auf. Er machte doch immer mit, was die andern taten. Und das sogar mit einer Ausdauer, die man diesem kleinen, etwas pummeligen Typen gar nicht zugetraut hätte.
„Nun mal langsam. Der Watzmann - das Matterhorn! So weit sind wir noch lange nicht“, warf Adrian ein, löste seinen Arm von Gundel und hob beschwichtigend seine Hand.
„Ich denke, Adrian hat Recht, ihr solltet euch erst an kleinere Berge heranwagen“, meinte Gundel.
Aber Daniel rutschte unruhig auf seinem Sessel nach vorn. „Ach was! Warum so bescheiden? Das ist doch gar nichts! Ich würde mir sogar zutrauen, hier ohne Seil am Felsen des Kegelsteins hochzusteigen. Und da sollen wir uns noch nicht mal an den Watzmann wagen?“
„Angeber! Das traust du dich nie!“, rief Mark, ließ Hanna los, neigte sich vor und schlug mit der Hand auf den Tisch. Seine Augen, schon etwas trunken vom Wein, funkelten herausfordernd.
„Wirklich! Du übertreibst, Daniel“, stimmte auch Adrian zu.
„Um was wetten wir? Ich gehe morgen den Felsen am Kegelstein ohne Seil hoch.“ Daniel streckte schon die Hand vor, um die Wette zu besiegeln.
„Ihr seid verrückt!“, rief Gundel.
„So was habe ich noch nie gehört“, kicherte Hanna.
Olivia schwieg.
Daniel warf einen Blick zur Seite und sah ihre dunklen Augen nachdenklich auf sich gerichtet. Das spornte ihn noch mehr an. Er wollte es ihr beweisen. „Na, was ist, habt ihr Angst, einzuschlagen?“
„Daniel, das kannst du nicht!“ Adrian versuchte ihn zu bremsen.
„Warum nicht? Für andere ist das schon längst eine Sportart. Warum soll ich das nicht auch können?“
„Nun lass ihn doch! Der kommt sowieso nicht weit. Den holen wir dann mit dem Seil aus dem Felsen, wenn er hilflos da hängt und nach Mama schreit. Also um einen Kasten Bier und fünfzig Euro bin ich dabei. Das will ich sehen!“ Mark rieb sich die Hände.
„Und wenn er abstürzt?“, wandte Adrian noch ein.
„Wir nehmen doch die Mädchen mit, da setzen wir uns alle unter den Felsen. So fällt er weich“, grinste Mark.
„Ich stürze nicht ab! Wetten das? Also, was ist?“ Noch einmal sah Daniel zu Olivia. Warum sagte sie nichts?
„Na denn!“, lenkte Adrian ein. Und sie bestätigten Daniel mit Handschlag die Wette.
„Ihr seid wirklich verrückt!“, erklärte Gundel.
„Das gibt eine Gaudi!“, freute sich Hanna.
„Wir werden sehen!“, meinte Olivia.

Am nächsten Tag stiegen sie zusammen den Weg durch den Wald zum Kegelstein hinauf. Breit und kräftig ausschreitend lief Daniel voran, Adrian folgte ihm bedächtigen Schrittes und Mark beeilte sich wie immer, ihnen hinterherzukommen. Jeder trug einen Rucksack; nur Mark hatte dazu noch das Seil über der Schulter.
„Warum nehmt ihr das Seil mit? Daniel braucht es doch gar nicht!“, riefen die Mädchen. Sie folgten ihnen schwatzend. „Vielleicht überlegt er es sich noch ...“ – „Man kann nie wissen!“ – „Wieso? Hat er schon die Hosen voll?“ So zogen sie ihn auf.
Daniel ging ungerührt seinen Weg.
Ein paar Wolken zogen am Himmel dahin. Die Luft flirrte in der Sonne. Leichter Wind trieb Spinnfäden des Spätsommers vor sich her. Als der Weg sie aus dem Wald herausführte, lag vor ihnen der Hang voller blühender Erika da wie ein violetter Teppich, der sich bis zum Fuß der Felsen hinzog.
Sie hielten an und schauten hinüber zur hoch aufragenden Wand, die gewaltig und unüberwindlich zu sein schien mit ihren Ecken und hervorstehenden Kanten.
„Da willst du hinauf?“ Die Mädchen schauten skeptisch in die Höhe.
„Da muss er hinauf!“ Mark grinste breit, fast bis zu den Ohren und sah Daniel lauernd an.
„Du kannst es dir noch überlegen“, sagte Adrian ernst.
Doch Daniel sah zu Olivia, kurz zur Wand und schüttelte den Kopf.
Nur hier vor ihnen, an dieser Seite fiel der Gipfel des Kegelsteins steil und felsig ab, sonst bestand der Gipfel aus bewachsenen, von einzelnen Felsbrocken durchbrochenen Hängen. Neben der schräg abfallenden rechten Felskante führte über den angrenzenden Hang ein Pfad in Serpentinen bequem nach oben zum Gipfel. Neben der Felswand, nur am Fuß miteinander verbunden, ragte noch eine Klippe auf, ein frei stehender schlanker Turm, als hätte man hier Steinplatte auf Steinplatte gelegt.
„Geh doch die Klippe hoch! Da kannst du erst so richtig zeigen, was in dir steckt, weil von oben kein bequemer Pfad herabführt wie bei der Wand, sondern du wieder herabklettern musst. Reizt dich das nicht?“ Mark versuchte Daniel aufzustacheln und warf einen neugierigen Blick zu Olivia.
„Warum sollte ich?“ Daniel gab sich gelassen und schnürte schon seine Stiefel fester. Aber ihm zitterten ein wenig die Hände dabei.
„Nun reicht es, Mark! Einen Fels runterzusteigen ist schwerer als rauf“, griff Adrian ein. Er legte seine Hände an die Stirn, um die Sonne abzuwehren, und sah an der steile Wand hoch. „Wenn du dabei bleibst, dass du da ohne Seil hochsteigen willst, dann nur hier rechts, wo du bei geradem Aufstieg schon auf halber Höhe des Gipfels die schräg abfallende Kante der Wand erreichen kannst. Da beginnt der Hang und dann kannst du den Pfad zu uns herunterkommen. So und nicht anders! Das ist gefährlich genug, sonst mache ich nicht mit und kehre sofort um“, drohte er.
„Er hat gesagt, er geht die ganze Wand hoch“, versuchte Mark noch zu beharren.
„Jetzt treib das nicht auf die Spitze!“, mischte sich Hanna ein.
„Adrian hat Recht. Wenn er dieses Stück der Felswand schafft, dann reicht das. Dann sollte er die Wette gewonnen haben“, stimmte auch Gundel zu.
Daniel schwieg. Prüfend sah er die Felsen ab, die Adrian genannt hatte. “Es ist Wahnsinn!“, hörte er Olivia leise sagen. Er drehte sich nach ihr um. Vom Sonnenlicht umflutet stand sie da, reizvoll und begehrenswert. Dann sah er zum Gipfel hoch. „Einverstanden! Ich mache es, wie du gesagt hast, Adrian“, erklärte er, lief mit ein paar Sprüngen zum Grund der Wand und begann Halt suchend die ersten felsigen Kanten abzutasten.
„Nur eine halbe Felswand! Dir geht wohl jetzt doch die Muffe? Dann ist die Wette aber auch nur noch fünfundzwanzig Euro wert“, rief Mark ihm feixend nach.
„Red’ keinen Blödsinn!“, wies Adrian ihn zurecht.
„Ich kann gar nicht hinsehen“, sagte Gundel.
„Er hat es so gewollt“, antwortete Olivia, wandte sich ab und ging schon zum Waldesrand, wo sie sich hinsetzten.

Während Daniel versuchte, ohne Sicherung durch ein Seil an der Felswand hochzusteigen, packten sie aus, was sie an Essbarem im Rucksack mitgebracht hatten. Sie aßen und tranken, blickten aber immer wieder zu Daniel und verfolgten jede seiner Bewegungen.
Bald hatte er sich vom festen Boden entfernt. Vorsichtig, Stück für Stück, Stein um Stein, kam er tatsächlich voran.
„Noch ist es nicht schwer, aber da oben, wo der Fels überhängt, da wird es gefährlich“, meinte Adrian.
„Ja, da wird er baumeln. Soll ich das Seil schon klarmachen, damit wir ihm gleich hinterher können, um ihn runterzuholen?“, fragte Mark.
Aber auch diese Stelle bewältigte Daniel und kam nicht in Schwierigkeiten.
„Wirklich ein Teufelskerl!“, entfuhr es Adrian.
Mark sagte nichts mehr, biss sich auf die Lippen.
Ein alter Pilzsammler kam vorbei, blieb stehen, schaute hoch zu Daniel. „So ein Leichtsinn! Verrückte junge Leute!“, murmelte er und lief kopfschüttelnd weiter in den Wald hinein.
Die Mädchen hatten längst aufgehört zu essen und zu trinken. Atemlos schauten sie zu, wie Daniel vorsichtig tastend, jeden Halt erst sichernd, wie eine Schnecke an einer Wand, den Felsen immer höher kletterte.
„Der schafft es, der schafft es wirklich!“, rief Hanna aufgeregt.
„Beschrei es nicht! Noch hat er es nicht geschafft.“ Auch Mark konnte sich der Spannung nicht mehr entziehen, die jetzt zunahm, je mehr sich Daniel dem Felsenrand zu Hang und Pfad näherte.
„Was macht der denn jetzt?“ – „Der braucht sich doch nur noch rechts zu halten, dann hat er es gleich geschafft.“ – „Der sieht das nicht!“ – „Wieso kann der das nicht sehen?“ – „Der wird nervös!“ – „So ein Idiot!“ – „Wie will der denn an diesem glatten Stück Felsen Halt finden?“ – „Das geht nicht gut! Das kann nicht gut gehen!“ Adrian und Mark waren aufgestanden, starrten nur noch gebannt zu Daniel.
Auch die Mädchen packte Angst und Spannung. „Ich guck nicht mehr hin!“, rief Hanna und wandte sich ab; „Das halt ich nicht aus!“, stöhnte Gundel und konnte doch den Blick nicht von Daniel lassen; nur Olivia sagte nichts, sprang aber auf und presste die Hände in angstvoller Geste vor die Brust.
Da - Daniel griff in die Luft, hielt sich nur noch mit einer Hand am Felsen fest – ein Bein rutschte ihm ab. “Gleich, gleich stürzt er!“ Mark drückte entsetzt beide Hände an den Kopf. Die Mädchen schrien voller Panik auf. - Aber Daniel konnte sich mit seiner anderen Hand wieder an den Felsen klammern. Aufatmen! – Doch noch suchte er Halt für sein abgerutschtes Bein, – eine heftige Bewegung, und schon hing auch das zweite Bein in der Luft. Nur noch mit den Händen, an den Felsen gekrallt, hielt er sich fest. „So macht doch was!“, schrie Olivia außer sich. Aber keiner Reaktion mehr fähig, starrten alle nur nach oben.
Daniel schwang ein paar Mal leicht hin und her, dann hatten seine Füße wieder Halt gefunden.
„Gott sei Dank!“ Alle atmeten auf.
Das letzte Stück schaffte er leicht. Dann noch einen Sprung und schon stand er über dem Felsen auf dem sicheren, bewachsenen Hang. „Holladrio“, jodelte er und schrie glücklich: „Ich hab’ es geschafft!“ Er winkte ihnen von oben triumphierend zu. „Schafft – schafft!“, schallte es als Echo von den Bergen wider. Dann verschwand er aus ihrem Blick, um auf dem Hang zum Pfad zu gelangen.
Die Mädchen umarmten sich kreischend vor Erleichterung. Adrian und Mark warfen ihre Mützen in die Luft „So ein Tausendsassa!“ - „Dieser Kerl ist immer für verrückte Ideen gut!“
„Habt ihr eigentlich wirklich daran geglaubt, dass er diesen Leichtsinn wahr machen wird?“, fragte Olivia.
„Nein, eigentlich nicht“, gab Adrian zu.
„Der hat schon viele verrückte Dinge getan – aber das hier! Ich habe geglaubt, er blufft nur. Weiß der Kuckuck, warum er das durchziehen musste“, erklärte Mark und sah Olivia dabei bedeutungsvoll an.
Olivia tat, als sähe sie es nicht und wandte sich ab. „Da kommt er ja!“, rief sie.
Mit großen Schritten, mehr springend als laufend, kam Daniel den Pfad herunter. Er winkte ihnen zu. Da - ein Schritt, ein falscher Schritt, er stolperte, wollte sich noch halten, taumelte, stürzte und rutschte unaufhaltsam den Hang hinunter auf die Kante der Felswand zu, die an dieser Stelle noch immer zu hoch war, um herabzuspringen. Wie gelähmt schauten die andern hin. Er versuchte sich noch festzuhalten, aber nichts hielt ihn, schneller und schneller rutschte er den Hang abwärts, erreichte den Rand - die Mädchen schrien auf - er versuchte noch einmal, sich festzuhalten, aber seine Hand griff ins Leere, erbarmungslos stürzte er das letzte Stück ab und schlug auf Geröll und Erika am Fuße des Felsens auf, kleine Steine rollten hinterher und sprangen über ihn hinweg.
Einen Moment verharrten alle entsetzt, erwarteten, dass er aufstehe. Aber er stand nicht auf.
„So ein Wahnsinniger!“, rief Olivia. Allen voran lief sie zu ihm hin. Ratlos umstanden sie ihn.
Er konnte nicht mehr aufstehen. „Verdammt, tut das weh!“ klagte er.
„Bleib liegen, bis Hilfe kommt. Wahrscheinlich hast du dir was gebrochen“, meinte Adrian, holte sein Handy aus der Tasche und rief den Rettungsdienst an. „Der Rettungshubschrauber wird bald kommen. Lasst uns schon unsere Sachen zusammenpacken“, forderte er dann die andern auf.
Nur Olivia blieb noch bei Daniel.
„Ich hab’ es geschafft“, sagte er mit schmerzverzerrtem Gesicht zu ihr. Aus einer Wunde an seiner Stirn sickerte Blut. Die Hände waren ihm wund und aufgerissen vom Felsen.
„War das nötig?“, fragte Olivia.
„Vielleicht!“ Daniel versuchte bei all seinen Schmerzen zu lächeln. Bittend war sein Blick.
„Ich mag niemanden, der aus Leichtsinn sein Leben riskiert“, erklärte sie. Doch wie sie ihm schon vorsichtig ihre Strickjacke unter den Kopf schob und das Blut von der Stirn tupfte, konnte es ihr wohl nicht so ernst damit sein.
„Ohne Ausnahme?“, wollte Daniel wissen.
„Ach, Dummkopf!“
„Aber vom Felsen bin ich nicht abgestürzt.“
„Nein, vom Weg!“ Olivia musste ungewollt lachen.
Daniel verzog sein Gesicht zu einem spitzbübischen Lächeln, aber es wirkte nur vom Schmerz verzerrt.
„Kommst du mich im Krankenhaus besuchen?“
„Vielleicht!“
Bald war dass Dröhnen der Rotoren des Hubschraubers zu hören, wurde lauter und lauter. Ungestümen Wind erzeugend, der an Pflanzen und Sachen riss, landete er sanft auf dem Hang neben dem Felsen.
Eilig kamen Notarzt und Helfer herbei.„Da wird wohl einiges gebrochen sein“, meinte der Arzt, dann legten sie Daniel vorsichtig auf eine Trage.
Ehe sie ihn in den Hubschrauber hoben, winkte er den Freunden noch einmal zu, als hätte er keine Schmerzen. „Aber die Wand habe ich geschafft! Denkt an den Kasten Bier und die fünfzig Euro!“ rief er. Dann schloss sich die Tür hinter ihm. Die Rotoren begannen sich zu drehen, die Motoren heulten auf, der erzeugte Sturmwind ließ sie ihre Sachen festhalten, er hob vom Boden ab, stieg auf und entschwand über den Wipfeln des Waldes.
Sie standen noch einen Moment und sahen ihm nach. Adrian nahm sich seine Mütze vom Kopf, fuhr sich durch die Stoppelhaare und sagte nachdenklich: „Die Wette hat er gewonnen – aber wie!“
„Dieser Teufelskerl, klettern kann er, aber nicht einmal einen einfachen Pfad runtergehen“, stellte Mark schon vorsichtig grinsend fest.
Eine dunkle Wolkenwand zog vom Westen her auf, die Sonne verschwand. “Wir müssen machen, dass wir runterkommen. Das Wetter schlägt um“, drängte Adrian. Sie nahmen ihre Sachen und machten sich auf den Weg hinunter ins Tal. Ehe sie in den Wald eintauchten, drehte sich Adrian noch einmal um, sah zurück zu der nun ohne Sonnenlicht finster und bedrohlich wirkenden Felswand und Klippe. „Und da ist Daniel wirklich ohne Seil hochgeklettert? Unglaublich!“


© Ingeborg Restat

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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