Madrigal für einen Mörder
Madrigal für einen Mörder
Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
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August 2002
Gegen den Strom
von Angelika Walk


Sie schaute der Gruppe von 14 bis 15 jährigen Jungen und Mädchen hinterher.
Sie waren eine Clique, zu der sie gerne dazu gehören würde.
Sie gingen am Wochenende in die Discos. Annette wusste nicht, wie sie es jedesmal schafften, aber sie kamen, obwohl sie noch keine 16 waren, in diese hinein.
Sie tranken Bier und rauchten wie die Alten. Sie fuhren heimlich mit den Autos der Eltern und sind dabei noch nicht einmal erwischt worden. Und sie hielten zusammen, wie Pech und Schwefel.

Sehnsucht lag in Annettes Augen, als sie sich abwandte und nach Hause ging um ihre Hausaufgaben zu erledigen und noch ein wenig für die Englischarbeit zu lernen, die sie am nächsten Tag schreiben würde.

Sie versuchte sich auf die Englischvokabeln zu konzentrieren, strich ihr langes Haar über die rechte Gesichtshälfte bis über die Schulter nach hinten. Aber immer wieder tauchte da das Gesicht des älteren Mikes vor ihren Augen auf. Mike, der Anführer dieser Clique. Er war 16 und ihr Schwarm in letzter Zeit. Wenn er nicht wäre, dann wäre ihr wohl auch die Truppe von 14 jährigen Kindern,
wie sie sie heimlich nannte, egal. Das sie selbst auch erst 14 war, spielte da keine Rolle.
Das Telefon klingelte und holte sie aus ihren Träumereien heraus.
"Annette!" rief die Mutter aus der Küche, "es ist für dich!"
Annette sprang auf , langte nach dem Hörer und lauschte der Stimme ihrer Freundin Jasmin.
"Stell dir vor, sie haben gesagt, wenn wir in ihre Gruppe aufgenommen werden wollen, dann sollen wir am Samstag um 9 Uhr am Rahmer Baggerloch sein! Wir würden schon sehen, wie wir die Aufnahmeprüfung machen sollen!"

"Am Baggerloch? Komm Jasmin, das ist faul und ich hab kein gutes Gefühl dabei. Sooo interessant sind die auch nicht!" Annette hatte sich schnell wieder verabschiedet. Sie hatte ein sehr ungutes Gefühl bei der Sache. Und sie war wütend auf Jasmin.
Das Plappermaul hatte doch tatsächlich gefragt, ob sie in die Gruppe aufgenommen
werden könnten.

Trotzdem ging sie zum verabredeten Termin zu der Stelle am Baggerloch. Ein tiefes Gefühl der Abneigung gegen diesen Ort machte sich in ihr breit. Sie liebte das Schwimmen, aber dieser Ort war für die absolutes Tabu ohne Aufsicht von den Eltern. Und bisher hatte sie sich strickt daran gehalten. Nach und nach trudelten die Jungen und Mädchen ein. Mike, schwarzes lockiges
schulterlanges Haar, die Fußballerbeine steckten in einer abgeschnittenen Jeans, lachte sie
aus seinen dunkelbraunen Augen an.
"Siehst du da vorn den Kran? Da springt ihr beide ins Baggerloch und dann seit ihr
in unserer Clique willkommen!"
Annette blieb die Spucke weg. Ihre Augen wanderten zu dem Förderkran, der den Kies des Baggeloches an den Wochentagen auf ein breites Band beförderte. Ein Monstrum aus Eisenstangen und schrägen Stahlverbindungen. Er war höchstens 6 Meter hoch, aber es schien ihr wie 20 Meter. Wie würde es wohl sein, wenn sie erst oben stehen würde!

"Na, watt is. Schiß in'e Backen?" grinste Mike sie provokativ an.
Jasmin war bereits aus ihren Kleidern geschlüpft und rannte Richtung Turm.


"Jasmin, Jaaaasmiiiin! Nein, nein, Jasmin, tue das nicht!" schrie Annette plötzlich auf und rannte hinter ihrer Freundin her. Doch sie konnte diesen Sprung nicht verhindern. Gespannt starrte sie auf die Wasserfläche, wo Jasmins Kopf auftauchen müsste. Ihr Herz raste, der Puls an ihrer
Halsschlagader machte ihr, die Angst und Panik bewusst, die sie in diesem Augenblick durchlitt.
Ihre Augen suchten hin und her. War die Zeit, die Jasmin unter Wasser bleiben konnte
nicht schon vorbei? Angstvoll starrte sie in die Runde. Sie erkannte, das sie mit ihrer Panik
auch das Gewissen der anderen erreicht hatte.
Es war totenstill. Selbst die Vögel schienen in ihren Liedern erstarrt zu sein.

Plötzlich ein Geräusch!
Sie tauchte auf und lachte! Schüttelte den Kopf mit dem schulterlangen blonden Haar und
wischte sich mit der Hand über die Augen, während sie auf das Ufer zuschwamm.
"Man, das war ja ein Kinderspiel! Komm mach schon Annette!"

Annette stierte ihre Freundin an. War erleichtert und wütend zu gleich.. Sie warf Jasmin ein Handtuch zu und schimpfte auf sie ein.
"Bist du den total bekloppt. Weißt du, das .., das...", sie suchte nach den passenden Worten, "das hätte schwer ins Auge gehen können.
"Ach die Zicke, die hat doch bloß Angst. Komm lass uns gehen!" hörte sie verschiedene
Stimmen murmeln.
Wütend starrte Annette in die Runde. Sie versuchte ihre Angst, ihre Panik zu ignorieren. Bewußt langsam zog sie ihre Jeans aus. Wurstelte das T-Shirt über den Kopf. Sie stierte einen nach dem anderen in die Augen. Alles verstummten und sahen ihr nach, wie sie langsam Richtung Kran schritt.
«Annette! Komm lass es sein. Erst scheißt du mich zusammen wie blödsinnig ich war und nun das!
Fordere das Schicksal nicht heraus. Bitte nicht!» versuchte Jasmin sie am Arm fest zuhalten. Unwirsch schob Annette die Hand von ihrem Arm. Sie sah Jasmin nicht an. Ging einfach weiter. Stumm starrte sie den Kran an, den sie dann langsam begann hoch zu klettern. Jasmin weinte. Plötzlich schrie sie die Clique an.
«Tut doch was! Sie hatte doch recht. Was ist wenn was passiert?»
Keiner reagierte. Alle starrten auf Annette, die inzwischen oben angekommen war.
Regungslos stand sie an der höchsten Stelle und starrte auf das Wasser des Rahmer Baggerloches.
Ihre Knie zitterten, ihr Herz raste und die Gedanken wirbelten nur so durch ihren Kopf.
«Nein, nein. Ich werde es nicht tun. Sie sollen mir doch alle den Buckel runterrutschen. Wie hat Paps die Tage noch zu ihrem Bruder gesagt, der mal wieder Mist gebaut hatte, weil seine Kumpel es von ihm erwartet hatten? «Springst du auch aus dem Hochhausfenster, wenn deine Kumpel das verlangen?» Nein, ich werde mich nicht dazu verleiten lassen, etwas zu tun, wovor ich wirklich Angst habe. Da schwimm ich doch lieber gegen den Strom!» Langsam kletterte sie rückwärts den Kran wieder hinab. Und bei jedem Schritt rückwärts fühlte sie sich auf einmal mutiger als alle die da unten standen und sie nach wie vor beobachteten.

Wieder hörte sie einige murmeln und hetzen.

"So, ist ja schön das ich eine Zicke und ein Angsthase bin, aber wer von euch ist denn schon mal da runter gesprungen, um in euere Clique aufgenommen zu werden? Wer, hee?"schrie sie all ihre Wut und Angst hinaus.
Alle umher Stehenden schauten beschämt in deine andere Richtung.
"Hab ich es doch gleich gedacht, ihr Vollidioten! Aber son paar blöde Weiber kann man
ja ihr Leben aufs Spiel setzen lassen. Wer von euch würde sich denn wirklich trauen, was
Jasmin grad ohne Ãœberlegung getan hat?"
Wer von euch hat denn schon da oben gestanden und das Gefühl genossen, wenn man da oben steht und nicht weiß was er jetzt machen soll? Man will ja dazugehören und nicht ausgelacht werden. Aber was wenn ihr nicht mehr lacht, und der andere nie mehr lachen kann? So wie Dieter letztes Jahr. Kennt ihr Dieter? Nein? Dieter hat letztes Jahr hier für eine Mutprobe sein Leben gelassen und lag fünf Monate im Koma. Und dann ist er doch noch gestorben. Ne Leute, mein Lachen ist mir wichtiger als zu eueren Meute dazu zugehören.» Jasmin begann laut zu lachen. «Hätt ich mir auch nicht träumen lassen, das ich mal so sau vernünftig sein könnte!» murmelte sie vor sich her, als sie Jasmins Sachen und ihre vom Boden aufhob und sich neben Jasmin stellte.
Betroffenes Schweigen umgab sie.

"Komm Jasmin, zieh dich wieder an. Wir hauen ab. Sei froh das nichts passiert ist, und kein Wort darüber bei den Eltern, die reißen uns sonst den Kopf ab. Lass die doch mit ihrem Bier, dem Rauchen und was weiß ich nicht noch für'n Schwachsinn. Brauchen wir die?". Annette redete auf Jasmin ein, während die beiden sich von der Gruppe lösten und heimwärts gingen. Auch die Truppe löste sich langsam auf. Nur einer blieb stehen und konnte nicht fassen, solch eine Abfuhr erteilt bekommen zu haben.

Mike erschien am darauffolgenden Montag nicht in der Schule.

Alle wunderten sich. Denn am Samstag war er ja noch putzmunter und hatte noch über Annett hergezogen.
Am darauffolgenden Montag erschien Mike mit einem Gipsarm und gesellte sich zu der Gruppe um Annett.
«Kann ich mal mit dir reden?» flüsterte er ihr zu, während er ihre Hand nahm und sie von der Gruppe wegzog.

«Ich bin beim Versuch auf den Kran zu klettern abgestürzt! Ich wollte eigentlich noch rauf und selber runterspringen. Aber als ich dann auf halber Höhe war, da hab ich gemerkt, wieviel Mut dazu gehört, bis nach oben zu kommen und auch runter zu springen.
Ich war unachtsam und rutschte weg. Dabei hab ich mir das Kugelgelenk im rechten Unterarm gebrochen.
Naja», er suchte nach Worten während er nach rechts und links schaute, «ich wollte mich noch mal entschuldigen für mein Verhalten am Wochenende! Na und ich mag dich doch eigentlich ganz gut leiden und wollte dich zu nem Eis einladen!»
Abwartend stand er vor Annett.
Annett sah ihn entgeistert an. Sie hatte schon nicht mehr an das verkorkste Wochenende gedacht und nun stand ihr heimlicher Schwarm vor ihr und lud sie zum Eis ein.
Ihr Herz schlug vor Freude Purzelbäume als sie ihm mit einem strahlenden Lächeln erwiderte: »O.K! Heute Nachmittag?»




(c) Angelika Walk

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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