Burgturm im Nebel
Burgturm im Nebel
"Was mögen sich im Laufe der Jahrhunderte hier schon für Geschichten abgespielt haben?" Nun, wir beantworten Ihnen diese Frage. In diesem Buch.
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August 2002
Kuriert
von Sabine Harnau


Hartmut is heut aus der Kur kommen. Aufem Tisch steht noch der halbe Quetschekuchen, der jetzt schon Wasser zieht. Die Tür zum Balkon steht offen; ausem Garten kommt es schrille Gelächter vom Klärchen. Ich muss erst mal nen Kaffee trinken und den Tag Revue passieren lassen, so was hab ich ja noch nie...

In den zwo Wochen, wo Hartmut in Bad Münster am Stein seine Lungen kuriert hat, hab ich jeden Tag stundenlang auf der Leiter standen und seine dollen Quetschen geernt. Fünf Eimer voll. Hab Lattwersch kocht, Kuchen gebacken, eingefroren, Rezepte probiert. Angeblich sind Quetschen gut fürs Nervenkostüm – bei mir wirkts net!
In den letzten vierzehn Tagen hab ich extra zwo Kilos abspeckt für ihn. Er hats net gemerkt. Ich hab es Bad geputzt, es Bett frisch bezogen, das Louise hat mir die Haare gemacht – und wofür?

Der Zug vom Hartmut war pünktlich. Ich hab am Gleis zwo standen und mein schönstes Kleid anhabt, es rote mit den blauen Blumen drauf. Wie er ausgestiegen ist, hab ich meinen Rock festhalten und bin auf ihn zu. Und ihm um den Hals gefallen. Noch net mal nen Begrüßungskuss hat er mir geben! Nach vierzig Jahren Ehe!
Statt dessen hatt er so’n Flittchen bei. „Hallo Luzie“, hat er g’sagt, „das is es Klärchen, das is verwitwet und will sich noch en paar Tage bei uns erholen.“
Die Tussi is bestimmt fünf Jahr jünger und dreißig Kilos leichter wie ich. Der ihr Rock geht noch net mal übers Knie, und aus der Stadt kommts auch noch. Die weiß net, was Lattwersch is! Und von de Elwedritsche bei uns im Wald hats auch noch nie was gehört! Jedenfalls, so wie die sich beim Hartmut eingehängt hat, die trauert bestimmt schon lang net mehr. Und ich musst ihr noch’s Gepäck tragen! Und’s Taxi zahlen!

Und jetzt stehts da unten mit meim Hartmut bei de Quetschebäum und giggelt, dass die ganze Nachbarschaft ans Fenster rennt. Das wird noch schönes Getratsche geben!

„Luzie, geh’mer heut Abend zum Ludwig ins Gasthaus?“ Meinetwegen. Wenn’s deim Klärchen dort fein genug is. Aber ich bezahl net.
„Natürlich, Hartmut. Das Klärchen soll doch mal die gute Hausmannskost hier kennen lernen. Und mittwochs hat der Ludwig doch immer Schlachtfest.“
Ich räum den Kaffeetisch ab und fang an zu spülen. Wo die wohl schlafen will, heut Nacht? Das Gästebett hat sich das Louise ausgeliehen. Das Sofa wird für es net gut genug sein. Mal die Nachbarn fragen, ob die noch eine Liege übrig ham.

„Luzie, das Klärchen is Vegetarierin! Kochste uns was Feines? Hm?“ Mensch, Hartmut, komm doch rein, wennde mit mir sprichst. Muss denn die ganze Gass’ erfahren, was mir heut Abend essen?
„Ich guck mal, was ich noch an Gemüse in der Truhe hab!“ Bloß Kohlrabi und Rotkraut. Ach, und Grumbeere sind noch im Keller. Käs is auch noch da. Na gut, gibts halt Grumbeer- Kohlrabi- Auflauf. Und wehe, es meckert.
Hört das Weib endlich mal auf zu giggeln? Mistbiene! Oh, de Hartmut kommt rein. Ich drück em’s Geschirrtuch in die Hand. Wenigstens helfen kann er mir ja.
„Hartmut, haste schon mal überlegt, wo das Klärchen schlafen soll? Das Louise hat noch unser Gästebett.“
„Och, ich hab gedacht, das könnt’ ja in der Mitte schlafen. Zwischen uns. Dann haste auch weniger Arbeit.“
En Moment lang kann ich an gar nix denken. Nur den Hartmut anstarrn, und dieses Weibsbild, wies da schon wieder neben ihm steht, untergehakt. Mit meim Hartmut, meim Mann, mit dem ich zwanzig Jahr’ lang eine Wirtschaft betrieben und fünf Kinder groß gezogen hab, soll die in eim Bett schlafen? Hab ich des richtig gehört?

Der Hartmut is jetzt weg. Ob er noch mal wiederkommt, weiß ich net. Die Louise is jetzt wenigstens da, hat ’en Ringel Fleischwurst mitgebracht und Taschentücher. Mir vespern. Wenn ich traurig bin, is mein Magen ein Riesenloch.

„Louise, gibste mir bald mein Gästebett wieder? Weil, das is ja an allem schuld. Wär’ das da gewesen, wär’ der Hartmut bestimmt net auf so ne Idee kommen. Und wenn er ausem Krankenhaus kommt, will er bestimmt erst mal en eigenes Bett, bis er sich wieder beruhigt hat, jetzt wo ich ihm das mit em Klärchen versaut hab.“
„Luzie. Du brauchst kein Gästebett. Der wird dir dankbar sein. Mit dm Schlag haste den in zwo Sekunden besser kuriert wie Bad Münster am Stein in vierzehn Tagen. Nur, warum du unbedingt meine Pfanne hast nehmen müssen, die hat jetzt kein Griff mehr. Aber so isses, wenn man was verleiht, gell, Luzie?“
Und das ersten Mal lach ich wieder und ess ne Quetsche. Fürs Nervenkostüm.



©Sabine Harnau

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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