Der Tod aus der Teekiste
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August 2002
Die Kontaktanzeige
von Sven Göttlicher


Der Tag war ein Desaster. Alles lief schief, und es sah nicht so aus, als ob sich daran noch was ändern sollte.
Verdammter Mist! dachte Frank, als er zum dritten Mal an diesem Tag die Tür zur Besenkammer öffnete, Eimer und Putzlappen zur Hand nahm und in die Küche stolperte, um dort das Chaos auf dem Boden wegzuwischen: ein zersprungenes Glas und eine Pfütze Milch. Mit einem lauten Seufzer ging er in die Knie und putzte rasch und ordentlich. Als er fertig war, richtete er sich auf, besah sich den nunmehr sauberen Küchenboden und überlegte: Vielleicht wäre es besser, Eimer und Lappen gleich in der Küche zu lassen.
Die Standuhr im Wohnzimmer schlug sechs.
Frank ließ sich am Küchentisch nieder. Die Ellbogen auf die Glasscheibe und das Kinn in die Handflächen gestützt, begann er zu träumen.
Vor zwei Tagen hatte er die Zeitung durchgeblättert und eine Anzeige gefunden, eine Anzeige zur Kontaktsuche für Frauen und Männer. Frank war schon lange mit keiner Frau mehr zusammen gewesen. Er fühlte sich einsam, daher schnitt er die Anzeige aus der Zeitung aus, nahm all seinen Mut zusammen und wählte die Telefonnummer, die darunter abgedruckt war.
Tanja war hocherfreut, jemanden zu hören, der auf ihre Anzeige reagiert hatte. Sie begann das Gespräch offen und freundlich, nahm Frank jegliche Nervosität, und das war gut so.
„Können wir uns mal sehen?“ fragte er.
„Klar“, antwortete sie.
„Und wann?“
„Übermorgen um acht im 'Columbus'.“
Draußen wurde es bereits dunkel.
Frank stand vom Küchentisch auf und schlurfte ins Schlafzimmer, wobei er fast über den Läufer gestolpert wäre. Er öffnete den Kleiderschrank und grübelte darüber nach, was er wohl anziehen konnte. Schließlich nahm er ein weißes Hemd und schwarze Jeans heraus, legte die Sachen ordentlich über das Bett und ging ins Badezimmer, um zu duschen.
Nachdem ihm zum wiederholten Male die Seife aus der Hand geflutscht und er in der Badewanne hin und her geglitten war, stellte er das Wasser ab und frottierte sich, und plötzlich kamen ihm die ersten Zweifel. Was ist eigentlich, wenn Tanja dich nicht so mag, wie du bist? Ich meine, ihr habt euch ja noch nie gesehen, nicht wahr? Vielleicht steht sie gar nicht auf dunkelblonde, braunäugige Männer! Vielleicht bekommt sie einen Lachanfall, wenn sie deine Stupsnase sieht! Vielleicht rennt sie beim Anblick deiner zerzausten Haare schreiend davon! Ist dir schon mal durch den Kopf gegangen, was passiert, wenn sie anders reagiert, als du dir das vorstellst? Hast du dir darüber schon mal Gedanken gemacht?
Frank dachte nicht weiter darüber nach, sondern kehrte ins Schlafzimmer zurück, wo er erst Jeans, dann Hemd anzog.
Die Uhr im Wohnzimmer schlug sieben.
Frank lauschte dem Glockengeläut, stellte fest, dass es Zeit war, sich zu beeilen, und stürzte wieder ins Bad. Er stellte sich vor den Spiegel, der über dem Waschbecken hing, und betrachtete sich. Mit einem Kamm, der die Größe von einem Tischtennissschläger hatte, durchkämmte er sein widerspenstiges Haar.
Eine Viertelstunde später trat er endlich auf die Straße. Um sich vor dem Dauerregen zu schützen, hatte er seinen beigen Trenchcoat übergezogen. An den Füßen trug er schwarze Lackschuhe.
Er suchte nach dem Autoschlüssel, fand ihn in der Hosentasche und ging dann um das Haus herum zur Garage. Er öffnete das Garagentor, stieg in den dahinter geparkten blauen Golf, ließ den Motor an und setzte auf den Bürgersteig zurück. Er fädelte sich in den Verkehr ein und fuhr davon.
Frank war nervös. In seiner Magengrube erwachte ein Kribbeln, das zunehmend stärker wurde. Sein Herz raste. Seine Finger zitterten leicht. Oh, mein Gott, dachte er. Dreh jetzt bitte nicht durch! Wahrscheinlich ist sowieso alles umsonst! Bei den anderen Frauen hat es auch nicht geklappt, warum sollte es ausgerechnet bei ihr funktionieren?
Es war kurz vor acht, als Frank den Golf vor dem 'Columbus' verließ und auf seine Armbanduhr sah. Noch zwei Minuten! Wenn du zu spät kommst, macht das gleich einen schlechten Eindruck!
Schnellen Schrittes erreichte er die Eingangstür. Sein Haar war vom Wind stark verstrubbelt, feucht seine Stirn vom Nieselregen.
Ein Kellner kam herbeigeeilt, nahm Frank den durchnässten Trenchcoat ab, fragte ihn nach seinem Namen und zeigte auf einen Tisch in einer dunklen, aber gemütlichen Nische im hinteren Teil des Lokals, an dem eine einzelne Person saß und rauchte.
Frank bedankte sich bei dem Kellner und ging langsam auf den ihm zugewiesenen Tisch zu. Ich sterbe vor Nervosität. Meine Beine sind ganz weich, und meine Hände flattern wie die Flügel eines jungen Vogels. Ich werde wahrscheinlich nur blödes Zeug reden, weil ich viel zu nervös bin. Verdammt, sie mag mich bestimmt nicht! Ganz sicher! Auf jeden Fall! Zweifellos!
„Hallo“, sagte Tanja freundlich, als er den Tisch erreichte. Sie musterte ihn von oben bis unten und fuhr dann fort: „Ich habe gewusst, dass Sie genau mein Typ sind.“

(c) Sven Göttlicher

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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