Honigfalter
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September 2002
Versuchter Glaube
von Sabine Imhof


Sechs grosse Scheine hat er mir angeboten. Ich sagte ihm, es gibt spezielle Orte und spezielle Frauen, die fĂŒr sowas da sind, und dass ich nicht eine von denen sei. Aber dass ich ihm trotzdem viel GlĂŒck wĂŒnsche auf seiner Suche. Aber das meinte er nicht. Er hielt mich am JackenĂ€rmel fest, als ich schon mehr oder weniger gegangen war und sagte, das meine ich nicht. Er wolle doch gar nichts so von mir, also so sexuell. Kann ja jeder sagen, dachte ich und habe ihm das auch gesagt. Kann ja jeder sagen, sagte ich. Sah ja ganz nett aus, der Kerl. Frauen braucht der bestimmt nicht zu kaufen. Vielleicht wĂ€re ich sogar auf einen Kaffee mit ihm gegangen, hĂ€tte ich ihn einfach so getroffen, ich meine, unter anderen UmstĂ€nden. Aber so. Das sah er dann doch ein. Dass das jeder sagen kann. Aber man sollte doch nicht so skeptisch sein und immer gleich das Schlimmste erwarten, meinte er. Wo bleibe denn da das Vertrauen? Da musste ich doch lachen, so richtig schallend. Vertrauen! LĂ€cherlich war das, ja geradezu grotesk! Habe ich ihm dann auch gesagt und er hat auch das eingesehen, trotzdem hat er mich nicht gehen lassen oder vielleicht wollte ich nicht wirklich gehen. Wenn du nicht ficken willst, was willst du dann, fragte ich. Duzen fand ich in dem Moment angebracht, schliesslich kann man niemanden siezen, mit dem man ĂŒbers Ficken redet. Da ist er errötet. Errötet, das soll man sich vorstellen! Wahrscheinlich meine grobe Sprache, sagt ja schon meine Mutter immer, dass sich das also nicht schickt fĂŒr ein MĂ€dchen, so zu reden wie ich es tu‘. Aber manchmal ist das die einzige Sprache, die MĂ€nner verstehen. Habe ich ihr auch immer zu erklĂ€ren versucht, fand sie trotzdem nicht gut.

Sechs grosse Scheine und ein Flugticket nach New York. New York? Was soll ich denn bitte sehr in New York? Und ĂŒberhaupt, was soll denn das nun, ein Flugticket nach New York? Was wollen Sie eigentlich von mir, fragte ich schroff, denn das Sie war nun wieder angebracht. Er lud mich dann doch auf einen Kaffee ein und ich bin mitgegangen, obwohl die UmstĂ€nde nicht dementsprechend waren. Aber ich dachte mir, ein CafĂ© ist ein öffentlicher Ort, was kann da schon geschehen. Er wolle mir die Sache erklĂ€ren, in aller Ruhe, das ginge eben nicht so zwischen TĂŒr und Angel, und die Idee klang nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass es im Januar nicht besonders drollig ist, in einer dĂŒnnen Jacke stundenlang wie ein Baum auf der Strasse zu stehen. In Ordnung, ein Kaffee wird mich wohl nicht ins Grab bringen, und ging mit.

Ich solle nach New York fliegen und ihm von dort aus Postkarten schreiben. Interessant, sagte ich ganz zynisch. Er hĂ€tte sich verliebt, als er vor drei Jahren beruflich kurz in New York gewesen war. In eine Amerikanerin, Hannah hiess sie. Aber Hannah war eine Schlampe oder wie man in Amerika sagen wĂŒrde - eine Bitch. Hat ihm die grosse Liebe vorgespielt, sogar von Heirat geredet und davon, dass er ihr einen ganzen Zoo von Kindern machen soll. Welcher Mann wĂŒrde das nicht gerne hören. Max hiess er ĂŒbrigens, denn als wir auf den Kaffee warteten, stellte er sich dann doch vor. Max also war verliebt und ist es immer noch. Aber Hannah ist nicht mehr verliebt oder war es auch gar nie und hat ihn das auch deutlich wissen und spĂŒren lassen. Schon ein ganzes Jahr lang sein nun Schluss. Und nun will er, dass ich so tu‘ als ob. Dass ich nach New York fliege und ihm Postkarten schreibe und sie mit ‘Hannah‘ unterzeichne. Kannst du ja selber machen, schlug ich vor, denn das Du war nun wieder angebracht, schliesslich sollte ich mich als Hannah ausgeben, die einen ganzen Zoo Kinder von ihm will. Flieg‘ doch selber nach New York und schick‘ dir Karten und wenn du wieder zurĂŒck bist, kannst du sie alle lesen und so tun als ob. Aber nein, das ginge nicht, denn er wĂŒrde ja dann ganz genau wissen, dass es nicht echt sei. Wenn er schon seine Handschrift sehen wĂŒrde, dann wĂŒrde er ja ganz genau bemerken, dass das alles nur SelbsttĂ€uschung sei. Ehrlich interessiert musste ich ihn dann doch fragen, ob es denn keine SelbsttĂ€uschung sei, wenn er mich durch Schmiergeld zur Hannah macht und mich eigenhĂ€ndig in ein Flugzeug nach New York setzt, dass ich ĂŒbrigens nicht betreten wĂŒrde, erst recht nicht eins nach New York, schliesslich weiss man ja, was in New York mit Flugzeugen passiert. Ob er tatsĂ€chlich eine solch‘ immense Einbildungskraft habe, dass er nicht bemerken wĂŒrde, dass Hannah, die ihm Postkarten aus New York schreibt, gar nicht Hannah ist? Auf alle FĂ€lle sei das weniger auffĂ€llig als wenn er es selber machen wĂŒrde, entgegnete er, und einen Versuch sei es doch wert. Aber wenn Hannah doch so eine Bitch sein, warum wolle er denn ĂŒberhaupt Postkarten von so einer? Darauf wusste er dann keine Antwort. Da soll noch einer sagen, Frauen lieben irrational. Ich hatte auch keine Hemmungen, ihm mitzuteilen, dass ich seine Idee fĂŒr ganz und gar bekloppt hielt. Nicht nur seine Idee, sondern seine ganze Einstellung. Er solle sich doch ein nettes MĂ€dchen suchen hier in Köln oder meinetwegen in einer anderen deutschen Stadt, das konnte ja eh nicht gut gehen, eine Liebe ĂŒber so eine grosse Distanz, da spielt es dann auch keine Rolle mehr, ob Hannah nun eine Bitch ist oder nicht.

Ja, ja, eigentlich hast du ja recht, meinte er dann, aber trotzdem, ich liebe sie doch. Liebe braucht doch keinen Grund. Ich liebe sie halt, egal wie gemein sie ist. Schliesslich muss auch jemand die Schlampen lieben, warum also nicht ich? Also, auf diese Theorie kann man nun wirklich keine Steine bauen, entgegnete ich und schĂŒttete vor lauter MitgefĂŒhl zu viel Zucker in meinen Kaffee. FĂŒr einen Moment lang dachte ich, Mann, diese Geschichte ist sowas von abgefahren, vielleicht ist das alles nur ein Trick. Vielleicht ist das bloss eine Art Strategie, die er sich ausgedacht hat, um Frauen anzumachen. Die Mitleidstour. Nach drei Stunden fĂŒhlt man sich dann so verantwortlich fĂŒr das arme Schwein, dass man ihm vorschlĂ€gt, zu ihm zu gehen und ihn ordentlich aufzupĂ€ppeln. Deshalb musste ich hĂ€rter durchgreifen. Es tĂ€te mir leid, ich könne nicht nach New York fliegen und ihm Karten schicken, das sei ganz unmöglich, ich sei auch viel zu beschĂ€ftigt im Moment, das ginge schon rein aus praktischen GrĂŒnden nicht. Und verabschiedete mich. Stand schon, war schon halb gegangen, da hĂ€lt er mich wieder am Arm fest und ich denke noch, kein Wunder, hat die Hannah ihn fallen lassen, wer will schon einen Mann, der so klammert. Und er schaut zu mir hoch, mit dieser Kreuzung aus Reh- und Dackelblick und sagt: „Bitte.“ Beinahe zĂ€rtlich löse ich seine Hand von meinem Arm und sage, dass es mir leid tut, und frage mich ernsthaft, so innerlich, warum ich mich jetzt tatsĂ€chlich fĂŒr diesen Kerl verantwortlich fĂŒhle. Und ich fahre ihm sogar ĂŒber sein dunkles Haar, schönes Haar eigentlich, die Hannah ist ganz schön dumm, denke ich, und wĂŒnsche ihm viel GlĂŒck, wirklich, und meine es auch wirklich und ganz echt. Und als ich gehe, hĂ€lt er mich nicht mehr fest, obwohl ich schon darauf vorbereitet war. Tat er aber dann doch nicht. Und irgendwie war ich dann ganz sonderbar enttĂ€uscht darĂŒber, dass er es nicht getan hat. Und als ich danach am CafĂ© vorbeiging und seinen Blick hinter dem Glas suchte, da sass er nur so da, hielt nicht nach mir Ausschau - seine braunen HĂ€nde lagen flach und ruhig auf der Tischplatte und sein Blick hing irgendwo zwischen meiner Tasse und ein paar KrĂŒmeln Zucker, die auf den Tisch gefallen waren.

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