Uns allen ist durch Kino, Plakatwerbung und Fernsehen das Bild vertraut, von bekannten Gesichtern welche sich nicht scheuen ein bestimmtes Produkt in die Linse einer Kamera zu halten und dies als das absolute Nonplusultra anzupreisen, ohne welches der gemeine Verbraucher seine persönliche Zukunft lediglich noch als schwarzen, schmierigen Tümpel zwischenmenschlichen und sozialen Elends zu betrachten hat. Sänger, Schauspieler, Sportler und Models werben ungeniert für Haarshampoos, Frühstücksmarmelade, Hundekuchen und "Alternativ - Kirchen".
Lediglich einer ganz bestimmten Gattung von Prominenten, welche es doch sonst bekanntermaßen stets nach dem Lichte der Öffentlichkeit drängt, bleibt ihr Stück vom großen Kuchen der Werbung verwehrt.
Noch...
Ein erster Anlauf zur Erschließung diesen Marktes wurde jedoch bereits unternommen, als unlängst der Hersteller eines bekannten Milchproduktes an die Parteizentrale DER PARTEI herangetreten war mit dem Anliegen, einen führenden Amtsträger für einen kurzen informativen Gedankenaustausch vor die Kamera zu bekommen. Kompetenz in Agrar- oder Wirtschafts- oder sonst irgendwelchen Fragen wären wünschenswert – jedoch keineswegs erforderlich.
Lange wurde in der Parteizentrale darüber diskutiert. Doch erst als mehrere Tage nach der ersten Anfrage in den Büroräumen des Parteichefs ein Aktenkoffer unbekannter Herkunft gefunden wurde, des Inhaltes eines nicht näher genannten Euro Betrages, wurde das Anliegen in einer eigens hierfür einberufenen Gremiumssitzung abschlägig beschieden. Weiterhin aber, so stellten die Spitzen DER PARTEI fest, sei es natürlich jedem Mitglied welches kein öffentliches Amt inne hätte, freigestellt, sich in den Dienst der Wirtschaft zu stellen. Völlig unabhängig von diesem Thema wurde alsdann die anstehende Kabinettsumbildung eingehend besprochen. Der bisherige Wirtschaftsminister, so wurde beschlossen, solle künftig das Landwirtschaftsministerium übernehmen. Zwischen seinem Ausscheiden aus dem bisherigem Amt und der Übernahme seines neuen Verantwortungsbereiches jedoch, wurde dem Mann, zur Klärung umstellungsbedingter Sachverhalte eine Frist von drei Tagen zugestanden.
Umgehend wurde der Herstellerfirma besagten Milchproduktes die entgültige Ablehnung DER PARTEI übermittelt. Zum persönlichen Überbringer der Nachricht wurde der kurzfristig amts – freie, bisherige Wirtschaftsminister bestallt.
Dieser schloss mit besagter Firma einen hochdotierten Beratervertrag ab. Zwei weitere hochrangige Parteimitglieder wurden in den Aufsichtsrat der Firma berufen.
Als am folgenden Tag in der Parteizentrale ein weiterer Koffer vergessen wurde, über dessen Inhalt später keinerlei nähere Aussagen gemacht werden konnten wurde jener zur Aufbewahrung – für den Fall dass sich der rechtmäßige Eigentümer doch noch melden würde - von einem Vertrauensmann nach Liechtenstein überführt.
Die Sache geriet in Vergessenheit.
Der designierte Landwirtschaftsminister ließ sich von einer anerkannten Kapazität der Psychiatrieforschung noch vorsorglich eine zeitlich begrenzte Totalamnesie für den gesamten angesetzten Zeitraum der Dreharbeiten attestieren und trat bereits am darauf folgenden Morgen die Klärung seiner persönlichen, umstellungsbedingten Sachverhalte an.
"Achtung! Aufnahme!"
"Cremeschnitte, die Zwölfte!"
"Bitte, Herr Minister..."
Mit einem Seufzer lehnte sich Glaubnitz zurück und blickte verdrossen auf die Szenerie.
Der Minister stand schweigend da und hielt mit süffisantem Lächeln die noch verpackte Süßware in die Kamera. Ein Mikrophon wurde ihm unter die Nase gehalten und die Stimme eines unsichtbaren Interviewers fragte:
"Herr Minister, ich sehe Sie kaufen DIE CREMESCHNITTE. Warum?"
"Nun, ich erwäge in der Tat eine diesbezügliche Entscheidung in Betracht zu ziehen. Vorausgesetzt natürlich das Produkt erweist sich, in den für ein derartiges Genussmittel ausschlaggebenden Kriterien a: Als cremig; b: Als nicht mit, über den im Bundestag beschlossenen zulässigen Grenzwerten liegenden chemischen Zusatzstoffen belastetet und c: weitestgehend aus unsubventionierten Agrarprodukten bestehenden Inhaltsstoffen, welche unseren heimischen Landwirten gegenüber vergleichbaren EU - Erzeugnissen einen gewissen Vorteil zu bieten vermögen. Hierbei sind allerdings mehrere Unterpunkte zu berücksichtigen, nämlich a:...."
Mit einem Schrei fuhr Glaubnitz hoch.
Der Minister zuckte mit keiner Mine und sah dem Regisseur gelassen entgegen.
Glaubnitz atmete mehrmals tief durch und zwang seine Stimme zur größtmöglichen Ruhe, als er gepresst sagte:
"Herr Minister! Ich weiß ihre Besorgnis um unsere Gesundheit und die finanzielle Lage unserer Bauern im europäischen Binnenmarkt durchaus zu schätzen, aber verdammt noch mal..."
"Herr Glaubnitz! Ich muss doch sehr bitten!"
"Entschuldigung!" Um einen ruhigen Tonfall bemüht, fuhr der Regisseur fort: " Wir sind das Skript doch nun schon mindestens zwanzig Mal durchgegangen..."
"Zwölf Mal! Wir wollen doch bei den Tatsachen bleiben..."
"Zwölf Mal..." verbesserte Glaubnitz sich "...aber Sie haben sich noch nicht ein einziges Mal daran gehalten."
Der Minister, Anfichtungen dieser Art gegenüber berufsbedingt abgehärtet, ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und verfolgte die Ausführungen des verzweifelten Werbefilmers mit stoischer Gelassenheit.
"Also noch einmal: Auf die Frage, Sie würden DIE CREMESCHNITTE kaufen, antworten sie: Ja! Kein Aber! Kein : ´Ich erwäge eine Entscheidung in Betracht zu ziehen.` Einfach nur ein klares und unmissverständliches Ja ! Also bitte..."
"Ruhe! Aufnahme!"
"Cremeschnitte, die Dreizehnte!"
Klack.
"Herr Minister, ich sehe Sie kaufen DIE CREMESCHNITTE. Warum?"
Einige Augenblicke lang herrschte gespanntes Schweigen. Der Minister hielt den Gegenstand der Kontroverse lächelnd in die Kamera und rang sichtlich mit sich. Schließlich aber wand er sich zu einem Entschluss durch. Ein Kompromiss als Zeichen seines guten Willens:
"Mit hoher Wahrscheinlichkeit!" stieß er widerwillig heraus. "Vorausgesetzt das Produkt erweist sich a: Als cremig; b: Als..."
"Aus!"
Glaubnitz zwang sich zu minutenlangen rhythmischen Atemübungen, bevor er sich an den Politiker wandte:
"Herr Minister! Das Produkt IST cremig! Es enthält keinerlei gesundheitsgefährdende Stoffe und..." presste er auf Höflichkeit bedacht, aber bestimmt hervor "...die deutschen Bauern sind mir - im Augenblick jedenfalls - völlig egal! Sie kaufen DIE CREMESCHNITTE nicht wahrscheinlich; Sie kaufen sie ganz bestimmt! DIE CREMESCHNITTE ist cremig, locker - leicht, bekömmlich, gesund und ideal für den kleinen Hunger zwischendurch! Das sollen Sie sagen! Das und sonst nichts! Herrgott! Das kann doch nicht so schwer sein..."
"Selbstverständlich nicht..." entgegnete der Staatsdiener "...aber bedenken sie doch einmal meine Lage. Alleine schon der verschwommene Begriff "cremig". Es gibt nach wie vor keine präzise gesetzlich festgelegte Definition für diese Zustandsform. Weder auf Bundes- noch auf EU-Ebene. Wie also kann ein Mann in meiner Position willkürlich einem beliebigen Produkt diese Eigenschaft zusprechen - zudem stets die Gefahr einer eventuellen EU-Norm wie ein Damoklesschwert über meinem Haupte schweben würde? Eine verbindliche Äußerung diesbezüglich könnte mich später meine politische Glaubwürdigkeit kosten, zumal ich - wie wohl hinreichend bekannt sein dürfte - gewisse Ambitionen, auf den Posten eines EU-Kommissars nicht gänzlich von mir weisen möchte. Aber das bleibt selbstverständlich unter uns."
"Aber der Text..." stotterte Glaubnitz hilflos "...Sie haben ihm bei Vertragsabschluß ausdrücklich und in schriftlicher Form zugestimmt."
"Dies möchte ich auch nicht leugnen." entgegnete der Minister belehrend. "Allerdings habe ich, wie Sie wissen, eine Klausel einräumen lassen, welche mir garantiert, dass ich keinerlei Äußerungen zu machen brauche die mir in irgendeiner Weise politischen Schaden zufügen oder sich diskriminierend, moralisch, ethisch, gesetzlich oder sonst in irgend einer Form nachteilig auf eine bestimmte Gesellschaftsschicht auswirken könnten."
"Sie meinen die Bauern..."
"Die Landwirte!" korrigierte der Minister "Die Landwirte! In der Tat. Wer bin ich, mir anmaßen zu wollen diese wichtige Gruppe einfach außer Acht zu lassen. Die Landwirtschaft - diese tragende Säule unseres Staates - kann bei einer Debatte über ein Produkt, hergestellt aus überwiegend landwirtschaftlichen Erzeugnissen von nahezu symbolischen Charakter - Eier, Milch, Getreide et cetera - kaum heraus gehalten werden."
"Einer Debatte?" stammelte Glaubnitz ungläubig; ringend um die Reste seiner Selbstbeherrschung. "Welche Debatte, Mann?! Wir sprechen hier von einem Werbetext. Einer einfachen, simplen Botschaft an den Verbraucher..."
"...von einer enormen politischen Tragweite!" ergänzte der Minister.
Glaubnitz stöhnte auf und ließ sich in seinen Klappstuhl fallen. Er merkte, dass er so nicht weiter kam. Was tat er hier eigentlich? Bei diesem Projekt war er ohnehin nur zweite Besetzung auf dem Regisseursposten. Erst als sein Vorgänger Brodsam sich völlig überraschend bereits nach dem ersten Drehtag zurückgezogen hatte, hatte man ihm, Glaubnitz, die Leitung anvertraut. Zwar hatte er Gerüchte vernommen, wonach Brodsam Hals über Kopf nach Tibet abgereist sein sollte, um fortan in einem buddhistischen Kloster als Mönch zu leben. Doch hatte er diesen Gerüchten bis jetzt keinen Glauben geschenkt.
Aber verdammt! Er weigerte sich einfach zu kapitulieren. Irgendwie musste diesem Mann doch etwas uneingeschränkt Positives über das Produkt zu entlocken sein.
"Herr Minister..." versuchte er es schließlich erneut. "...wenn wir die Bauern einmal beiseite lassen, warum können sie auf die simple Frage, ob sie DIE CREMESCHNITTE kaufen, nicht einfach mit einem klaren und unmissverständlichen Ja antworten?"
"Weil mir dieses unter Umständen als Unwahrheit ausgelegt werden könnte."
"Bitte?!?"
"Ich habe nicht vor mich durch eine derart unbedachte Äußerung in die Fänge der Opposition zu begeben. Kann man denn wissen ob ich nicht morgen schon, vor einem Untersuchungsausschuss einen Nachweis über den ordnungsgemäßen Erwerb besagten Objekts Rede und Antwort zu stehen habe? Man könnte eine Quittung von mir verlangen. Ich möchte mich nicht dem Verdacht aussetzen, ich würde behaupten diesen Artikel zu kaufen, obgleich jedermann weiß, dass dies nur ein Werbespot ist an dessen Ende ich besagte Cremeschnitte lediglich verzehre. Diese und weitere Bedenken machen es mir leider unmöglich dem exakten Wortlaut zu folgen. Ich habe mich jedoch während der vergangenen Tage ausgiebig mit meinen Beratern besprochen. Gemeinsam haben wir den vorhandenen Entwurf des Textes, in einigen wesentlichen Punkten leicht geändert."
"Das habe ich allerdings bemerkt!" sagte Glaubnitz gereizt. "Zudem habe ich mir sagen lassen, dass Sie sich in anderen Fällen weit weniger Sorgen zu machen pflegen."
"Falls Sie auf dieses Chateau in Tessin anspielen wollen..."
"Genau das meine ich!"
"Lieber Herr Glaubnitz, lassen Sie sich gesagt sein, ich wurde in dieser Sache von jedem Verdacht freigesprochen. Besagtes Chateau gehört nachweislich meiner Reinemachefrau, welche mir nur aus reiner Bewunderung und aus alter Freundschaft schriftlich ein uneingeschränktes Nutzungsrecht auf Lebenszeit einräumte. Wie der Großindustrielle Dopfer dazu kam es ausgerechnet an sie zu verschenken kann ich nicht sagen. An mir jedoch haftet nicht der kleinste Hauch von Korruption."
"Na gut, Herr Minister. Lassen wir das. Wie wäre es folgendermaßen? Sie kaufen uns diese Cremeschnitte ab. Üblicher Einzelhandelspreis 0,39 Euro incl. Mehrwertsteuer. Wir stellen Ihnen eine Quittung über den entrichteten Betrag aus und anschließend fragen wir Sie: Herr Minister, ich sehe, Sie haben sich DIE CREMESCHNITTE gekauft...blablabla..."
"Hm! Das wäre unter Umständen machbar. Augenblick. Ich kläre das."
Der Minister zog sich mit seinem Stab zu einer Beratung zurück. Anschließend rief er noch bei seinem Regierungschef an, besprach die Sache ausgiebig mit ihm und holte sich zu guter letzt noch das OK der Parteispitze.
"In Ordnung." sagte er schließlich. "Mit diesem Kompromiss können wir uns gegen oppositionelle Anfeindungen behaupten."
Glaubnitz ließ einen Seufzer der Erleichterung vernehmen.
"Achtung! Aufnahme!"
"Cremeschnitte, die Vierzehnte!"
Klack.
"Herr Minister, ich sehe Sie haben DIE CREMESCHNITTE gekauft?"
"Ja."
Hier machte Glaubnitz drei Kreuze. Dieses "JA" war im Kasten. Unwiderruflich und endgültig. Was konnte jetzt noch schief gehen?
"Warum gaben Sie gerade diesem Produkt den Vorzug, Herr Minister?"
"Nun, von Vorzug kann keine Rede sein. In der Tat hält unsere Partei nach der kompetenten Beurteilung eines eigens hierfür beauftragten Sachverständigen die vergleichbaren Produkte anderer Hersteller für absolut gleichwertig..."
"Aus!"
Glaubnitz hatte sich in das Skript festgebissen und riss nun kleine Stücke davon heraus, welche er dem Minister voller Abscheu entgegenspuckte.
"Was soll das denn heißen?!? Absolut gleichwertig!?!"
Mehrere Kabelträger mussten den rasenden Regisseur in Zaum halten, sonst hätte er sich auf den vorübergehend außer Dienst gestellten Amtsträger gestürzt.
Dieser jedoch stand fest, gleich einem trotzendem Felsen gegenüber den brausenden Wogen der Brandung, aufrecht im Lichte seiner Integrität.
Nach einer kurzen Notbehandlung seitens eines eilends hinzugezogenen Psychiaters fühlte sich Glaubnitz bereits nach wenigen Stunden wieder soweit hergestellt, dass er mit den Aufnahmen fortfahren konnte, schwor sich aber sofort nach Beendigung der Dreharbeiten in seinen erholsamen alten Job als Kriegsberichterstatter nach Afrika zurückzukehren.
"Also Kinder, wir machen mit der zweiten Frage weiter. Hier, ich habe sie umformuliert."
"Cremeschnitte, die Fünfzehnte!"
"Herr Minister, weshalb haben sie ausgerechnet DIE CREMESCHNITTE gekauft? Wegen ihrer cremigen Konsistenz, wegen der beiden Scheiben aus vollwertigem Getreide deutschen Anbaus oder gar wegen ihrer locker - leichten Füllung, welche sie so einmalig macht?"
"Nun, diese Frage kann so nicht beantwortet werden. Zunächst einmal muss klargestellt werden, dass eine fraktionsübergreifende Mehrheit sich bereits seit langem für die gelegentliche Anschaffung von Lebensmitteln, durch den gemeinen Verbraucher - und selbstverständlich auch durch die Verbraucherinnen - ausgesprochen hat. Die Wahl der Produkte ist hierbei verfassungsgemäß jedem freigestellt und Selbige können nach dem jeweiligen Geschmack des Einzelnen, unbeeinflusst seitens des Staates, während der gesetzlichen Ladenöffnungszeiten erworben werden. Ich bin zwar gegebenenfalls bereit einzuräumen bereits einmal, aus Gründen die ich nicht näher erläutern möchte, das eine oder andere Produkt eines bestimmten Herstellers käuflich erworben zu haben. Jedoch möchte ich hieraus keinerlei Diskriminierung ähnlicher Produkte anderer Hersteller abgeleitet wissen."
Angespannte Stille lag über dem Studio. Die gesamte Filmcrew blickte hinüber zu Glaubnitz. Alle erwarteten dass er sich mit einem Schrei auf den Minister stürzen würde und für einen Augenblick sah es auch ganz danach aus.
Doch nichts dergleichen geschah. Im Gegenteil! Plötzlich wurde der Regisseur ganz ruhig. Gelassen lehnte er sich zurück.
Beinahe erheitert verfolgte er die Bestrebungen seines Assistenten Karwutke, der nach Glaubnitz´ Rückzug zögernd die weiteren Aufnahmen in die Hand genommen hatte:
"Cremeschnitte, die Sechzehnte!"
"Herr Minister. Hat Sie das ausgewogene Verhältnis der verarbeiteten Frühstückscerealien bei ihrer Kaufentscheidung beeinflusst?"
"Erst nach ausgiebigen Rücksprachen mit unserem Koalitionspartner, sowie gewissenhafter Einholung maßgeblicher Meinungen kompetenter Entscheidungsträger in dieser Angelegenheit und eingehender Analysen derselben, kann ein Konsens gefunden werden welcher eine vernünftige Grundlage für ein "ausgewogenes Verhältnis" zu bieten vermag..."
"Cremeschnitte, die Siebzehnte!"
"...die locker – leichte Füllung..."
"...lockere Füllungen, mögen sie auch noch so populär sein, bieten keinen Ersatz für Inhalte..."
"...die Achtzehnte!"
"...gesundes Getreide..."
"...wird im Zuge der Flächenstillegung an einer Agrar- Strukturreform gearbeitet..."
"...frische Vollmilch..."
"...kann die allgemeine Überproduktion nur durch Streichung ungerechtfertigter Subventionen eingedämmt werden, welche jedoch im Einklang mit unseren EU – Partnern..."
Glaubnitz folgte dem Schauspiel mit distanzierter Faszination. Doch erst als der angeschlagene Karwutke schließlich in der sechsundzwanzigsten Runde röchelnd zu Boden ging, gebot er dem Gemetzel Einhalt:
"Danke Herr Minister, das war’s!"
Ein kollektiver Seufzer der Erleichterung durchfuhr das Filmteam, als er den Minister freundlich plaudernd zum Studioausgang führte.
"...aber eine Frage müssen Sie mir noch gestatten, mein verehrter Herr Minister..."
"Aber sicher doch, mein lieber Glaubnitz. Fragen Sie nur."
"Nun, als unsere Firma ihre Parteizentrale anging, um eine hohe Amtsperson für einen Werbespott zu gewinnen, warum...ich meine weshalb haben ausgerechnet Sie sich sofort bereit erklärt?"
"Aber mein lieber Glaubnitz, das liegt doch auf der Hand. Zum Einen bin ich bereits seit langem als volksnaher Vertreter unserer Politik bekannt, zum Anderen liegt unserer Partei bekanntermaßen viel daran unsere enge Verbindung zur Wirtschaft weiter auszubauen, welche in ihren Bestrebungen Arbeitsplätze zu erhalten unserer vollen Unterstützung bedarf. Zudem, welcher Abgeordnete wäre besser geeignet für eine derartige Aufgabe. Kaum jemand verkörpert wohl mehr als meine Person das Bild des modernen Politikers: Dynamisch, sachlich, offen, direkt, ohne Umschweife zum Punkt kommend, präzise und prägnant."
Die folgende Nacht verbrachte Glaubnitz alleine im Schneideraum. Nach Sichtung des vorhandenen Materials, stellte er einen Spot zusammen welchen er bereits am nächsten Morgen seinen Auftraggebern überreichte:
"Herr Minister, ich sehe Sie kaufen DIE CREMESCHNITTE?"
"In der Tat."
"...und die Kombination von gesundem Getreide und locker – leichter Cremefüllung?"
"Eine vernünftige Grundlage. Ein ausgewogenes Verhältnis."
"Was ist für Sie das maßgebliche Kriterium ihrer Kaufentscheidung?"
"Natürliche Agrarprodukte."
"Und diese finden Sie in DER CREMESCHNITTE in ausreichendem Maße?"
"Ja"
"Herr Minister, wir danken Ihnen."
Der Film wurde auf mehreren Festivals gezeigt und mit vielen Preisen ausgezeichnet. Als erster Mann, dem es gelungen war einem deutschen Politiker ein klares und einfaches "Ja" abzuringen, stieg Glaubnitz’ Marktwert in ungeahnte Höhen und er wurde letztendlich sogar für mehrere Journalismuspreise vorgeschlagen.
In dem ihm eigentlich zugedachten Medium, dem Fernsehen, kam der Spot jedoch nie zur Ausstrahlung. Denn bereits wenige Wochen nach Abschluss der Dreharbeiten beschloss die Europäische Kommission, vornehmlich vorangetrieben durch den engagierten Einsatz eines ganz bestimmten deutschen Ministers, eine europaweit verbindliche Richtlinienverordnung betreffs einheitlicher Maße, Gewichte und Zusammensetzung für Vollkorn – Milchprodukt – Schnitten. Die Umstellung der Produktion auf die neuen Normen brachte den Hersteller der CREMESCHNITTE in derart finanzielle Bedrängnis, dass die feindliche Übernahme durch eine Konkurrenzfirma nicht mehr verhindert werden konnte.
Kurz nach Beschluss dieser EU-Verordnung ging der Minister, welcher diese Verordnung als sein persönliches Vermächtnis für ein Zusammenwachsen der Europäischen Wirtschaft bezeichnete, aus gesundheitlichen Gründen unerwartet in vorzeitige Pension.
Nur unter Protest nahm er verschiedene Abtritts-, Austritts-, Ausgleichs-, Übergangs- und Untergangsgelder entgegen und zog sich auf seinen Altersruhesitz in Südamerika zurück: Die ca. 2000 Hektar umfassenden Hazienda seines Sekretärs, die diesem aus nicht näher bekannten Gründen von dem Großindustriellen Gerer – dem Halter der Aktienmehrheit der Herstellerfirma der SAHNESCHNITTE – als Geschenk überschrieben worden war.
Sein Sekretär - so warf der Minister bei späteren Anfragen durch querulante Journalisten ein - habe ihm ein Wohn- sowie ein uneingeschränktes Nutzungsrecht auf Lebenszeit garantiert. Als Dank für treue Freundschaft, sowie eine besonders enge und ergiebige Zusammenarbeit während der letzten Jahre.
Irgendwelche anderen Behauptungen seien lediglich als böswillige Attacken des politischen Gegners – vornehmlich des linken Sektors – anzusehen und somit von keinerlei ernst zu nehmenden Relevanz.