Das Ruhrgebiet ist etwas besonderes, weil zwischen Dortmund und Duisburg, zwischen Marl und Witten ganz besondere Menschen leben. Wir haben diesem Geist nachgespürt.
Harry hatte gerade eine neue Webseite angeklickt, da las er etwas von einer lustigen Fete für Mutige in der Sauna der Neuzeit, nahe der Stadt.
Na ja, dachte er, vielleicht sollte ich zur Abwechslung noch mal in eine zeitgemäße Sauna gehen. Vor Jahren war ich einmal begeisterter Saunagänger. Aber dann gab es die grünen Pillen, und ich brauchte zum Schwitzen nicht mehr in die Sauna, sinnierte er weiter.
Vielleicht ist es ja heute interessanter geworden, sagte er sich und da er nichts Bessers im Moment vorhatte, eilte er in die Garage.
Er stellte an seinem Motorrad das Planquadrat der Sauna ein und brauste los.
Harry wunderte sich, dass hier so viele kleine Saunakabinen in einem Kreis rund um ein riesiges Schwimmbecken angeordnet waren.
Ein paar Leute, die alle kleine, seltsame Teile am Körper trugen, standen am Rand des Pools und hörten aufmerksam einem in Frack und Zylinder gekleideten Mann zu.
„Wer an bestimmten Stellen schwimmt“, so bekam Harry noch mit, „der kann sich in einem Spiegel seinen Oberkörper als attraktive Nymphe und das andere Körperteil als übergroßes Fischmaul ansehen.“
Der Frackträger wartete auf den Applaus und sagte dann: „Herrschaften, jetzt seid ihr dran! Zeigt, was ihr Schönes oder Verrücktes mitgebracht habt.“ Er hob seine Stimme: „und danach seid ihr meine Gäste nebenan.“
„Wir haben einen Neuen hier und gebildet wie wir sind, wollen wir uns vorstellen, nicht wahr liebe Freunde?“ wandte sich der große, schnauzbärtige Mann jetzt an die anderen. „Jeder nennt seinen Künstlernamen.“
Er machte eine kurze Pause.
„Also, ich heiße Schulwurm und die hier neben mir mit den eingepackten Brüsten, das ist meine Mimose“, sagte der Mann, der eine rosarote Schultasche auf dem Rücken trug.
„Ja ... ich bin der Bäcker ...äh, ich meine, der Frosch“, brummte ein kahlköpfiger Mann, der seinen Hängebauch in einen schneeweißen Froschanzug gezwängt hatte. „Und das ... habe ich geheiratet.“ Er zeigte auf die spindeldürre Frau die neben ihm stand und mit beiden Händen ihre kleinen Brüste bedeckte.
„Hallo! Wir sind Haiflosse und Nixe! Die letzten in der Runde!“ rief eine junge Frau von hinten.
Dann kam sie auf Harry zu, musterte ihn von oben bis unten und sagte: „Na, was hast du denn zu bieten?“
Harry sah, dass sie einen fingerdicken Knopf auf ihrem Bauchnabel hatte.
„Ich ... ich ...“ stammelte Harry, „ich wusste ja nicht ...“
„Passt auf, jetzt werde ich euch was zeigen!“ unterbrach der Mann der sich Frosch genannt hatte, das Stottern von Harry und ließ sich mit seiner Frau zusammen ins Becken fallen.
Harry sah, wie der Mann einen dünnen langen Schlauch aus seiner Brusttasche zog, sich ein Ende ins Ohr steckte und zu blasen begann.
Der weiße Froschanzug wurde giftgrün und sein Gesicht wuchs und wuchs und sah auf einmal aus wie ein riesiger Ochsenfrosch.
Seine Frau schwamm nach ein paar Minuten zu ihm hin, legte ihren Kopf in das aufgesperrte Maul und sofort schrumpfte alles zusammen, bis wieder die menschlichen Züge erschienen.
„Bravo!“ Alle klatschten begeistert, als die beiden prustend wieder aus dem Becken krochen.
„Bin ich jetzt dran?“ Der Schulwurm blickte sich um und ehe er ins Wasser stieg, rief er: „Bitte äußerste Ruhe!“
Kaum war er mit der Schultasche ins Wasser eingetaucht, da erklang ganz deutlich die „Wassermusik von Händel“ durch den Raum.
Gelächter brach aus und etwas Applaus kam auf, als er anschließend heraus krabbelte und sich stolz wie ein Künstler auf der Bühne vor ihnen verneigte.
„Minna, rein mit dir!“ befahl er dann seiner Frau, die sich vor lauter Aufregung rücklings ins Wasser fallen ließ.
Wie sie so da auf der Wasseroberfläche zappelte, wartete jeder darauf, was nun passieren würde. Da schupste der Schulwurm Harry plötzlich ins Wasser.
Als Harry auf die Frau zuschwimmen wollte, da richtete sie sich auf und in diesem Augenblick schossen unzählige, kleine, schwarze, spitze Pfeile aus ihrem rechteckigen BH, der wohl aus Chrom und Stahl bestand, auf den völlig verdatterten Harry.
„So was müssen demnächst alle Frauen haben!“ jubelte die Nixe, „dann bleiben einem die Männer wenigstens vom Leibe!“
„Find ich gar nicht gut,“ maulte Harry, als er aus dem Becken kraxelte.
Dann wandte er sich an die Nixe und fragte: „Und was machst du Schönes?“
„Warte ab!“ lachte sie und sprang mit einem Hechtsprung in den Pool.
Sie legte sich flach auf das Wasser und drückte dreimal auf den Bauchnabelknopf.
Plötzlich zischte es und eine riesige Feuerwerksrakete schoss in tausend Farben hoch und tauchte den ganzen Raum in ein gleißendes Licht.
„Spitze! Spitze!“ riefen alle begeistert, nachdem sie aus dem Wasser gehüpft war.
„Da muss sich die Haiflosse aber mächtig anstrengen als Letzter,“ meinte der Frosch. Alle warteten, denn der Mann hatte nur eine sechseckige Plastikdose in der Hand, die er jetzt hoch hielt.
Harry kniff seine Augen etwas zusammen und glaubte, ein kleines Tier in der Dose zu erkennen.
„Alle Mann ins Schwimmbecken!“ rief Haiflosse in die Runde, die immer noch über das Feuerwerk diskutierte.
„Ich werde euch mal was besonders zeigen.“
Haiflosse hatte die Dose geöffnet, nahm einen kleinen Fisch heraus und setzte eine Spritze in den Rücken des Tieres. Dann warf er es ins Wasser. Das Tier schwamm gemächlich in die Mitte des Beckens.
„Mein Gott, was ist denn das?“ kreischte plötzlich eine Frau und alle starrten fassungslos auf den immer größer werdenden Fisch.
„Leute! Das ist doch eine Attrappe!“ schrie der Schulwurm. Er machte zwei Schwimmzüge auf den Fisch zu und streckte seinen Finger nach vorne. In diesem Augenblick brüllte er entsetzlich auf.
„Das Biest hat mich gebissen!“
Fluchtartig stürzten alle aus dem Becken.
„Das ist ja ... ja, das ist ja ... der Kopf von einem Hai!“ brüllte der dicke Frosch und konnte noch gerade seine ohnmächtig werdende Frau am Beckenrand auffangen.
Alle sahen in das weitaufgerissene Maul des Tieres und als sie davon rannten, hörten sie hinter sich noch ein ohrenbetäubendes Zischen und Schnaufen.
Auch Haiflosse war wohl entsetzt. Aber er fasste sich schnell und schrie: „So groß wollte ich ihn doch nicht machen! Aber nun kommt zurück und seht, wie klein der gleich wieder wird!“
Aus sicherer Entfernung sahen sie, wie er nervös aus seiner Dose eine Spritze heraus fingerte und sie zielsicher in den Rachen des Ungeheuers warf.
Gespannt warteten alle ab. Es dauerte vielleicht zwei Minuten. Dann sackte das Monster zusammen und ehe alle begriffen, was da passierte, schwamm auf einmal friedlich ein kleiner Fisch im Becken umher.
„Das reicht aber für heute, jetzt habe ich Hunger und will was essen!“ sagte die Frau mit den kleinen Brüsten und alle stimmten ihr zu.
„Achtung!“ empfing der Frackträger sie, als sie vor der „Galleria“ standen. Er öffnete die Tür. Der Raum lag in tiefster Dunkelheit.
Behutsam führte er jeden einzeln zu seinem Sitzplatz.
Kaum saßen alle, da erscholl ganz laut eine Trompetenfanfare und plötzlich hatte jeder in Augenhöhe ein hell erleuchtetes Silbertablett mit den köstlichsten Fischspezialitäten vor sich schweben.
„Oooh! Aaah!“ tönte es von allen Seiten.
Als die Frau vom Frosch schnell nach einem Forellenstückchen greifen wollte, starrten sie plötzlich zwei glubbschige Heringsaugen an.
„Pfui!“ schrie sie angeekelt und das Tablett verschwand.
Harry, der neben ihr saß, wollte gerade etwas sagen, da sah er, wie eine wunderschöne Elfe auf ihn zuschwebte, und mit ein Mal spürte er einen schmatzenden Kuss auf seinen Lippen.
Total irritiert sprang er auf, doch einen kräftige Hand drückte ihn auf seinen Stuhl zurück und eine Stimme, klar und rein, flüsterte ihm zu: „Genieße die Zeit hier, morgen ist alles anders!“
(c) Karl-Heinz Ganser
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