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November 2002
Drei Worte, die einen Satz bilden
von Sebastian Spengler


Glauben Sie, daß man das Leben eines Menschen durch nur einen Satz verändern kann? Nein? Genau das hätte ich vor einer Stunde auch noch geantwortet. Aber ein alter Mann hat mich eines Besseren belehrt. Er hatte stechende Augen, die mich zu durchbohren schienen. Dann sprach er mit seiner rauhen Stimme Sie sind tot. Die Worte sprach er ohne besondere Betonung. Einfach nur Sie sind tot. Sofort war mir klar gewesen, daß er recht hatte. Schon als ich ein Kind war wußte ich, daß ich eines Tages etwas besonderes sein würde. Vielleicht denkt das jedes Kind von sich, aber ich wußte es. Wußte es, aber nicht inwiefern ich besonders sein würde. Sie sind tot. Ich war gestorben ohne es zu merken. War am nächsten Morgen einfach aus dem Bett gestiegen, ohne zu wissen, daß ich tot war. Aber der alte Mann hatte es gewußt. Sie sind tot. Natürlich habe ich vor einiger Zeit bemerkt, daß ich meinen Puls nicht mehr finden kann, dachte mir aber nichts dabei, denn wer kann schon seinen Puls finden? Eigentlich doch kaum jemand. Sie sind tot. Ein schrecklicher Gedanke kam mir in den Sinn: Konnte es nicht sein, daß vielleicht viele Menschen starben, ohne es zu wissen? Liefen nicht vielleicht tausende von toten Menschen durch die Straßen der Städte und Dörfer? War ich vielleicht nicht besonders, sondern einfach nur einer von vielen? Einer von vielen, die den alten Mann trafen? Sie sind tot. Ich wußte es nicht und konnte mir auch nicht vorstellen, wie ich es herausfinden könnte. Um ehrlich zu sein: es interessierte mich auch nicht mehr. Mittlerweile war mir alles egal. Sie sind tot. Gleich würde ich in mein Haus gehen und da bin ich jetzt auch. Zur Zeit sitze ich auf meinem Bett und schreibe Ihnen mein Erlebnis auf. Schon gleich nachdem ich es zu Ende geschrieben habe, werde ich den Notarzt anrufen und sagen es handele sich um einen Notfall. Nicht mehr und nicht weniger! Sie sind tot. Nachdem ich den Notarzt angerufen habe, werde ich mich auf das Bett legen. Dieses Blatt werde ich, wie Sie wohl schon bemerkt haben, unter den Schrank schieben. Der Notarzt wird dann auch bald da sein. Nach mehrmaligem erfolglosem Klingeln wird er wohl die Polizei verständigen, welche wohl die Tür aufbrechen wird. Aber das kann mir egal sein. Sie sind tot. Das wird wohl auch der Notarzt feststellen. Wie es wohl ist lebendig begraben zu werden? Sie sind tot. Bald werde ich es wissen. Werde ich leiden? Wahrscheinlich ja. Ich werde mich wohl auch langweilen. Pech gehabt! Hätte ich es doch nur bemerkt, als ich gestorben bin. Dann wäre ich jetzt tot! Sie sind tot. Ich habe mich bereits entschlossen und werde mich auch nicht mehr um entschließen. Jetzt werde ich den Notarzt anrufen. Der wird mich in das dunkle, kalte, ungemütliche und einsame Grab schicken. Und warum das alles? Ja, warum? Doch nur wegen drei Worten, die einen Satz bilden:
Sie sind tot.

© Sebastian Spengler

Letzte Aktualisierung: 26.06.2006 - 23.29 Uhr
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