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November 2002
Klippen der Sehnsucht
von Manuela Tengler


Seit zwei Tagen war Catherine nun in Irland. Richtig zünftig hatte sie sich in einem alten Herrenhaus eingebucht, dass in der Nähe der Cliffs von Moher angepriesen worden war.
”Träumten Sie als Kind davon, wie eine Prinzessin zu leben? Dann sind Sie im – House of Longing – genau richtig. Unser Hausgeist Mc Dunkin wird Sie begleiten. Stilvolles Ambiente, Leben wie zu den alten Zeiten.”

Lächelnd dachte sie an ihre Anreise zurück. Der Taxifahrer hatte ahnungslos mit den Schultern gezuckt, als sie ihm die Adresse des Herrenhauses gesagt hatte.

Kaum war das Taxi weg, zog Nebel auf. Fröstelnd nahm Catherine ihre Tasche und trat ein. Das große Tor schloß sich knarrend.

”Hallo, ist da jemand?”, rief sie neugierig und ging weiter. Keine Reaktion. Sie befand sich allein inmitten der großen Halle. Unschlüssig stellte sie ihre Tasche ab.
”Ich bin Catherine Mc Leod. Ich habe bei Ihnen ein Zimmer gebucht,” versuchte sie es lauter. Sie erschrak über ihre Stimme, die in der Halle noch lauter als sonst klang.
Kandelaber mit frisch angezĂĽndeten Kerzen standen quer durch die Halle in zwei Reihen. Neugierig schritt sie durch den Kerzenpfad, der an der TĂĽr eines Salons endete.

Schwere burgunderrote Vorhänge hingen neben meterhohen Fenstern. Ein Eichentisch stand in der Mitte des Raumes. Ein gemütliches Feuer knisterte im Kamin, ein Geruch von Moschus und Zimt verströmte seinen Duft. Sie zog ihre Jacke aus, legte sie auf einen Lehnstuhl und setzte sich auf den Boden. Sie rieb die Hände vor dem Kamin und beschloss zu warten. Spätestens zum Abendessen musste ja das Personal wieder da sein.

Wenig später drehte sie sich überrascht um. Es roch nach Huhn. Sie stand auf und starrte auf einen Eichentisch, der wie aus Zauberhand plötzlich gedeckt war. Zögernd griff sie nach der Gabel. Sie hatte niemanden gesehen, niemanden gehört. Hungrig begann sie zu essen und trank einen köstlichen Wein.

Wenig später legte sie sich vor den Kamin und gab der Müdigkeit einfach nach.

Als sie wieder erwachte, war es Morgen. Ein verführerischer Duft von frischem Kaffee und Toast strömte durchs Zimmer. Verwundert stand sie auf.
Am Tisch war bereits das FrĂĽhstĂĽck serviert worden. Das ist doch verrĂĽckt, dachte sie, doch der Hunger siegte ĂĽber ihre Bedenken. Beherzt biss sie in einen Toast.

Wenig später strich sie verärgert über ihre Bluse. Ein Marmeladenfleck. Sie stand auf und ging in die Halle hinaus. Doch die Tasche war verschwunden. Stattdessen lag auf einem Tisch ein Schlüssel.

Sie griff danach und schritt die Treppen hinauf. Nicht weniger als zwölf Türen, doch bei den ersten Türen passte der Schlüssel nicht. Leicht verärgert probierte sie die nächsten Türen, bis es bei der vorletzten Tür endlich knarrte. Neugierig stieß sie die Tür auf. Das Zimmer war in einem Farbton gehalten, die Wände und Schranktüren mit rubinroten Samt bezogen. Sie strich bewundernd über die Schranktüren. Ihre Tasche stand neben dem Bett, leer. Dann bemerkte sie ihre Kosmetika auf einem Spiegeltisch. Nicht wirklich überrascht schaute sie in den Schrank, wo ihre Kleidung tatsächlich ordentlich eingeräumt war. In einem hatte die Werbung nicht übertrieben: der Service war perfekt.

Sonnenstrahlen fielen ins Zimmer. Ein herrlicher Blick bot sich ihr, als sie aus dem Fenster blickte. GrĂĽne Wiesen bildeten einen starken Kontrast zu den weiĂźen Klippen. Ein Schatten ĂĽberzog fĂĽr einen Augenblick die KĂĽste.
”Hilf mir!”, ertönte eine leise Stimme. Catherine beugte sich aus dem Fenster, doch sie konnte niemanden sehen.
”Hallo, wo sind Sie?”, rief sie zurück, erhielt aber keine Antwort.
Am Rande der Klippen stand ein Mann, als er plötzlich das Gleichgewicht verlor und hinabstürzte.
”Nein, oh Gott!”, entfuhr es Catherine. Entsetzt eilte sie aus dem Zimmer und rannte über die Treppen aus dem Haus hinaus.

Atemlos lief sie weiter zu den Klippen. ”Ich komme. Halten Sie durch!” Sie blieb knapp vor der Klippe stehen und blickte hinunter. ”Wo sind Sie?”
”Hier!”
Catherine erschrak. Sie lief einige Meter weiter nach links, wo sie die Stimme vermutete.
”Bleib stehen! Die Klippen!”, warnte er, doch sie verlor das Gleichgewicht und strauchelte. Sie griff ins Leere, doch da war etwas. Eine Hand hielt die ihre fest und zog sie zurück.
”Ich spiele nicht Verstecken! Entweder zeigen Sie sich oder ich gehe wieder!”
”Bleib!”, bat eine Männerstimme, unmittelbar hinter sich. Sie konnte seinen Atem an ihrem Nacken spüren. Zögernd drehte sie sich um. Doch niemand war zu sehen.
”Ich brauche Urlaub!”, flüsterte sie.
”Ich tue dir nichts. Ich hab dir geholfen”, sagte die Stimme. ”Komm zum Abendessen, dann kannst du mich kennen lernen!”

Sie schüttelte ungläubig den Kopf und lief zum Haus zurück. Mit klopfendem Herzen blieb sie im Zimmer stehen, schob die Kommode vor die Tür. Falls ihr Retter wirklich ein Gespenst war, ließ es sich von einer wurmstichigen Kommode sicher nicht aufhalten. Sie schob die Kommode wieder an ihren alten Platz zurück.

Nervös wanderte sie in ihrem Zimmer umher. Weglaufen? Ja, drängte ihre innere Stimme. Es war unglaublich, aber sie war eher entschlossen, herauszufinden, wer dieses Gespenst war. Immerhin hatte es ihr das Leben gerettet. Wollte es ihr was Böses tun, hätte es das schon längst getan?

Als der Abend hereinbrach, griff Catherine in den Schrank. Feiner Taft knisterte in ihren Händen. Ein Kleid in den Farben des Meeres hing im Schrank. Bezaubert griff sie nach dem Kleid und zog es kurz entschlossen über. Eine eigenartige Stimmung erfasste sie.
Mit glänzenden Augen und offenem langem Haar ging sie die Treppen hinunter. Am letzten Treppenabsatz roch sie wieder diesen Duft aus Moschus und Zimt.
”Hallo,” sagte sie leise. ”Entschuldigen Sie mein Benehmen vorhin, ich hab mich noch gar nicht bedankt. Aber immerhin hat mich auch noch nie ein Gespenst gerettet,” fügte sie hinzu. Sie lächelte die Luft an, doch in diesem Moment hakte sich ein Arm bei ihr unter und führte sie in den Speisesaal. Sie ertappte sich dabei, nach links zu sehen, doch da war nichts. Aber sie spürte seine Hand, seine Bewegungen, während sie die Treppe hintergingen.

Sie speisten wortlos, während sie fasziniert zusah, wie er mit unsichtbarer Hand sein Glas erhob und ihr zuprostete.
“Ich habe noch nie ein Gespenst gesehen! Entschuldigen Sie meine Neugier. Wie lange ... spuken Sie schon?”
Ein leises, dunkles Lachen ertönte. “Ich bin weder ein Geist noch ein Gespenst. Mylady, Sie haben eine blühende Fantasie!"
Catherine schwieg verwirrt. Etwas in seiner Stimme weckte Erinnerungen in ihr. Sie sehnte sich danach, in seinen Armen zu liegen und den herben Duft zu riechen. “Tanzen Sie?”, fragte sie hoffnungsvoll.
Der Sessel ihres unsichtbaren Begleiters wurde nach hinten geschoben. Er zog sie hoch und begann mit ihr zu tanzen.

Sie spĂĽrte seine Hand auf ihrem RĂĽcken. Sie lehnte sich an seine Brust, roch ihn und wĂĽnschte sich nichts sehnlicher, als ihn zu sehen.

Ihr Blick fiel auf einen groĂźen Wandspiegel, den sie gestern Abend nicht bemerkt hatte. Vielleicht war es ein magischer Spiegel, der ihr das Gespenst zeigen konnte?

Atemlos vor Anspannung wartete sie auf die nächste Drehung. Ihr Herz machte einen Sprung, als sie blaue Hosen, ein dunkles Jackett und braune Haare erkennen konnte. Eben wollte sie sein Gesicht sehen, da entfuhr ihr ein entsetzter Schrei. Der Spiegel zeigte ihn, aber sie verschwand. Ihre Konturen verblassten, bis sie ganz verschwunden waren. “Wo bin ich?”, rief sie erschrocken.
Ihr entging nicht, wie gutaussehend ihr Hausgespenst war, doch das gerade Erlebte nahm ihr fast den Verstand.
Er verbeugte sich tief vor ihr. “Lady Catherine Mc Leod, ich danke Euch. Ihr habt mich von meinem Fluch erlöst. Die Sehnsucht einer Frau sollte mich befreien aus meiner Gefangenschaft. Nun seid Ihr es, die einen Retter braucht. Ich gebe Euch einen Tipp – vergesst eine Urlaubswerbung mit Hausgeist - das wirkt bei Männern wohl nicht so wie bei Damen!”

© Manuela Tengler

Letzte Aktualisierung: 26.06.2006 - 23.23 Uhr
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