Sagen Sie nicht, dass Sie nicht an Geister glauben. Die Frage ist nicht, ob es Geister gibt, sondern mit wievielen Sie tun haben, lieber Freund. Erinnern Sie sich! Als sie einmal nachts alleine mit dem Auto unterwegs waren und einen Reflex im Rückspiegel sahen, da haben Sie sich umgedreht und nachgeschaut, ob auf der Rückbank jemand sitzt. Sie haben den Geist nicht gesehen, doch er war da. Glauben Sie es mir. Wenn Sie von einem Geräusch geweckt werden und etwas Schemenhaftes in der Ecke Ihres Schlafzimmers entdecken oder in der Nähe des Stuhls, auf dem Sie Ihre Sachen abgelegt haben, dann ist das ein Geist. Wenn Sie sich in der Fußgängerzone, im Kaufhaus oder in der U-Bahnstation ohne Grund umdrehen müssen und dann bemerken, dass Sie jemand aus weiter Entfernung anstarrt, dann ist das sogar Ihr Geist. Auch Sie haben ihren privaten Geist. Einen bösen Geist. Es gibt nur böse Geister. Manche nennen sie Dämonen, ich nenne sie lieber Geister. Es sind Wesen, die Sie Ihr ganzes Leben lang begleiten. Was glauben Sie denn, warum Sie als Kleinkind nachts immer so geschrien haben, oder was meinen Sie, warum Ihr Kind nachts immer so schreit? Weil es Hunger hat? Bei Asmadian, dass ich nicht lache! Nein, weil es Angst hat vor dem bösen Geist, der sich gerade vorstellt. Geister ernähren sich von Ihrer Angst, mein Freund. Die negative Energie ist es, die ihn ernährt. Wenn Sie wütend sind oder wenn Sie Angst haben, dann ist er da. Aber es ist nicht wirklich so einfach, denn Geister sind komplizierte Wesen. Für sie ist weder im Himmel noch in der Hölle Platz. Ich weiß es genau. Gut, Himmel und Hölle sind ungewisse Konstruktionen, es gibt keine Garantie, dass sie existieren, böse Geister hingegen gibt es in jeder Kultur, selbst auf den abgelegensten Inseln Ozeaniens, dort wo man weder eine Vorstellung von Gott oder Teufel hat, werden Rituale zur Besänftigung der bösen Geister abgehalten. Aber warum erzähle ich Ihnen das? Sie wissen es sowieso schon. Sie kennen wahrscheinlich Ihre Geister. Wissen Sie auch, wie man sie ruft? Spiritistische Sitzungen sind Unsinn. Ihre Geister rufen Sie nur durch Ihre Gedanken herbei. Ihre Angst und Ihr Schrecken sind die Gedanken, von denen sich Ihr Geist ernährt, mein Lieber und durch den Gedanken an den Namen Ihres Geistes rufen Sie Ihn herbei. Ich muss Sie nun warnen, mein Freund. Wenn Sie weiterlesen, dann könnte es sein, dass Sie heute nacht meinen Geist herbeirufen. Ich sage nicht, dass mir das leid täte, könnte ich dann doch wenigsten einmal eine ganze Nacht lang schlafen, ohne von der furchtbaren Stimme geweckt zu werden. „Endlich wach!“ Und dann bewegt sich ein formloser Schatten um mein Bett. Manchmal sitzt er auf meiner Brust oder liegt neben mir. Und kreischt: „Endlich wach!“ Tausendmal habe ich das schon erlebt, aber die Angst wird nicht weniger. Ich rolle mich dann wie zu Kinderzeiten mit dem Gesicht nach unten in meine Decke ein und warte, bis er satt ist und weiterzieht. Ich kann mit ihm nicht reden, er würde mir nichts sagen. Glauben Sie mir, einen bösen Geist zu nähren ist keine Sache, die man sich wünscht. Manchmal macht er andere Geräusche, die von dem letzten Atem gefallener Soldaten oder verhungernder Kinder stammen könnten. Es klingt verrückt, aber ich glaube, dass er dann singt. Ich denke, wenn ich keine Angst hätte, dann hätte er keine Nahrung und müsste sich andere Wirte suchen, doch ich kann nichts gegen meine Angst machen. Warum berichte ich das alles werden Sie sich vielleicht fragen. Ich kann Ihnen keine Antwort darauf geben, mein Freund. Ich muss es tun. Letzte Nacht war es wieder ganz besonders schlimm, denn er war dreimal da. Er muss erfahren haben, dass ich Ihnen, mein Freund, einen solchen Bericht vorzulegen habe. Ich vermute, der Geist möchte, dass ich seinen Namen in diesem Bericht erwähne. Denn dann würden Sie an meinen Geist denken und wer weiß, vielleicht sitzt er heute abend schon auf dem Rücksitz Ihres Autos. Mit Sicherheit würde er Sie allerdings heute nacht besuchen. Nein, ich denke, er würde genau in dem Augenblick, in dem Sie seinen Namen lesen schon hinter Ihnen stehen. Sie hätten vielleicht das Gefühl, dass Ihnen ein böser Geist von hinten seinen Kopf auf die Schulter gelegt hat. Vielleicht würden Sie auch einen ganz leisen Lufthauch an Ihrem rechten Ohr spüren. Glauben Sie mir, mein Freund, wenn Sie dieses Gefühl haben, dann dauert es nicht mehr lange bis er zu Ihnen spricht. Aber machen Sie sich keine Sorgen, ich werde seinen Namen nicht nennen, auch wenn mein böser Geist, der gerade in diesem Moment hinter mir steht und seinen Kopf auf meine Schulter gelegt hat, ihn mir mittlerweile pausenlos ins Ohr brüllt. Drehen Sie sich nicht um, zeigen Sie ihm nicht, dass Sie sich fürchten, denn sonst sind Sie und Ihre Angst bis zum Ende Ihres Lebens seine Nahrung.
Nehmen Sie sich in acht, mein Freund!
ich habe den text oben um meinen namen erweitert, denn so konnte ich ihn nicht lassen. ich wünsche dir noch einen guten nachhauseweg und eine friedliche nacht, mein freund. wenn du an mich denkst, werde ich dich bestimmt besuchen und vielleicht werde ich sogar singen. bis später, A.