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Dezember 2002
Sonne, Mond und Känguruh...
von Jörg Luzius


Hier in Oberbayern kennt man, sowie in vielen anderen Gegenden Deutschlands auch, noch die schöne Tradition des Laternenumzuges am St. Martinstag. Und wie überall anders auch hält sich der Katastrophenschutz in ständiger Alarmbereitschaft. Die Anwohner, der Umzugs gefährdeten Straßenzüge, prügeln sich um die „Last minute“ Angebote der örtlichen Reisebüros, welche den sonst üblichen Preis, saisonbedingt um ein Vielfaches überschreiten. Weniger Betuchte hingegen überfallen ihre Verwandtschaft mit der frohen Kunde, dass man sich endlich entschlossen habe, die freundliche Einladung zum Abendessen anzunehmen. Und für den Fall dass es etwas später werden sollte habe man auch gleich einen Pyjama und eine Zahnbürste eingepackt. Darauf, dass es später wird, kann man sich im allgemeinen ebenso sehr verlassen, wie auf die Tatsache, dass die dergestalt Überraschten, sich an die Einladung nicht mehr so recht zu erinnern vermögen - geschweige denn daran mit dem ihrem lieben Gast verwandt oder auch nur bekannt zu sein. Wer gerade keine, in sicherer Wohngegend lebenden Verwandten zur Hand hat, verbringt den Abend in der Kneipe oder versorgt mit einer Packung Oropax, die Decke über den Kopf gezogen, im Bett.
Eine dritte Gruppe allerdings ist dem alljährlichen Drama schutzlos ausgeliefert: Die Eltern.
Zwar verfügt der Haushalt des Verfassers noch über keinerlei eigene Kinder, doch hat er bei Bedarf Gelegenheit auf seine Schwester zurückzugreifen um die Freuden des St. Martin Umzuges in allen seinen Facetten hautnah zu erleben; inklusive Planungsstadium, Familienkrise und Generalprobe.
Besagte Schwester ist in Punkto Kindern, mit zwei 7 bzw. 4 Jährigem Nachwüchsen in gebrauchsfertigem Laternenalter, nebst zugehörigem Ehemann bestens ausgestattet.
Im Gegensatz zu ihr jedoch, besitzt der Verfasser den unschätzbaren Vorteil, das Recht für sich in Anspruch nehmen zu können, bei Zuspitzung der Ereignisse unangekündigt die Flucht zu ergreifen und sich ins nichtchristliche Ausland abzusetzen. Jedwede Versuche der obengenannten (unbewiesener maßen) angeblichen Verwandten ersten Grades, Selbiges zu tun und ihren Anhang zuvor, in einer Nacht und Nebel Aktion bei jenem Manne abzuladen, von welchem sie aus unerfindlichen Gründen behauptet seine Schwester zu sein, konnten bislang erfolgreich abgewehrt werden.

Das Drama wird traditionsgemäß eröffnet in einem Rundschreiben der „Franz – Joseph – Strauß – Gedächtnis Schule“ ehemals „Schule der dreifaltigen Scheinheiligkeit“, an die Eltern:

„Liebe Eltern!
Wie in jedem Jahr findet auch diesmal wieder der gemeinsame Laternenumzug, von Grundschule und Kindergarten der F.J.S. Gedächtnis Schule statt. Im Zuge eines reibungslosen Ablaufes hat die Schulleitung, gemeinsam mit dem Elternbeirat, sowie Polizei und Feuerwehr folgenden Ablauf festgesetzt:
16:30 Versammlung aller Umzügler auf dem Schulhof des Geländes der F.J.S.G.S.
17:00 Eingetretene Dunkelheit
17:05 Die Begleitpersonen der Kindergarteninsassen werden angehalten ihre Anvertrauten noch einmal auf die Toilette zu begleiten. (etwaige Ausreden wie „Ich muss aber gar nicht“ sind zu ignorieren)
17:20 Aufstellung in Zweierreihen.
17:30 Ansprache des Schulrektors.
18:00 Wecken der Eingeschlafenen und zurücktreiben weinender und schreiender Kinder ins Glied.
18:14 Laternen an.
18:15 Abmarsch.
18:17 Anstimmen des ersten Liedes (die exakte Reihenfolge des ausgewählten Liedgutes entnehmen Sie bitte der beigefügten Liste)
19:00 Erreichen des Marktplatzes. 15 min. Pause. Die Zeit steht zur freien Verfügung.
Anschließend haben Sie Gelegenheit zur freiwilligen Teilnahme an einer
Verkaufsveranstaltung, bei welcher Adventskränze angeboten werden, die von den
Werkgruppen der Klassen 2a und 2b gebastelt wurden. Von dem Erlös plant die Schule
die Anschaffung eines neuen Schwarmes Zierfische für die Aula, da der letzte in
böswilliger Absicht von unbekannten Frevlern gestohlen und im Kofferraum des Wagens
des Rektors versteckt wurde. Fürderhin sollen die Kosten, für die bislang benötigten 62
Duftbäume in besagtem KFZ, durch den Erlös erstattet werden.
20:00 Versammeln und Rückzug.
20:00 Ankunft auf dem Schulhof
21:05 Abzählen der Teilnehmer
21:15 Abschlussansprache des Rektors. (Wir weißen darauf hin, dass die Schultore, aufgrund
der Erfahrungen der vergangenen Jahre, bis zur Beendigung der Rede fest verschlossen
bleiben. Das engagierte Wachpersonal hat Anweisung jedweden Ausbruchsversuch,
notfalls unter Anwendung von Gewalt zu verhindern.
21:45 Auflösung der Versammlung

Um zahlreiches Erscheinen wird gebeten.
Herzlichst
Das Rektorat der F.J.S.G.S.


Hierauf reagieren sensible Eltern für gewöhnlich mit ersten Anzeichen von Juckreiz, Schluckauf und innerer Unruhe.
Das Schreiben wird nach althergebrachter Tradition im hintersten Winkel einer Küchenschublade verstaut und solange erfolgreich verdrängt, bis der quengelnde Nachwuchs dezent auf das bevorstehende Großereignis aufmerksam macht:
„Wann basteln wir die Laternen?! Ich habe noch keine Laterne! Mami, Mami.... Was ist mit meiner Laterne! Ich will meine Laterne.....“
Nach spätestens zwei Tagen erfolgt die Kapitulation selbst hartgesottenster Mütter. Unter einem Schluckaufanfall, der sich mittlerweile zu dem tosenden Geräusch einer defekten Klospülung ausgewachsen haben dürfte, werden die diensthabenden Elternteile zum nächsten Schreibwarenhandel oder Supermarkt gezerrt um alles Nötige zu besorgen, was für den Bau von St. Martinslaternen benötigt wird.
Auf dem Nachhauseweg, sieht man schnell noch in einer Apotheke vorbei, um ein Mittel für diesen entsetzlichen Ausschlag zu erwerben, und dann kann die Bastelei eigentlich auch schon losgehen.

So in etwa hat es sich im Hause meiner entfernten Verdachtsverwandten auch in diesem Jahr wieder abgespielt.
Unter Einbeziehung sämtlicher Möbel, des neuen Teppichbodens sowie dreier Tuben Klebstoff entstanden erste unbrauchbare Probemodelle.
Der gesetzlich angetraute Vater betrat das Schlachtfeld um 16:15, kämpfte sich durch die Berge von Karton, Holzlatten und Seidenpapier und sah mit einem Blick, dass erfahrene väterliche Hilfe dringend von Nöten war.
Seinen Pflichten als Erzeuger dieser kreativ tätigen jungen Menschen nachkommend, machte er sich daran den Quell seiner Erfahrung, über die noch junge und unerfahrene Generation auszuschütten. Zumal seine Gattin in vorsorglicher Voraussicht die Tür verschlossen und die Schlüssel an sich gebracht hatte.
Wer von den verehrten Lesern, bislang noch nicht in die missliche Lage kam, selbst eine St. Martinslaterne basteln zu müssen, dem sei hiermit erklärt, dass man in früheren Zeiten Kerzen in deren Mitte platzierte um all die schönen Sterne, Monde, Engel etc. aus Seidenpapier von innen her zu erleuchten und die nähere Umgebung mit vorweihnachtlichem Festglanz zu erhellen.
Da aber Kinder im Vor- und Grundschulalter gelegentlich dazu neigen, die zuvor so liebevoll gestalteten Laternen, mit zunehmender Müdigkeit immer achtloser zu behandeln, ist man in den letzten Jahren dazu übergegangen die Kerzen, zumindest für die Kleineren durch Batterie betriebene Glühbirnen zu ersetzen. Zumindest seit dem Großbrand am St. Martinstag von vor drei Jahren, dem die Alfred Gerer Gesamtschule zum Opfer fiel, sowie zwei benachbarte Wohnhäuser, ist die Benutzung von echten Wachskerzen für Laternen auf dem Gelände der F.J.S.G.S. strengstens untersagt. Obgleich angemerkt werden muss, dass der Sachverhalt um die zwei im Keller des abgebrannten Schulhauses gefundenen leeren Benzinkanister, noch immer nicht zweifelsfrei aufgeklärt werden konnte.
Somit benötigt der Durchschnittsvater nicht nur handwerkliches sondern auch elektrotechnisches Talent zur Erschaffung eines befriedigenden Ergebnisses.
Unser besagter Vater jedenfalls, nach eigenem Dafürhalten mit Beidem reichlich ausgestattet, hatte sich bereits damit abgefunden, an diesem Tag - zumindest teilweise - seinen Feierabend zu opfern und machte sich daran die Aktion zu koordinieren, um die ganze Sache in den nächsten ein bis zwei Stunden über die Bühne zu bringen.
Kurz und gut gegen 23:30 waren die Planungsvorbereitungen abgeschlossen und die eigentliche Arbeit konnte beginnen. In spätestens 3 stunden, würden die beiden Laternen fix und fertig, bereit zum Einsatz als vorweihnachtliche Freudenspender, fertiggestellt sein.
Als Letzter hatte der 4 Jährige Florian noch an seiner Seite ausgehalten. Alle anderen Teammitglieder, wurden, unter mehrmaligen Ermahnungen, ihre inkompetenten Äußerungen doch bitte für sich zu behalten, (...und überhaupt, was hätten sie sich in die ganze Angelegenheit einzumischen?!) hinaus geworfen.
Florian wurde, bevor auch er ins Bett geschickt wurde noch eben gefragt ob er besondere Wünsche anzumelden hätte betreffs des Designs. Vielleicht einen Kometen mit Schweif, oder einen Weihnachtsmann oder so etwas ...
„Will ein Känguru!“ war auch gleich die prompte Antwort.
Besagter Vater, mit engelsgleicher Geduld ausgestattet, begann mit seinem Sprössling eine Diskussion über Sinn und Unsinn der Verwendung von Kängurus bei St. Martins Laternen, die ergebnislos um ca. viertel vor Eins endete. Kompromissangebote, wie zum Beispiel der Stall von Bethlehem oder ein Rentierschlitten etwa, scheiterten an der unnachgiebig starren Haltung der gegnerischen Partei. Nach dem alle diplomatischen Mittel ausgeschöpft waren, einschließlich Taschengelderhöhungen, Ohrfeigen, Fernsehentzug und Vernunftsapelle wurde der Störfaktor zu Bett geschickt, welcher jedoch hartnäckig statt des üblichen Gute Nacht Grußes auf seinem „Will ein Känguru!“ beharrte.
Nun, da alle an der Operation „Laternenbau“ Unbeteiligten entfernt worden waren, konnte der schöpferische Akt endlich beginnen.
Kurz vor Morgengrauen schließlich nahm die Mutter des Vertreters der Interessengemeinschaft „Känguru“ wahr, wie der, ihr angetraute Ehegatte neben ihr ins Bett fiel; die nicht eben gänzlich unberechtigte Frage grummelnd, warum diese verdammten Bälger, ihre ebenso verdammten Laternen eigentlich nicht selber basteln können, bevor er erschöpft einschlummerte.

Geweckt wurde er nach viel zu kurzem Schlaf von einer lautstarken Doppelsirene welche in ihrem durchdringenden Ton Katastrophenalarm der höchsten Alarmstufe ankündigte.
Beide Elternteil sprangen in höchster Panik aus dem Bett, kämpften sich durch die Überreste der Schlacht der vergangenen Nacht und erreichten Schließlich das Wohnzimmer. Dort wurden sie ihr beiden Kinder ansichtig, welche in Tränen aufgelöst, vor zwei windschiefen, kaum identifizierbaren Skulpturen standen, die entfernt irgendwie an Laternen erinnerten, vorausgesetzt man verfügt über ein großes Maß an Vorstellungskraft und Fantasie.
„Mann“ sprach die Mutter der beiden Häufchen Elend. „Bringst Du es nicht einmal fertig, deinen Kindern so etwas läppisches wie St. Martinslaternen zu basteln?“
In der Tat, nun bei hellem Tageslicht betrachtet, musste sich der Bastelkönig, wenn auch widerwillig eingestehen, dass die beiden Schöpfungen, welche mit den übermüdeten Augen der letzten Nacht betrachtet, noch wie die Krone der Laternengeschichte wirkten, doch ein oder zwei kleinere Konstruktionsmängel aufwiesen.
Die Kinder wurden ungeachtet ihrer lautstarken Proteste in die Schule und somit aus dem Weg geräumt, und ihre Mutter richtete alsdann erneut das Wort an diesen Rabenvater: „Sieh gefälligst zu, dass deine Kinder vernünftige Laternen bekommen! Oder glaubst Du vielleicht ich möchte mich vor den anderen Eltern unsterblich blamieren und mir sagen lassen müssen, ich sei mit einem Versager verheiratet, der es nicht einmal fertig bringt seine Kinder mit einigermaßen passablen St. Martinslaternen auszustatten?! Es sei denn Du gehst mit ihnen zum Umzug...“
„Auf gar keinen Fall!“ entfuhr es ihm sofort. „Frau, verlass dich darauf. Sie sollen ihre verdammten Laternen haben! So wahr ich Günther heiße“
Befriedigt nahm seine Göttergattin diese Worte zur Kenntnis. Dass ihr Mann sonst eigentlich Klaus genannt wurde, war ihr im Augenblick entfallen.
„Ich werde sofort im Büro anrufen und mich krank melden. Und dann sollst Du mal sehn! Ich werde ihnen die schönsten Laternen in die Hand drücken die du je gesehen hast.“
Entschlossen griff er zum Telephonhörer.
„Und? Wie war’s? Was hat Dein Chef gesagt?“ fragte sie wenige Minuten später als er bei ihr in der Küche erschien.
„Ich habe nur seine Sekretärin erreicht. Der Chef selber war außer Haus. Er hat sich für heute frei genommen. Muss für seinen Sohn eine St. Martinslaterne bauen. Frau Preuschoff hat mir dringend davon abgeraten ihn zu Hause anzurufen und ihn zu stören. Er sei absolut übelster Laune meinte sie. Ehrlich! Dass manche Leute wegen jeder Kleinigkeit gleich unausstehlich werden....“
„Nun gut, dann kannst Du dich ja wieder an die Arbeit machen.“
„Ach, halt die Klappe!“

Schließlich tat Klaus, was jeder halbwegs handwerklich begabte und liebende Vater tat. Er ging ins nächste Kaufhaus um zwei Laternen zu erstehen.
Der geplante Kurzaufenthalt bei „Zahl und weg“ entwickelte sich jedoch sehr schnell zu einer Odyssee durch die ganze Stadt, sowie die umliegenden Gemeinden. Zum Einen waren Laternen, so kurz vor St. Martin nahezu überall ausverkauft. Sämtliche einschlägigen Geschäfte und Warenhäuser wurden von einem wilden unkontrollierbaren Mob „kranker“ Väter umlagert. Das Faustrecht regelte längst die Verteilung der spärlichen Vorräte, während der Kurs für St. Martinslaternen schwindelerregende Höhen erreichte. Zum Anderen erschwerte die Bedingung „Känguru“, die Suche nicht unerheblich.
Bei einem Händler für ausgefallene Überseewaren, im benachbarten Österreich, wurde er dann gegen Ende des dritten Tages schließlich fündig.
Gerade noch rechtzeitig erreichte das nervöse Wrack, das nur noch von weitem menschenähnliche Züge aufwies, das heimische Wohnzimmer, in dem seine Brut, nebst wutentbrannter Mutter ungeduldig seiner harrte.
“Das ist ja mal wieder typisch!“ fuhr letztere ihn an. „Wir sitzen hier wie auf Kohlen, und der Herr treibt sich sinnlos in der Gegend herum!“
Nun aber kam für ihn der lang ersehnte Augenblick des Triumphes. Mit kaum zu unterdrückendem Stolz präsentierte er den Versammelten seine Beute. Sollten sie nur sehen, was er für ein großartiger Vater war. Vor Freude würde das liebliche Gesichtchen des kleinen Florian strahlen, wenn er erst des Kängurus ansichtig werden würde, das groß und gelb auf einer der Laternen prangte.
Sich seiner hervorgehobenen Stellung, als treu sorgender Familienvater durchaus bewusst, überreichte er seinem Sohn seine Laterne.
Die Heultirade, welche darauf hin losbrach, übertraf an Phonstärke und Eindringlichkeit alles bisher dagewesene.
"Das soll ein Känguru sein!?“ brachte der Kleine stoßweise unter seinen Tränen hervor. “Das hat ja gar keine Flügel! Und einen Heiligenschein hat es auch nicht! Warum hat meine Laterne nicht so ein Känguru wie die von Jaqueline ?!?“
Der Rest seiner Klage ging in gurgelndem Geräusch unter. Der treu sorgende Vater hatte nämlich in Zwischenzeit mit dem traditionellen, alljährlichem Kindswürgen begonnen.
Nur durch das beherzte Eingreifen der Mutter konnte Schlimmeres verhindert werden.
„Ist doch wahr...“ wetterte sie nicht ganz zu Unrecht, wie er sich eingestehen mußte. „Nicht einmal so etwas einfaches wie eine vernünftige Laterne zu kaufen, bist Du im Stande. Ich frage mich manchmal wirklich, warum ich dich überhaupt geheiratet habe!“
Damit verschwand sie samt Kinder und Känguru zur Tür hinaus.

Der Laternenumzug war ein voller Erfolg. Der aufgestellte Zeitplan wurde in strammem Marschschritt eingehalten. 97 Lieder wurden der Stadt dargeboten, und nur zwei Selbstmorde manisch Depressiver wurden in den folgenden Tagen bekannt, welche sich des dargebotenen Kunstgenusses nicht gewachsen gezeigt, und sich in ihren hellhörigen Neubauwohnungen erhängt hatten. In der Schillerstraße, kam es zwar zu einem kurzen Zusammenstoß mit einem rivalisierendem Umzug. Die auf Grund der unvermeidlichen Schlägerei eingetretene Verzögerung im Zeitplan, konnte durch erhöhtes Marschtempo und kürzere Pausen jedoch wieder wett gemacht werden. Zwar hatte sich unter den Kindern und Eltern der 2a, kurzzeitig eine kleine Gruppe abgespalten, welche noch dazu, überwiegend, mit verbotener maßen echten Kerzen ausgestattet war um sich an der Servicetheke einer nahegelegenen Tankstelle aufzuwärmen. Dabei wurde ein Auto in Brand gesteckt, dessen Besitzer gerade mit Tanken beschäftigt war und erschrocken den Einfüllstutzen fallen ließ, als ihm mit gewaltiger Lautstärke und unter Zuhilfenahme mindestens vier verschiedener Melodien, ein wütendes „Laterne, Laterne!“ entgegen geschleudert wurde. Ansonsten aber verlief der Abend ohne nennenswerte Zwischenfälle.
Beim planungsgemäßen Abzählappell um 21:05 Uhr, hatte sich die Zahl der Kinder zwar unerklärlicherweise um zwei erhöht, und auch ein nochmaliges Durchzählen brachte keine Veränderung an dem Ergebnis, doch würde man auch diese Beiden irgendwo unterbringen.
Ein erster Versuch sie der Schwester des Verfassers unterzujubeln, scheiterte jedoch an ihrem nicht ganz unberechtigten Einwand, sie sei sich wirklich ganz sicher zu Beginn des Abends lediglich zwei Kinder besessen zu haben. Zudem wiesen die beiden Überzähligen deutlich ostasiatische Gesichtszüge auf. Nun, dieses Argument war selbst für hartgesottenste Laternenumzugsorganisatoren kaum von der Hand zu weisen. Doch erinnerte man sich glücklicherweise daran, dass im letzten Jahr, die Anzahl der Kinder um genau zwei geringer gewesen war, als sie hätte sein müssen. Es wurde somit einstimmig beschlossen, die beiden Asiaten jener, aus dem niederbayrischen Sprachraum zugereisten Familie vor die Tür zu stellen, welche noch immer die Schule mit lästigen Fragen nach ihren überflüssigen Kindern bombardierte; zu klingeln und schnell wieder weg zu fahren.
Alsdann wurde die Versammlung aufgelöst.
Alle Beteiligten machten sich in seligster Vorweihnachtsstimmung auf den Weg nach Hause.
Erschöpfte Kinder zogen ihre Laternen hinter sich her. Erschöpfte Eltern zogen ihre Kinder hinter sich her. Und alle zeigten zufriedene Gesichter. Denn in Bayern, so waren sich alle ihrer verantwortungsvollen Aufgabe bewusst, werden Traditionen noch hochgehalten.

Ja hier ist die Welt noch in Ordnung. Frohgemut und voller Traditionsbewußtsein kommt man hier noch seinen Verpflichtungen nach, die althergebrachten Gebräuche hoch zu halten. Und jeder trägt gerne sein Scherflein dazu bei.
Nun ja ausgenommen Klaus vielleicht....
Als letzte Woche, durch die Elternversammlung der F.J.S.G.S. in seiner Abwesenheit beschlossen wurde, ihn in diesem Jahr mit der verantwortungsvollen Tätigkeit des Nikolaus zu betrauen, stieß er, als seine Gattin ihn mit der freudigen Nachricht überraschte nur einen wilden unartikulierten Schrei aus und verschwand aus der heimischen Wohnung.
Seither wurde er nicht mehr gesehen. Alle angestellten Nachforschungen blieben erfolglos.
Es hält sich jedoch hartnäckig das Gerücht er habe sich in den Libanon abgesetzt und sich dort einer islamischen Untergrundorganisation angeschlossen, mit dem erklärten Ziel, das Christentum mit samt seinen Bräuchen endgültig, und mit Stumpf und Stiel auszurotten.

Letzte Aktualisierung: 26.06.2006 - 23.01 Uhr
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