Das alte Buch Mamsell
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Peggy Wehmeier zeigt in diesem Buch, dass Märchen für kleine und große Leute interessant sein können - und dass sich auch schwere Inhalte wie der Tod für Kinder verstehbar machen lassen.
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Januar 2003
Was für ein Mann!
von Anna Graben



„Mary, sind Sie jetzt endlich soweit?“
„Ja, ich komme gleich.“ Mary saß im Schlafzimmer an ihrer Frisiertoilette und puderte eifrig ihr hübsches Gesicht, dass sich dadurch ganz weiß färbte. Sie lächelte ihr Spiegelbild an und schien zufrieden mit ihrem Werk, obwohl sie jetzt durch und durch sehr blass wirkte. Sie stand auf und nahm den kleinen roten Hut von ihrem Bett, ging vor der Frisiertoilette noch einmal etwas in die Knie um zu sehen, ob der Hut auch gut saß und eilte die Treppe hinunter. Dabei musste Sie ihr rotes Kleid etwas anheben, damit sie nicht auf den teuren Stoff trat. Ihre blonden Locken wippten mit jedem Schritt, den sie hinunterging.
„Sehr reizend sehen Sie aus, das Kleid ist ja ein Traum!“
„Danke Tante Anny, aber nun sagen Sie doch schon wohin Sie mich entführen!“ Mary war das erste Mal seit Jahren wieder in London, jetzt im Jahre 1600 konnte man wieder beruhigt durch das Land reisen, wo die Pest jetzt vorbei war. Die beiden Damen stiegen in die Pferdekutsche und rückten noch einmal die schönen Kleider zurecht, als sie sich hinsetzten. Auf dem Boden der Kutsche stand ein großer Picknickkorb. „Aha! Du gehst also mit mir picknicken!“ Marys Gesicht strahlte vor Aufregung. Es tat so gut wieder etwas unternehmen zu können. Sich zurechtzumachen, in eine Kutsche zu steigen und zu unternehmen, wozu man gerade Lust hatte. Es wurde Zeit wieder zu leben anzufangen. Die Sonne schien und es herrschte ein reges Treiben auf den Straßen. Plötzlich blieb die Kutsche mitten auf der Straße stehen. Mary reckte sich etwas nach vorne und rief zu dem Kutscher: „Wieso bleiben wir stehen, stimmt etwas nicht?“ Hier waren doch gar keine Wiesen, wo sollten sie denn jetzt das Picknick machen? Der Kutscher drehte seinen Kopf etwas und rief zurück: „Das Globe Theatre, my Ladies.“
„Danke Sir.“ Anny raffte ihren schwarzen Rock zusammen, schnappte sich den Picknickkorb und stieg aus. „Oh wie schön, wir gehen ins Theater!“ Mary lachte vor Freude. Sie nahm ihren kleinen Sonnenschirm und stieg aus der Kutsche aus. Und schon verschwand die Kutsche im Getümmel der Straße.

Nachdem die beiden Damen es sich im Theater gemütlich gemacht hatten und zu essen anfingen, begann das Stück. Ein junger Mann kam auf die Bühne und fing theatralisch und mit lauter Stimme an, ein Gedicht vorzutragen:

„Venus entbrannt für den wunderschönen Adonis….“

Mary hörte auf an ihrem Apfel zu kauen. Dieser Mann hatte eine Ausstrahlung! Seine Augen leuchteten so beim Reden und wie er da stand, schien alles im Theater zu verschwinden. Es gab nur noch ihn und sein Gedicht.

„…Und sie ruht’ auf der Erd’, und drückte das Gras und ihn selber. Und in den Schoß der Adonis gelehnt den Nacken mit Lächeln, Redet sie so, und störet mit häufigem Kuß die Erzählung….“

Oh, wie wünschte sich Mary jetzt an der Stelle von Venus und dieser Mann dort vorne, der sollte ihr Adonis sein. Bei diesem Gedanken wurde sie ganz rot und baß schnell wieder von ihrem Apfel ab.

Als das Stück zu Ende war, standen alle auf und fingen laut an zu jubeln und zu klatschen. Der junge Mann verbeugte sich und verschwand hinter der Bühne. Als die beiden Damen nach draußen gingen, schob Anny Mary in einem Hintereingang in das Theater hinein. „Wo wollen Sie hin, Tante Anny?“ Annys Gesicht erhellte sich, als sie den jungen Mann, der gerade noch auf der Bühne stand sah. „Guten Tag!“ „Oh, guten Tag Anny, wie geht es Ihnen, hat Ihnen das Stück gefallen?“
„Außerordentlich. William, darf ich Ihnen meine Nichte Mary vorstellen, sie ist aus Oxford zu Besuch.“ William nahm die Hand von Mary und gab ihr einen Handkuss ohne die Hand zu berühren. „Es freut mich Sie kennenzulernen Mary. Wie gefällt es Ihnen in London?“
Mary wurde ganz rot und fing an zu stottern: „Gut, sehr gut, das Stück war auch sehr gut.“ William lächelte, wünschte den Ladies noch einen angenehmen Tag und verschwand. Als die beiden wieder in der Kutsche saßen, um nach Hause zu fahren, ärgerte sich Mary: „Gut, sehr gut, das Stück war auch sehr gut, ja bin ich noch bei Verstand? Was wird er jetzt von mir denken?“ Sie schaute in die Ferne und schwärmte: „William, William, William, was für ein Mann! Sagen Sie Tante Anny, wie heißt denn William weiter?“ Anny sah Mary erschrocken an. „Shakespeare. Und Mary, er ist verheiratet!!“

Anja Grabs ©

W. S.

Letzte Aktualisierung: 15.04.2012 - 14.21 Uhr
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