Bitte lächeln!
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Februar 2003
Geständnis vor dem Mord
von Lars Blumenroth


Ich stelle mir vor, ich bringe Dich um.
Natürlich werde ich Dir kein Sterbenswörtchen verraten bis es so weit ist. Ein gewisser Plan gehört dazu. Es soll keine flüchtige Idee sein, die mich meinen Kopf kosten wird, nachdem ich Deinen sorgsam entfernt habe. Und noch weiß ich überhaupt nicht, ob ich es wirklich kann, das Töten. Habe es schließlich noch nie getan.
Aber ich erinnere mich an Dein Gesicht. Jedes Wort von Dir hallt noch in meinem Schädel nach. „Ich liebe Dich“, hast Du gesagt und ich habe Dir geglaubt. „Du brauchst vielleicht noch Zeit“, hast Du gesagt und mir selbige ebenso verständnisvoll versprochen. Ob ich Dich geliebt habe, kann ich nicht genau sagen. In mir gibt es kein Gefühl mehr, dass mich positiv an Dich denken lässt. Jedes Lächeln von Dir wirkt in meiner Erinnerung unwirklich, jedes nette Wort wie eine Lüge. Du hast mich verletzt. Nun werde ich Dich verletzen.
Ich stelle mir Dein überraschtes Gesicht vor. Diese entsetzt aufgerissenen Augen, die mir dies und das vorgetäuscht haben. Ich sehe, wie Dein Mund aufklappt, etwas sagen will, aber nicht dazu kommt. Liebe? Keine Spur! Bei Dir nicht und bei mir nicht. Aber das Gesicht, das ich sehen werde, wird so anders sein, dass mir ein wonniges Kribbeln über den Rücken laufen wird.
Ich stelle mir vor, wie Du sagst: „Was soll das?“ Vielleicht wirst Du sauer werden, vielleicht bleibst Du aber nur erschrocken. In jedem Fall werde ich Dich daran hindern müssen, dass Du etwas anderes tust, als ich will. Ich werde Dich mit meinem entschlossenen Blick ans Kreuz schlagen. Mein Hass wird Dir klar machen, dass Du dieses Mal besser still bist und abwartest und hoffst und... Obwohl ich diesen Durst nach Rache um mich lodern fühle, muss ich dennoch davon ausgehen, dass Du Dich nicht fügst. Ich darf nicht unbedacht sein.
Ich stelle mir vor, ich habe eine Pistole. Ich werde sie ohne zu zögern auf Dich richten. Die Waffe bekomme ich von einem Bekannten. Sie ist nicht registriert. Ich werde einiges dafür ausgeben müssen. Aber was ist schon Geld, wenn ich Dich dafür kaufen kann? Ich darf den Schalldämpfer nicht vergessen. Will ich Dich überhaupt erschießen?
Ich stelle mir vor, wie Du völlig panisch wirst und nicht auf meine Worte hörst. „Sei still!“ Ich kann Dich nicht ewig auffordern. Zapp. Eine Kugel leise wie nichts wird sich in Dein Bein bohren. Logisch: Du wirst schreien. Mir wird nichts anderes übrig bleiben, als die Sache zu beenden. Du liegst am Boden, windest Dich und ich stehe über Dir, eiskalt, Dein letzter Blick, ich genieße dieses ungläubige Flehen und schieße. Danach fließt Blut. Diesmal aus Deinem Schädel. Ich weiß nicht, wie groß das Loch sein wird. Eventuell gerade so, dass ich einen Finger hinein stecken könnte. Eventuell wird es einen hässlichen Riss geben. Eventuell wird die Schädeldecke abplatzen und ich werde kotzen müssen. Viel Blut, wenig Blut, ich habe keine Ahnung. Ich muss mich auf das Schlimmste einstellen. Aber will ich Dich so schnell erlösen?
Ich stelle mir vor, dass ich Dich mit der Pistole in Schach halte. Du tust, was ich sage, weil Du Angst hast. Das wäre schön. Ich stelle Dich nüchtern vor die Wahl: „Du oder ich. Entweder bringst Du Dich selbst um – hier sind die Rasierklingen – oder du machst es mir schwer und Dir selbst unangenehm.“ Ich werde diabolisch mit der Waffe spielen.
Ich stelle mir vor, Du fängst an zu heulen. Es wird ein Genuss sein. Unter Tränen greifst Du Dir die Klingen. Immer wieder bittest Du mich, flehst mich an. Aber mein Herz schlägt nicht für Dich. Es blutet wie verrückt. Ich weiß es. Wenn man die Pulsadern erwischt, dann schießt das Leben aus einem heraus. Ich werde dabei zusehen. Du wirst immer schwächer. Ich werde Dich schlagen – wahrscheinlich kann ich einfach nicht anders.
Ich stelle mir vor, wie später Unbeteiligte auf Spurensuche gehen. Es wird nicht nach Selbstmord aussehen, weil ich Dich geschlagen habe. Nein, ich darf Dich nicht berühren.
Ich stelle mir vor, Du weigerst Dich. Du willst Dein Leben nicht selbst beenden. Schade. Aber damit werde ich rechnen müssen. Du bist schließlich ein selbstsüchtiges Arschloch. Trotzdem ist das kein Grund zu verzagen. Du traust mir nicht zu, dass ich hart sein kann. All die Jahre hast Du mich nicht wirklich wahrgenommen. Jetzt wird es an der Zeit sein, dass ich Dir ein wenig von meiner Stärke zeige. Du schüttelst den Kopf. Ich bringe die Waffe in Position.
Du: „Das kannst Du nicht!“
Ich: „Was macht Dich da so sicher?“
Du: „Denk doch mal an Deine Zukunft!“
Ich: „Mein Leben hat keine Zukunft, solange es Dich noch gibt!“
Weil Du mir nicht glauben willst, muss ich es Dir beweisen. Ich schieße. Der Fernseher implodiert. Stille.
Du: „Du bist total verrückt!“ (nicht mehr so selbstsicher)
Ich: „Verrückt, verrückt, verrückt.“ (spöttisch lachend)
Langsam wirst Du verstehen, dass es mir ernst ist. Ob Du mich für normal hältst oder nicht ist mir gleichgültig. Es kommt einzig darauf an, dass Du weißt, dass ich diesmal entschlossen bin.
Ich stelle mir vor, dass Du aufspringst, mich überraschst. Das darf nicht passieren! Könnte aber. Ich werde daneben schießen. Und dann liegst Du mal wieder auf mir. Alte Gefühle branden in mir auf. Hilflosigkeit. Du wirst stärker sein als ich. ein unerträgliches Szenario. Ein ziehen setzt in der Bauchregion ein, wenn ich daran denke. Tränen der Wut sammeln sich in meinen Augen. Nein, nein, nein!
NEIN!
Ich stelle mir vor, es geschieht trotzdem. Ich muss daran denken, ich darf mir den Luxus nicht gönnen, dies außer Acht zu lassen. Aber ich werde ein Messer dabei haben. Vielleicht mehrere. Du klemmst mich fest. Wahrscheinlich schlägst Du mich.
Du: „Verdammte Sau, bist Du total übergeschnappt?“
Ich muss anfangen zu heulen. Es darf aber nicht sichtbarer Zorn sein. Ich muss zusammenbrechen und hilflos weinen, Unschuld vorspielen.
Ich: „Ich... ich weiß nicht.“ (Stille) Dann: „Ich liebe Dich!“
Du fällst drauf rein oder auch nicht. Irgendwann wirst Du mich loslassen müssen und ich werde an meine Messer herankommen. Auf jeden Fall muss ich darauf achten, dass die Pistole weit genug weg rutscht. Du sollst Dich danach recken müssen und mir Freiraum geben.
Ich stelle mir vor, wie sich der Griff des Messers in meiner Hand anfühlt. Die Klinge habe ich zuvor bedacht geschärft. Du passt nicht auf. Du musst glauben, alles unter Kontrolle zu haben. Denkst ja auch nicht daran, dass ich so entschlossen bin. Ein kleiner Ausbruch, okay, aber der ist schon vergangen. Doch dann kommt ein weiterer Angriff. Mit aller Kraft ramme ich Dir die Klinge bis zum Heft in die Seite. Es wird sich heiß anfühlen. Überraschung! Jetzt habe ich genügend Zeit, mich frei zu machen.
Ich stelle mir vor, wie Du jammernd das Messer betrachtest. Derweil nehme ich mir eine Deiner Weinflaschen – darf ruhig voll sein. Ich schlage Dich. Es wird ein dumpfes, matschiges Geräusch geben, wenn ich Deinen Kopf getroffen habe. Bist Du dann schon tot? Unklar. Ich will mir sicher sein und werde das Messer aus Dir entfernen und mich an die Arbeit begeben.
Ich stelle mir vor, wie widerspenstig Dein Fleisch sein wird. Die Spitze des Messers wird Deine Haut zuerst eindrücken. Je mehr Kraft ich aufwende, desto näher werde ich dem Punkt kommen, an dem der Widerstand bricht. Dann gleitet das Metall schließlich in Dich hinein.
Ich stelle mir vor, dass der Mensch in der Obduktion entsetzt sein wird. Immer wieder liest man: 36 mal zugestochen... 58 Stichwunden... mit über 100 Einstichen... Ob ich das kann?
Ich stelle mir vor, wie zerstört Du auf dem Sofa kauern wirst. Die Rasierklinge in der Hand. Du wirst weinen und mich mit Deinen Hundeaugen ansehen, die in diesem Moment ausnahmsweise völlig ehrlich sein werden. Bin ich fähig, meinen Entschluss aufrecht zu halten?
Ich stelle mir vor, dass ich die Kraft verliere. All diese Bilder von Blut. Bevor ich Dich töte, könnte ich unvorhergesehen daran denken. Das Gewicht der Waffe wird meinen Arm allmählich nach unten zwingen. Ich werde zusammenbrechen. Was dann passiert, vermag ich nicht zu sagen. Ich wage nicht daran zu denken. Du bist ein Mensch, das darf ich bei allem nicht vergessen. Du bist ein Mensch, auch wenn ich es kaum glauben kann. In einem Menschen steckt einiges, was man normalerweise nicht sieht. Blut ist wohl das geringste Übel. Gedärme, Innereien, Gehirnmasse.
Ich stelle mir vor, dass ich nach deinem Tod vollkommen ausraste und nicht fliehe, sondern bleibe. Ich habe Dich umgebracht und nun werde ich die Spuren beseitigen. Nach dem Fest wird dies der anstrengende Teil des Aufräumens sein. Mühsam schleife ich dich ins Bad. Ich werde Gerätschaften brauchen, um Deinen Leib zu teilen. Für den Anfang wird aber das Messer ausreichen. Ich stoße es in Deine Brust. Du gibst einen Ächzlaut von Dir. Tote sind nicht still, wie die Unschuldigen oft glauben möchten. Unter Aufwendung all meiner Kraft werde ich Deinen Bauch aufschlitzen, um den Flüssigkeiten den Ablauf zu gewähren. Ich habe keine Fleischereilehre, also wird das eine Herausforderung sein.
Ich stelle mir vor, dass es wider aller Annahme nicht so einfach ist, eine Leiche zu zerlegen. Ich sehe mich wie wild auf Dich einstechen, um das Fleisch von den Knochen zu lösen. Wie um Gottes Willen soll man nur einen Schädel vom Rumpf abtrennen? Ich schlage auf Dich ein, ich verzweifle. Insgesamt werde ich wohl mehr als drei Tage brauchen, um Dich klein zu kriegen.
Ich stelle mir vor, dass ich auch eine Dusche nehmen muss. Mit Dir. Wenn Du einmal in der Wanne liegst, werde ich Dich der Einfachheit halber auch dort lassen. Wie wird sich Deine nasse, tote Haut anfühlen? Das Wasser wird den roten Lebenssaft nicht nur von mir fortspülen. Ich werde freien Blick auf Deinen geschundenen Körper haben. Sieht das dann so aus, wie beim Fleischer? Sicher nicht – Dein Kopf wird noch dran sein, Dein Gesicht seltsam schlaff herabhängen. Wenn ich Dir die Haut vom Schädel ziehe, werde ich wohl nie wieder schlafen können!
Ich stelle mir vor, dass ich solche Taten lieber einem Dennis Nilson überlassen möchte. Mein Mord wird nicht mit einer Reinigungsaktion enden. Ich werde Dich einfach liegen lassen und den Schauplatz verlassen. Ich bin nicht krank. Eine Leiche zu zerstückeln ist kein Job für einen normalen Menschen. Aber wenn Du Dich nicht selbst umbringst – welch Traumgedanke – werde ich nicht verhindern können, dass es wie Mord aussieht.
Ich stelle mir vor, dass ich einen Unfall erzeuge. Ich werfe Dir einen Fön in die Badewanne und sehe zu, wie Du ekstatisch aus dem Leben scheidest. Doch auch das ist ein unrealisierbarer Traum. Ich werde ganz zu Anfang in Deine Wohnung eindringen müssen. Da bleibt keine Möglichkeit, um Badespaß zu stellen.
Ich stelle mir vor, wie ich Deine Tür eintrete. Sie ist aus Holz, ich weiß dass Du ab und zu befürchtest, dass sie nicht standhaft genug sein könnte. Doch damit würde ich die Aufmerksamkeit der Nachbarn auf mich ziehen. Ich werde nachts agieren müssen – der Dunkelheit wegen. Wenn ich Polizei befürchten muss, werde ich zur Eile angehalten sein. Wenn ich mich beeilen muss, werde ich Fehler nicht vermeiden können.
Ich stelle mir vor, dass ich mich mit Dir verabrede. Ich muss Dich in Sicherheit wiegen, Du darfst keinen Verdacht schöpfen.
Ich stelle mir vor, dass ich mein Haar streng lackiere. Ich werde meine Haut im Gesicht mit Vaseline überziehen. Aus meiner Arbeitsstelle im Chemielabor lasse ich den Einweganzug mitgehen. Das fällt niemandem auf. Latexhandschuhe. Alles abgedichtet. Ich will keine Spuren hinterlassen.
Ich stelle mir vor, wie entrüstet Du über meinen Aufzug sein wirst, wenn ich die Treppen zu Dir in den ersten Stock erklimme. Deshalb werde ich mit dir einen öffentlichen Treffpunkt im Wald ausmachen. Ein Spaziergang, um unsere Vergangenheit zu bewältigen – gemeinsam – haha.
Ich stelle mir vor, dass ich Dich heimlich vergifte. Ins Essen, nach und nach.
Ich stelle mir vor, wie ich Dich hinterrücks erschieße, sobald Du Dein Haus verlässt.
Ich stelle mir vor, dass ich Dir mit einem Baseballschläger das Hirn zertrümmere.
Ich stelle mir vor, dass kaum einer an unsere Verbindung denken wird, nachdem wir uns bald schon drei Jahre nicht mehr gesehen haben werden.
Ich stelle mir vor, wie ich mir ein Alibi verschaffe, indem ich mich von einer Freundin anrufen lasse und wir den Hörer daneben legen. Sie darf ruhig alles wissen. Sie hat ihren Mann vor acht Jahren umgebracht.
Sie: „Siehst Du, ich habe Dir doch gesagt, dass man Morde begehen kann, ohne dafür zu bezahlen.“
Ich: „Danke. Danke für alles!“
Ich stelle mir vor, dass ich in der Nacht von einer Richterin träume, die immerzu wiederholt: „Nun aber die Wahrheit! Und zwar nichts als die Wahrheit!“
Ich stelle mir vor, wie ich aufwache, den Kopf schüttle und friedlich einschlafe bei dem Gedanken: Du bist tot.
Ja, ich bin schuldig.
Ich stelle mir vor, dass dies keiner ernst nimmt.
Und so wird es sein...

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