Auch die Liebe kennt Grenzen von Rosemarie C. Barth
Eine Frau, nachts allein im Auto unterwegs auf einer verlassenen StraĂe. Plötzlich kracht es laut.
Ralf Weidmann hÀlt sich, obwohl er ahnte, was gleich passiert, schockiert die Ohren zu.
Die Frau, die den neuen silberfarbenen Mercedes fĂ€hrt, ist Cheflektorin. Helene Bahrenberg veröffentlichte unter dem Pseudonym âLavinia Rossellaâ einen Liebesroman, der ĂŒber Nacht ein Bestseller wurde.
Helene Bahrenberg kommt von der Fahrbahn ab, als eine Gestalt mit einem sperrigen Gegenstand mitten auf die StraĂe springt. Sie reiĂt erschrocken das Steuer herum, die Autobremsen quietschen, der Silberpfeil schleudert ĂŒber den Fahrdamm, prallt gegen eine uralte Eiche und saust von dort aus in den StraĂengraben. Der Mercedes hat Totalschaden. Die Lektorin stirbt an ihren Verletzungen.
Ralf Weidmann kauert wie erstarrt im GestrĂŒpp. âRaus â du musst raus hierâ, nuschelt er. Kraftlos schleicht er aus dem GebĂŒsch. Die StraĂe liegt in beĂ€ngstigender Totenstille. Kein Mensch und kein Fahrzeug weit und breit. Weidmann wagt kaum zu atmen. Eiskalter SchweiĂ tropft in seinen Nacken. Sie hat es verdient, beruhigt er sein aufgewĂŒhltes Gewissen.
Helene Bahrenberg war Ralf Weidmanns groĂe Liebe.
Fast drei Jahre waren sie liiert, lebten jedoch in getrennten
Wohnungen. Eine Lektorin braucht Ruhe, muss auch zu
Hause Unmengen Manuskripte lesen, das sah Weidmann ein. Aber irgendwann... beruhigte ihn Helene, sicher werden wir heiraten, warum nicht Kinder haben. Alles zu seiner Zeit, jetzt ist Karriere angesagt. Ralf Weidmann war geduldig.
Nach der Scheidung von Manuela lebte er allein, hatte einige
Flirts, die nur einen widerlichen Beigeschmack hinterlieĂen.
Doch - dann traf er Helene.
Dieser wunderbaren Frau zuliebe absolvierte Weidmann ein Autorenfernstudium. Er wollte auf einer Wellenlinie mit ihr, der Cheflektorin, liegen. Sie sprachen sehr oft ĂŒber Literatur. Weidmann hört Helene noch rufen: âRalf, du solltest einen klassischen Liebesroman schreiben, wozu hast du Belletristik studiert? Das Handwerk beherrscht du, worauf wartest du?â Weidmann war skeptisch. An seine Antwort erinnert er sich genau: âHelene, du weiĂt, ich will Krimis austĂŒfteln, das liegt mir mehr. Ăber Liebe kann ich nicht schreiben.â
âRalf, was soll die Einseitigkeit? Ich helfe dir, so gut ich kann und â wozu bin ich Lektorin, der Roman â ich schwöre dir, wird eher heute als morgen veröffentlicht! Also, ran!â
Ralf findet sein Rennrad im StraĂengraben und klammert sich dran fest, als könnte es ihn retten. Doch seine feuchten HĂ€nde rutschen ab. Plötzlich tritt er auf seine Taschenlampe. Er hebt sie auf, schaut sich ĂŒberall um â alles menschenleer - auch kein Auto fĂ€hrt. Beklommen strahlt Weidmann das Unfallauto an. Ein grausiges Bild bietet sich ihm. Helene Bahrenberg hĂ€ngt blutĂŒberströmt und halb baumelnd aus
der AutotĂŒr. Wie so oft, war sie auch heute nicht angegurtet. Auch der aufgesprungene Airbag hat sie nicht retten können. Helene Bahrenberg ist tot. Angewidert knipst Weidmann das Licht aus und schwingt sich taumelnd auf sein Rad.
Weg hier - hĂ€mmert es in seinem leeren Kopf. Das Herz poltert gegen die kalte Brust. Sie hatâs nicht anders verdient.
Als Helene ihn immer stĂ€rker drĂ€ngte, den Liebesroman zu schreiben, blieb ihm keine Wahl mehr. Sein LebensglĂŒck und auch sein Pech, lag lĂ€ngst in den feinen HĂ€nden von Helene. Er musste ihr beweisen, dass er die Liebe - die ganz groĂen GefĂŒhle â auch auf Papier prĂ€sentieren konnte.
Am Ostersonntag, als Helene sich wieder auf einer ihrer unzĂ€hligen Dienstreisen befand, schrieb er die ersten SĂ€tze. Nur schwerlich gingen sie ihm von der Hand. Ralf Weidmann erinnerte sich an seine â wohl nur scheinbar - glĂŒckliche Ehe mit Manuela. Er hatte ihre Liebe verloren. Manuela traf im Familienurlaub in Kapstadt einen Farbigen, sie war wie vom Blitz gerĂŒhrt und blieb bei ihm fĂŒr immer. Inzwischen lebt der SĂŒdafrikaner Pascal mit Manuela in Deutschland.
StĂ€ndig denkt Ralf Weidmann an seinen sechsjĂ€hrigen Sohn Johann. Wie er wohl mit dem farbigen Stiefvater klar kommt? Ein Wochenende im Monat darf Johann bei Weidmann verleben. Das genieĂen beide sehr und Ralf fragt nicht nach der Mutter und dem Schwarzen.
Er hat sein LiebesglĂŒck mit Helene gefunden.
Weidmann tritt krĂ€ftig in die glitschigen Radpedalen. Es regnet stĂ€rker. Ein schrecklicher Unfall, denkt er, so was passiert immer und ĂŒberall. Mit letzter Kraft erreicht er sein Haus. Es ist stockfinster, sehen wird ihn zu der Zeit keiner. Weidmann schleppt das Rennrad in den Keller und kraxelt mĂŒhselig die Treppen zur Wohnung hoch.
Er öffnet die TĂŒr, reiĂt die pitschnassen Klamotten vom Leib und lĂ€sst ein Bad ein. WĂ€hrend die Wanne voll lĂ€uft, rennt er ziellos durch die apart möblierte Wohnung. Er will vergessen, was auf der Wellenborner StraĂe passiert ist.
âSo schnell wie möglichâ, sagt er laut. Dann fĂ€llt sein Blick auf das BĂŒcherregal, wo der Bestseller âGrenzenlose Liebeâ von Lavinia Rossella liegt.
âNein!â schreit Weidmann, ânein und nochmals nein. Nicht Lavinia Rossella und nicht Helene Bahrenberg, nein!â
Er hat den Roman geschrieben, und zwar von der ersten bis
zur letzten Zeile. Lautes PlĂ€tschern reiĂt ihn aus seinen Gedanken. Die Wanne ist ĂŒbergelaufen. Weidmann wischt den Boden trocken und steigt ins KrĂ€uterbad. Ein wohliges GefĂŒhl durchflieĂt seinen verspannten Körper.
Kurze Zeit spĂ€ter schlĂ€ft er erschöpft im heiĂen Wasser ein.
Deutlich sieht er wieder, wie es ihn Nacht fĂŒr Nacht auf die Wellenborner StraĂe trieb. Er wusste genau, dass Helenes SpĂ€tschichten im Esche-Verlag zehn Uhr endeten. Oft hatte er sie frĂŒher im zweiwöchigen Wechsel abgeholt. Nun lauerte er ihr am StraĂenrand in den BĂŒschen auf, Nacht fĂŒr Nacht. Viertel nach zehn musste sie die Wellenborner StraĂe lang gefahren kommen. Schon die vierte Woche versuchte er, sie aufzuspĂŒren. Nie war sie allein auf der Fahrbahn. Vor oder hinter ihr fuhren Autos oder MotorrĂ€der.
Er musste seinen Plan immer wieder neu angehen.
Vorige Woche hĂ€tte er es fast geschafft, doch als er mit seinem KnĂŒppel auf die StraĂe springen wollte, sah er ein Liebespaar aus dem GebĂŒsch laufen. Das wĂ€re beinahe schief gegangen. Sie hĂ€tten ihn sofort als TĂ€ter entlarven können. In letzter Sekunde schaffte er es noch, zurĂŒck ins BlĂ€tterdickicht zu kriechen. BloĂ nicht noch Augenzeugen. Weidmann fĂŒhlte sich elend. Es war wieder nicht gelungen.
Doch diesmal kam es anders. Der richtige Moment war da.
Patsch, schwapp, brrrr â Weidmann schnappt nach Luft wie ein Karpfen. Er ist mit dem Kopf in die Wanne getaucht, fast wĂ€re er erstickt. Er röchelt und rĂ€uspert sich, schĂŒttelt sein krebsrotes Gesicht und erholt sich wieder.
âOh Gott, der Traum, der scheuĂliche Traum, soll das so weiter gehen?â murmelt er. Weidmann frottiert seinen Körper trocken, zieht den Pyjama an und trottet wie ein geprĂŒgelter Hund an den KĂŒhlschrank. Zwei groĂe Flaschen Bockbier und ein Schinkenbrot gönnt er sich, ein wenig Fernsehen und dann hoffentlich gut einschlafen.
Die Standuhr schlĂ€gt Mitternacht. Von dem Starkbier wird Weidmann erneut mĂŒde und schlĂ€ft grunzend auf der Couch ein.
Wieder streckt ein rabenschwarzer Traum die Arme nach ihm aus. Weidmann spĂŒrt das feuchte GebĂŒsch, sieht sich geduckt nach der Frau lauern, die ihn enttĂ€uscht und ihm alles genommen hat. Sie hat es verdient!
Es ist zwölf Minuten nach zehn, weit und breit kein Mensch, keine MotorengerĂ€usche, nun könnte sie kommen, dann wĂŒrde es heute klappen. Ralf Weidmann hĂ€lt den knorrigen Ast umfasst. Falls der Silberpfeil sich nĂ€hert, wird er auf die StraĂe stĂŒrzen, wie ein Löwe, der sein Opfer erspĂ€ht hat. Weidmanns Nerven liegen blank. Nirgends ein Laut. Stadt und StraĂen scheinen leer gefegt. Da, da vorn - Autolichter! Weidmann setzt zum Aufbruch an. Er hebt sein Fernglas vor die aufgerissenen Augen, und sieht den silbernen Mercedes nĂ€her kommen. Noch ein StĂŒck â und noch ein StĂŒck.
Nun erkennt er, dass Helene im Auto sitzt, zum GlĂŒck allein. Manchmal nimmt sie die dicke Anne aus der Redaktion mit, auch damit hatte Weidmann rechnen mĂŒssen. Dann hĂ€tte er sich zurĂŒck gezogen. Doch heute fĂ€hrt sie allein. GlĂŒck fĂŒr Weidmann â Pech fĂŒr Helene.
Jetzt musste alles blitzschnell gehen. Ralf Weidmann lĂ€sst das Fernglas fallen, rafft den KnĂŒppel fester und rennt wie vom Teufel gejagt auf die Fahrbahn. Und Sekunden spĂ€ter ist alles vorbei.
Helene Bahrenberg, die Bestsellerautorin Lavinia Rossella, gibt es nicht mehr. Das heiĂt, es hat sie so auch vorher nicht gegeben.
Weidmann schreckt aus dem Schlaf, erwacht vom eigenen Schrei. Es ist sechs Uhr morgens.
Er muss sich auf seinen Schuldienst vorbereiten. Weidmann ist Lehrer fĂŒr Geschichte und Deutsch am Gymnasium. Halb acht beginnt die erste Stunde. Weidmann schwitzt und friert wechselnd. Sein Kopf schmerzt. Die HĂ€nde vibrieren wie das BlĂ€tterlaub am StraĂenrand. Nicht schon wieder, ermahnt er sich. Heute ist ein anderer Tag, ein neues Leben beginnt. Du hĂ€ltst die Schulstunden, als sei nichts passiert.
Sollen die Medien doch schreiben ĂŒber die Bestsellerautorin, was geht es dich an. Du musst vergessen, dass sie dich kaputt gemacht hat. Du musst, musst!
In Weidmanns Kopf schwirren tausend Gedanken. Im fĂ€llt wieder ein, dass er ungezĂ€hlte NĂ€chte hindurch geschrieben hat, Zeile fĂŒr Zeile, Seite fĂŒr Seite. Helene drĂ€ngelte stĂ€ndig. Es gĂ€be eine Terminauflage bei Esche, der Roman könne sofort erscheinen, wenn er endlich fertig sein wĂŒrde.
Das Wochenende kam, an dem Weidmann seinen Sohn Johann wieder zu sich nehmen durfte.
âSag ab!â zwang Helene ihn. âDazu ist jetzt keine Zeit. Das Manuskript muss Mittwoch in Esches HĂ€nden liegen, oder du kannstâs vergessen. Dann waren all die Monate umsonst!â
âBitte Helene, alle vier Wochen darf ich Johann nur sehenâ, hörte sich Weidmann flehen, âich kann ihn nicht enttĂ€uschen, das versteht der kleine Bub nicht!â
âDann tu ichâs!â Helene drehte sich um, die TĂŒr krachte ins Schloss. Minuten spĂ€ter tauchte sie wieder auf und tat, als sei nichts geschehen: âSo, ich habe deine Ex angerufen, sie versteht gut, dass wir viel Arbeit mit dem Manuskript haben und die Terminpflicht. Sie bringt dir Johann nĂ€chste Woche.â Helene schmeichelte sich ein und umarmte ihn sprĂŒhend. Weidmann hatte keine Wahl und schrieb Ă€rgerlich weiter. NatĂŒrlich wollte er auch, dass sein Roman erscheint, aber Johann ging ihm ĂŒber alles.
Das Manuskript war am Mittwochmorgen fertig. Helene riss es ihm aus der Hand mit einem sĂŒĂlichen: âDanke Liebling - du, das wird ein Bestseller, ich weiĂ es!â
Diese Art des Dankes missfiel Weidmann und er fragte sich in dem Moment, was da eben geschehen war.
Abends erzÀhlte Helene aufgekratzt, Horst Esche sei total begeistert, und einer Veröffentlichung stehe nichts im Wege.
Pfui Teufel, schmeckt der Kaffee bitter, merkt Weidmann und spuckt den Schluck im hohen Bogen aus. Ein Blick zur Uhr ermahnt ihn, in zehn Minuten muss er den Golf starten, wenn er die Deutschstunde rechtzeitig beginnen will. Weidmann fĂŒhlt sich verkatert. Die Bockbiere melden sich.
Er muss sich ĂŒbergeben, bekleckert sein gelbes Hemd, zieht ein sauberes an. Seine HĂ€nde zittern vor SchwĂ€che, der Kopf schmerzt. Ich muss, muss - ruft er sich zur Ordnung. Ein Glas Soda und Aspirin bessern sein Befinden.
Mit weichen Knien verlĂ€sst er das Haus. Jeder kann mal einen schlechten Tag haben, was ist dabei. Auch wenn die KlatschmĂ€uler schon wissen, dass die bewundernswerte Autorin tödlich verunfallt ist, was geht es ihn an, sie wissen auch, dass sich beide lĂ€ngst getrennt hatten, also wĂŒrde ihn keiner darauf ansprechen. Was sollâs, cool bleiben, ermahnte er sich.
Der Schultag lief wie jeder andere auch, nichts besonderes geschah. Keiner sprach vom Unfalltod der Lavinia Rossella.
Man wird sie sicher spĂ€t entdeckt haben, darum haben die SchmierblĂ€tter noch nichts gedruckt, ĂŒberlegt Weidmann.
Zu Hause, legte sich Ralf Weidmann sofort auf die Couch. Er war zu mĂŒde, um dem trĂŒben Tag Positives abgewinnen zu können. SpĂ€ter schaltete er den Regionalsender ein und â da! Bestsellerautorin Lavinia Rossella im Morgengrauen tot im StraĂengraben entdeckt. Der tragische Unfalltod einer berĂŒhmten Frau. Helene Bahrenberg, Cheflektorin im Esche-Verlag, veröffentlichte kĂŒrzlich ihren Bestseller âGrenzenlose Liebeâ. Auflagen in Millionenhöhe zeichnen sich ab. Doch ein bestĂŒrzender Autounfall riss sie aus ihrem literarischen Schaffen. Wellenborn ernennt Helene Bahrenberg zur âEhrenbĂŒrgerinâ.
Was? Was sagen die da? Weidmann glaubt, sich verhört zu haben. Ehre? Wo hat sie Ehre im Leib gehabt? Die gemeine LĂŒgnerin und BetrĂŒgerin! Wutschnaubend springt er von der Couch hoch. Er reiĂt den Roman vom Buchbord, wirft ihn zu Boden und trampelt darauf herum, als wollte er ein Feuer aus stampfen. Die âGrenzenlose Liebeâ hat er geschrieben, er! Sie wollte das Manuskript nur begutachten. Doch es kam anders. Heimlich, aber regelmĂ€Ăig hat sie seine Romandatei kopiert und winzige Ănderungen prompt erledigt.
Am Vorlagetermin galt Weidmanns Manuskript als druckreif.
Kurze Zeit spĂ€ter lag der Roman in allen Buchhandlungen des Landes. Helene war plötzlich nicht mehr zu sprechen, hatte einen ĂŒbervollen Terminkalender und verschwand von der BildflĂ€che.
Im Verlag sagten sie, Lavinia Rossella sei auf Lesereise quer durch Deutschland fĂŒr mehrere Wochen. âDie âGrenzenlose Liebeâ signiert sie ĂŒberall, Sie verstehen, Herr Weidmann? Doch wieso wissen Sie nichts von der Lesetour?â
âWieso ich nichts weiĂ? Weil ich ein selten dĂ€mlicher Vollidiot bin!â hatte er schroff geantwortet.
Weidmann schĂŒttet angeekelt einen doppelten Kognak in den Hals. Diese infame LĂŒgnerin, wĂŒtete er.
Am Samstag nach Manuskriptabgabe wartete Weidmann vergebens auf Johann. Er rief Manuela an, sprach auf die Anrufbox, nichts. Weidmann startete sein Auto, um den Jungen abzuholen. Das Eigenheim der Familie Carpendale schien verwaist. Er warf Manuela eine Nachricht in den Postkasten, das Romanmanuskript sei abgegeben und er hĂ€tte nun alle Zeit der Welt fĂŒr Johann.
Sie hatte darauf nie geantwortet.
Eines Tages traf er Manuela im Sparmarkt. Er flehte sie an, nur einen Satz mit ihm zu reden. âGut, du sollst deinen Satz haben. Was faselst du von einem Roman? Deine Braut hatte damals angerufen und gesagt, du willst von Johann nichts mehr wissen, ihr habt eure PlĂ€ne. Johann hat bitter geweint. Ich konnte ihn kaum beruhigen!â
âWas â was, sagst du?â Weidmann schnĂŒrte es die Kehle zu, er lief puterrot an, drohte zu ersticken. Manuela lieĂ ihn stehen. Er konnte Helenes verfluchte LĂŒge nicht aufklĂ€ren.
Helene Bahrenberg war ein niedertrĂ€chtiges MiststĂŒck. Das sah Ralf Weidmann zu spĂ€t ein. Sie war zĂ€rtlich, doch berechnend â zuweilen eine spannende Mischung. Gott, er war vor lauter Liebe blind gewesen.
Aus krankhafter Karrieresucht hat sie nicht nur den Roman geklaut, sondern auch sein Kind entfremdet. Johann störte nur. Fast parallel hat er von beiden Missetaten erfahren.
Weidmanns Roman erschien unter Helenes Pseudonym Lavinia Rossella mit ihrem Foto, kein Wort ĂŒber ihn, den wahren Autor. Nicht mal ein Dankspruch auf der Buchseite. Ihn schien es nie gegeben zu haben.
Die Wut loderte in ihm wie ein vernichtendes Feuer.
Tags darauf traf Weidmann Manuela und musste von ihr das Gemeinste ĂŒberhaupt erfahren. Von dem Moment an wusste er, Helene Bahrenberg hatte nicht das Recht zu leben, als Star gefeiert zu werden. Sein Schreibwerk zu stehlen, ist ein Verbrechen, doch sein Kind zu entfremden, ist unverzeihlich.
An eine Anzeige wegen verletzten Urheberrechtes hatte er auch gedacht. Doch, wer wĂŒrde ihm das glauben, beweisen konnte er es nicht. Warum sollte ein Lehrer fĂŒr Deutsch und Geschichte den Liebesbestseller aus dem Ărmel geschĂŒttelt haben? Das Autorenstudium? Gut, das hatte er vor wenigen Monaten abgeschlossen. Wem traut man einen Bestseller eher zu, einer Lektorin der Chefetage oder einem Jungautor, der eben das Handwerk gelernt hat?
Die Anzeige hÀtte nichts gebracht. Cheflektorin Bahrenberg anzuzeigen - man hÀtte ihn ausgelacht.
Sie musste anders bestraft werden, diese Lavinia Rossella.
Weidmanns Entschluss stand fest. Mit seiner Feder sollte sie sich nicht lĂ€nger schmĂŒcken. Einen irren Vorschuss fĂŒr den Roman kassierte sie Esche ab und hatte davon ihren silberfarbenen Mercedes gekauft. Das Wort Gewissen hat sie jedoch nie im Leben gehört, dieses Mistweib!
Weidmann hat viel zuviel Kognak getrunken. Seine Augen quellen aus dem roten Gesicht. VerĂ€rgert, dass er sich weiter mit Helene beschĂ€ftigt, wirft er die Pulle in den MĂŒll, duscht eiskalt und ruft sich letztmalig zur Ordnung. Schluss jetzt! Dein Leben fĂ€ngt neu an, in diesem Moment!
Ralf Weidmann, der Autor der âGrenzenlose Liebeâ hebt sein Buch vom FuĂboden auf und schmökert darin.
Inzwischen ist es tiefe Nacht geworden, Weidmann verspĂŒrt ein bislang unbekanntes GefĂŒhl. Stolz. Ja! Er ist stolz, diesen Roman geschrieben zu haben. Das wird seine Zukunft sein.
DemnÀchst wird er den Krimi schreiben, das liegt ihm mehr.
Doch vorher versucht er ein Kinderbuch fĂŒr Leser ab sieben Jahre zu verfassen. Hat er den Liebesroman geschrieben, gelingt ihm auch ein Kinderbuch. Denn nichts auf der Welt hat mehr mit Liebe zu tun, als Kinder.
In zwei Monaten feiert Johann seinen siebenten Geburtstag.
Rosemarie C. Barth, Magdeburg im Februar 2003
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