'paar Schoten - Geschichten aus'm Pott
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April 2003
Irrtum mit Folgen...
von Hans Maria Doé


Ich habe es als meine Pflicht betrachtet, der Welt - sagen wir als eine Art Geheimnisträger oder als Bevollmächtigter - eines der merkwürdigsten Erlebnisse meines Universitätsdirektors Sir Henry Follet zu erzählen. Dabei möchte ich erwähnen, dass er mir das hier geschilderte Abenteuer vor so manchen Jahren in seinem Hause in London, als ich bei ihm zu Gast war erzählte, und zwar kurze Zeit später nachdem er mit Sir Charles von seiner letzten wissenschaftlicher Expedition aus dem Herzen Indiens zurückgekehrt war. Damals machte ich sehr umfangreiche Notizen von dieser Erzählung, die mir sonderbar und inhaltsreich erschien. Leider verlor ich sie später und mein Gedächtnis war nicht imstande, auch nur deren Inhalt mit jener Genauigkeit wiederzugeben, die mein mittlerweile verstorbener Freund, wie ich wusste, gewünscht hätte. Erst kürzlich stieß ich, als ich, zum Zwecke des Abstaubens mein Bücherregal ausräumte, auf ein Büchlein, in dem ich jenes erkannte, dass ich vor langer Zeit benützt hatte, als ich die Notizen meines Freundes niederschrieb. Ich nahm es mit der gewissen Rührung, die einem überkommt, wenn wir nach vielen Jahren mit Dingen in Berührung kommen, welche mit längst entschwundenen Erlebnissen unserer Jugend verknüpft sind, zu der Schreibtischlampe und öffnete es. Zwischen den Seiten war eine kleine Sammlung von Zetteln, Aufzeichnungen von Geschehnissen, an denen ich als blutiger Anfänger für einen hervorragenden Wissenschaftler gearbeitet hatte, ferner ein Bleistift mit gebrochener Spitze und dergleichen. Ich blätterte in den Seiten mit dem glänzendschwarzen Einband während ich mich zum Schreibtisch setzte, und meine Augen erblickten eine Überschrift. „Zusammenfassender Bericht Sir Henry Follets sonderbare Erzählung von der Akasha-Chronik.“
Mit einem Schlag erinnerte ich mich an alles. Ich sah mich selbst, wie ich damals als junger Mann spät in der Nacht in meinem Schlafzimmer diese stenographischen Notizen machte, bevor der Eindruck von Sir Follets Erzählungen sich in meiner Erinnerung verwischte, wie ich sie dann morgens auf meiner Reise nach dem Süden im Zug fortsetzte und sie dann später in meiner Schreibstube vervollständigte, so oft ich Zeit dazu fand. Ich erinnerte mich auch gut meiner Enttäuschung, als ich das fehlen dieses Notizbuches feststellte, obwohl ich genau wusste, dass ich es an einem besonderen Platz verwahrt hatte. Ich sehe mich noch genau auf der Jagd nach diesem Büchlein in dem kleinen Zimmer des Hauses, dass ich damals in einer Vorstadt Londons bewohnte, bis ich schließlich verzweifelt darauf verzichtete, es zu finden. Dann gingen die Jahre dahin und viele Dinge ereigneten sich, so dass schließlich Notizbuch und die darin enthaltene Geschichte bei mir in Vergessenheit gerieten. Nun sind sie wieder aus dem Staub der Vergangenheit emporgetaucht, belebten die alten Erinnerungen wieder und ich beginne jetzt die Erzählungen dieses besonderen Kapitels, meines verehrten Freundes Sir Henry Follet, der indessen vor längerer Zeit zu jenem Dunkel dahingerafft wurde, die uns ja alle erwartet.
Eines Abends, nach genussvollem Diner, saßen wir, das heißt Charles Otkins, Doktor Kenn Wood und ich, im Raucherzimmer von Kenn Woods Anwesen in Yorkshire und sprachen von mancherlei Dingen. Zufällig erwähnte ich, dass ich die alten Aufzeichnungen über Sir Follets Erzählungen gelesen hatte, in denen berichtet werde, dass es in Indien an bestimmten Orten und bestimmten Stätten Höhlen gibt, wo Palmblätter aufbewahrt sind, auf denen fein säuberlich, die Geburtsstunde und die Sterbestunde jedes Erdenbürger mit alttamilischen Schriftzeichen vermerkt ist. Ich fragte Charles, ob er diesen Bericht glaubwürdig finde. Er schüttelte den Kopf und antwortete so vorsichtig, dass ich daraus seine Abneigung entnehmen konnte, seine Ansichten über solche Phantastereien darzulegen. Er sagte, dass dieses Thema allerdings ein ungeheures Gebiet und das alles möglich sei. Doch keiner kennt sein künftiges Geschick. Keiner weiß definitiv, was alles an Positiven und Negativen in den kommenden Jahren oder Jahrzehnten sein Dasein bestimmen wird. Keinem ist sein Todesjahr, jener Lebensabschnitt also, der sein Ableben bestimmt, geläufig. Kannst du dir vorstellen, dass dies alles vor Jahrtausenden bereits von jemanden erahnt und danach auf Palmblättern niedergeschrieben worden ist? Kenn Wood und ich verneinten. Aber wir wollten nun nicht ungläubig den Kopf schütteln und derartige Behauptungen unseres Freundes Sir Henry, für reinen Humbug halten. Charles war eben dabei eine Antwort zu geben, denn streiten und atmen war für ihn ein und dasselbe, aber ich sah, wie Kenn seinen langen Fuß ausstreckte und ihm einen Tritt an das Schienbein gab, worauf er schwieg. „Um auf das Frühere zurückzukommen,“ sagte Charles hastig, wie einer, der einem unliebsamen Thema entschlüpfen will, „im Laufe meines Lebens traf ich mehrere Wissenschafter die an dem Orakel des Unglaublichen arbeiteten, aber alles was ich von diesen Herren darüber erfuhr, schien mir zu unrealistisch.“
Er hielt inne, als hätte er die Absicht, mehr zu sagen und ich fragte neugierig geworden: „Was war dieses unrealistische, Charles?“
„Um diese Frage zu beantworten bedürfte es einer langen Geschichte mein Freund,“ mahnte er, „einer Geschichte, die sicher niemand glauben würde, wenn ich sie erzählte; außerdem wird es bereits spät und es könnte euch langweilen. Tatsächlich, ich müsste die Geschichte stark kürzen, ich könnte sie sonst heute nicht beenden.“
Ich sprang von meinem Stuhl auf und ging zur Tür. „Hier sind Whisky, Soda und Zigarren und was immer du und Kenn vorhabt, ich bleibe hier zwischen dir und der Tür, bis du mir die Geschichte erzählt hast, Charles! Du weißt das es unhöflich ist vor seinen Gastgeber schlafen zu gehen, also bitte Fang an zu erzählen“, sagte ich lächelnd. Der alte Knabe brummte und knurrte und schaute grimmig drein, aber da wir zwei in aufreizendem Stillschweigen um ihn herumsaßen, was ihm auf die Nerven zu gehen schien, begann er schließlich: „Also, gut, wenn du es willst? Vor vielen Jahren, als ich beiläufig gesagt, noch ein junger Mann war, begleiteten Sir Henrys Privatsekretär Curtis, und ich, ihn bei seiner ersten Expedition nach Indien, um dort eine der zu rund einem Dutzend existierenden Orakelstätten aufzusuchen, in denen diese geheimnisvollen Palmblätter, die von einheimischen Tempelpriestern und besonders ausgebildeten Übersetzern gelesen und verstanden werden können. Sir Henry nannte diese Höhlen „Palmblatt-Bibliotheken“. Damit wir beiden Begleiter das alles wenigstens ansatzweise verstehen konnten, versuchte er uns auf der langen Hinreise soviel wie möglich darüber zu erklären. Die ersten Tage erzählte er uns über das brahmanische Schriftgut, dass er mit „Akasha“ die „Kosmische-Geist-Substanz“ bezeichnete, die angeblich alles Sein und Werden in sich enthält...“
Mit dem aufschlagen meines alten Notizbuches, und dem suchenden blättern darin, versuchte ich meine schlummernden Notizen zur kreativen Entfaltung zu bringen, und unterbrach Charles mit einem Satz denn Sir Henry mir empfahl zu notieren, der allerdings vom großen Isaac Newton stammte: „ Die Dinge müssen nicht erklärbar sein – es genügt, dass sie wahr sind.“
Genauso wie ich, wusste auch Charles, dass Sir Henry nie bereit war, sich mit dieser „Erklärung“ des berühmten Mannes zufrieden zu geben, der ungeklärte Fragen, die er offenbar nicht zu beantworten wusste, auf diese einfache Formel reduzierte. „Doch Sir Henry,“ fuhr Charles fort, „wollte es genau wissen, was es nun eigentlich auf sich hat mit der ominösen Akasha-Chronik. Wie konnte sie entstanden sein. Konnte ihre Existenz einen wahren Hintergrund haben? Sie musste ja von irgendjemanden geschaffen worden sein. Um der Sache auf den Grund zu gehen und einer objektiven Nachprüfung zu unterziehen, musste er die Angelegenheit selbst in die Hände nehmen.“
Charles nahm einen kräftigen Schluck Whisky und paffte eine Zeitlang an seiner Zigarre, während ich in meinem Büchlein nach weiteren Fragen suchte. Kenn war aufgestanden und stand nun vor dem Kamin und stierte ins Feuer. Irgendwie schien er noch unruhiger geworden zu sein seit Charles sich entschlossen hatte die Geschichte zu erzählen. Gab es da etwas, was Charles mir nicht erzählen, oder war es ein wissenschaftliches Geheimnis das man hüten sollte? Aber diese Überlegung machte mich noch neugieriger, und schien mir zumindest diskutabel zu sein. Zweifellos wusste ich, wie auch meine ehemaligen Kollegen hier, dass Sir Henry stets an „Verdeckten“ Experimenten arbeite. Wir waren eine Ewigkeit lang seine Assistenten und wurden durch und mit seinen Arbeiten auch zu anerkannten Wissenschaftlern. „Was ging er auf den Grund? Und wie sahen seine objektiven Nachforschungen den nun aus?“ fragte ich im wissenschaftlichen Ton in den Raum. So das beiden die Frage galt. Kenn warf Charles einen kurzen Blick zu und stierte danach sogleich wieder ins Kaminfeuer.
„Nun“, begann Charles überlegend, „wie schon gesagt: Manche Wissenschaftler haben sich mit der „Palmblatt-Bibliothek“ befasst. Aber Sir Henry hatte es getan, und mit dem Gedanken gespielt, sein Erleben und seine Eindrücke darüber den Rest der Welt weiterzugeben. Sein erster Eindruck und auch der unsere war nicht überwältigend, als wir schließlich das Ziel unserer anstrengenden Fahrt in das tiefste Indien erreicht hatten. Wir standen vor einer Höhle mit einem aus Palmblättern geflochtenen und durch morschen Holzstangen abgestütztes Vordach über dem mannshohen Eingang. Niemals hätten wir hinter diesem Loch, eine jener geheimnisvollen Hinterlassenschaften vermutet, um deretwillen wir diese anstrengende Reise unternommen hatten. Wir standen erstaunt vor diesem Höhleneingang, da tauchte eine Gestalt auf. Diese hockte sich vor dem Eingang, eingehüllt in einer Felldecke, hinter einem lodernden Feuer. Sein riesiger Schädel, an dem graue Locken niederfielen, saß vorgeneigt, und das Licht des Feuers in das er starrte, spiegelte sich in seinen dunklen, eingefallenen Augen. Wir beschritten den gestampften Boden des Pfades zum Eingang und blieben davor stehen. Der Mann vor dem Feuer beachtete uns einige Zeit gar nicht. Endlich sprach er, ohne aufzusehen, in jener hohlen tönenden Stimme, die keiner anderen, die ich jemals gehört hatte glich, und sagte: „Warum kommst du immer so spät Henry? Wenn die Sonne auf dem Zenit steht und es heiß wird, auch im Schatten? Du weißt, ich hasse die Hitze wie auch all die anderen Leute und ich wollte dich schon gar nicht empfangen.“ Sir Henry trat näher an ihn heran und erwiderte gereizt: „Dennoch, hier bin ich, um dich zu besuchen. Dich der nicht wandert, sondern wie eine Kröte auf einem warmen Stein hocken bleibt.“ Jenes wunderliche Lachen ertönte, welches von den Felsen widerhallte und mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Nach diesem sonderlichen Lachen wurde sein Gesicht sofort grimmig: „Was willst du also? Du kommst ja nur her, wenn du etwas von dem Manne wünscht, denn du Fern von hier den alten Schwätzer nanntest. Du meinst also, ich wandere nicht, sondern sitze wie eine Kröte auf einem Steine? Wie willst du das wissen? Kann denn nur der Körper wandern? Kann nicht auch der Geist wandern, weit, weit fort, selbst in den Himmel, den Himmel dort oben? Und vielleicht auch in jenes Reich unter der Erde, wo man sagt, dass die Toten sich dort befinden? Doch nun, was wünscht du von mir? Halt. Ich will es dir sagen: Du willst das „Orakel des Unglaublichen“ befragen, habe ich recht? Kommt her ihr kleinen weisen weißen Männer und setzt euch zwischen mich und dem Feuer, so dass sein Licht euch durchleuchtet. Dann werde ich imstande sein, zu sehen, was in euren Köpfen vorgeht, „Licht in das Finsternis“, um etwas Licht in meine Finsternis zu bekommen.“ Widerwillig traten wir vor und hockten uns auf dem Flecke nieder, den der alte Mann uns mit seinem knochigen Finger zeigte. Da saßen wir nun, die verknitterten Hüte abgesetzt und an unsere Brüste drückend, gleichsam um die bohrenden Blicke aus seinen lodernden Augen abzuhalten.
„Ha, ha, weißer Mann!“ begann der Alte, nach minutenlanger Betrachtung, unter der Sir Henry unruhig herumzurücken begann. Es verfärbte sich sogar unter seinen Bartstoppeln die Haut, wie eine Jungfrau, die vor ihrem voraussichtlichen Manne deshalb betrachtet wird, ob sie für eine Frau passe oder nicht.
„Ha, ha, da bist du also! Schau in das Feuer, weißer Mann, und auch ihr anderen“, sprach er mit einer seltsamen neuen Stimme, einer Art Traumstimme, die aus weiten Fernen zu kommen schien, „und sagt mir jetzt, ob ihr darin etwas erblickt, denn ich kann es – ich kann es.“ Wir starten in die Flammen, doch wir sahen nichts. „Ha, ha, ha“, lachte der Alte wieder. „Ha, ha, ha“, und von allen Seiten widerhallten die Höhen der Berge. Plötzlich hörte er auf zu lachen und betrachtete unsere verdutzten Gesichter mit seinen tiefliegenden Augen. „Wer war es denn, der Fern von hier behauptete, dass die Akasha-Chronik ein falscher Zauber sei?“ fragte er und wies auf Sir Henry. „Ich weiß es, du weißt es, das hier mit dem Feuer ist ein fauler Zauber.“ In dieser Weise schwätzte der alte Mann weiter, wie es seine Art war, wenn er seinen scharfen Spott mit der Absicht zu verbinden wünschte, Zeit zum Nachdenken zu gewinnen.
Charles Zigarre war erloschen, denn während seiner Erzählung hatte er diese ständig zwischen Daumen und Zeigefinger im Aschenbecher gerollt. Ich entzündete ein Streichholz und gab ihm Feuer, danach schenkte ich ihm sein Glas wieder mit Whisky voll. Jetzt dachte ich, ist es an der Zeit ihm zu erwidern, wenn auch nur, um zu zeigen, dass mich seine Erzählung nicht erschreckt hatte, und so sagte ich: „Woher nahmen diese Priester das Wissen, dass es ihm ermöglichte, den Ablauf des Lebens aller Menschen zu erkennen und danach schriftlich festzuhalten?“ Kenn kam auf meine Frage hin zum Tisch zurück und hockte sich zwischen uns. Er schien sich damit abgefunden zu haben das Charles einfach so darauf los erzählte. Doch sein Gesicht war immer noch Angespannt. Aber bevor Charles antworten konnte begann er: „Die Antwort liegt auf der Hand. Der legendäre Gründer der Palmblatt-Bibliothek, der weise Inder Bhrigu schöpfte seine Kenntnisse vor rund siebentausend Jahren – wie viele vor und nach ihm – aus der Akasha-Chronik. Auf irgendeine Weise gelang es dem mächtigen Mann vor Jahrtausenden, dass „Akasha-Video“ anzuzapfen und auf diese Weise sein Wissen zu erweitern. Er brachte auf diese Art das Geschick von Menschen in Erfahrung, die er selbst niemals kennenlernen sollte und denen es von ihrem Schicksal bestimmt war, zu irgendeiner Zeit in näher oder fernerer Zukunft eine der nun existierenden Palmblatt-Bibliotheken aufzusuchen, um dort aus scheinbar eigenem Antrieb – in Wirklichkeit aber, weil es ihre Bestimmung so gewollt hatte – eines der „Orakel des Unglaublichen“ nach ihrem künftigen Lebensweg, vielleicht auch nach dessen genauem Ende zu befragen.“ Bei dieser erstaunlichen Erzählung von Kenn, brach ich aber doch in ein Gelächter aus und selbst er musste grinsen. Doch er wurde sofort wieder ernst und zeigte mit dem Finger auf mich. „Siehst du, du lachst darüber. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass zu Beginn immer du über mich lachst, während schließlich immer am Ende ich dich auslache und so, glaube ich, wird es auch diesmal sein.“ Nun entsann ich mich den Erzählungen von Sir Henry Follet und hörte auf zu lachen. Immerhin die Sache war möglich. „Entschuldige Kenn“, gab ich sofort zurück, „aber ich wusste nicht, dass auch du dich damit befasst hattest.“ Kenn lehnt sich langsam zurück in den Stuhl und machte ein gelassenes Gesicht. Er wartete mit seiner Antwort, bis ich die feine Nippe Whisky genüsslich geschluckt hatte.
„Sir Henry hatte mich gleich nach seiner damaligen Rückkehr aus Indien damit beauftragt, dem Rätsel des Akasha-Video nachzugehen. Nach der Hypothese von Sir Henry, gibt es ein Vorhandensein von sogenannten „morphogenetischer Felder“ die in der Natur von Gewohnheiten oder nach erlernten Verhaltensmustern existieren. Und gemeinsam sind wir der Frage nachgegangen, wovon eigentlich der Begriff „Akasha“ abgeleitet wurde. Um das herauszufinden, oder besser gesagt, der Lösung des Rätsel etwas näher zu kommen, muss in die tiefsten Tiefen unseres Unterbewusstseins hinabgetaucht werden. Tatsächlich hatte es den Anschein, als ob die „Schöpfung“ von Anfang an darauf ausgewesen sei, nichts von dem, was hierorts zu irgendeinem Zeitpunkt in Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft geschehen würde, dem Vergessensein anheim fallen zu lassen. Offenbar war alles darauf angelegt, „aufgezeichnet“ zu werden, sowie jederzeit „abrufbar“ zu sein. Ähnlich wie bei einem Computer oder wie bei einem Videoband.
In dem brahmanischen Schriftgut fand Sir Henry heraus, wird mit „Akasha“ die kosmische Geistsubstanz bezeichnet, die alles Sein und Vergehen in sich enthält. Altindische Geheimlehren bringen es letztlich auf den Punkt: Für sie ist „Akasha“ das, „aus welchem alle Kreaturen hervorgingen und wohin sie zurückkehren“, Akasha, so heißt es, sei „älter als sie alle“, ja sei überhaupt, „das allerletzte Ende.“ Sir Henry und ich, wir wussten, dass alles sind zwar kluge, jedoch bloß theoretische Gedankengänge, die für den Laien, welcher damit konfrontiert wurde, weitgehend unverständlich waren. Der Laie fühlt sich in diesem Gewirr hochgeistiger Überlegungen ein wenig verloren und vergleicht sein Bemühen, dass Wesentliche dieser vielfältigen Übermittlungen zu begreifen mit einem Dschungelabenteuer, stetig bemüht, sich mit dem Buschmesser eine Schneise durch seine Unwissenheit zu schlagen...“ Charles unterbrach Kenns Redefluss. „Mach eine Pause. Deine Erzählungen sind ein Meer von theoretischen Auswüchsen, und du drohst darin unterzugehen. Du könntest Martin die Konturen dieses Zeitphänomen verdeutlichen. Es würde dabei helfen die sich daraus ableitende Geschehnisse besser zu verstehen.“
Ich dachte zwar, dass meine Ansicht über diesen Einwurf, von der Charles abwich, aber da ich wusste, dass er mich nach seiner Gewohnheit aufzuziehen versuchte, vermied ich es, mich in eine Diskussion darüber einzulassen, als ob die unter meiner Würde wäre und sagte: „All dies ist so klar, dass ich mich wundere, warum du Worte verlierst, um es Kenn zu erklären.“ Kenn entkam ein Lächeln und blieb ruhig und entspannt in seinem Stuhl sitzen, entzündete eine Zigarre, mit deren ersten Züge er Ringe zur Decke paffte. Auch ich blieb still, denn ich war mit meinen Gedanken beschäftigt; jetzt erst, wie in plötzlicher Erleuchtung erkannte ich den Seitenhieb von Charles. Dieser schien entschlossen, den gewünschten Beistand durch mich zu erhalten denn er als für seine Zwecke geeignet betrachtete, obwohl ich keine Ahnung hatte, was diese eigentlich seien. Wenn ich auch viel von Kenns Ausführungen als baren Humbug bezeichnen konnte, so war doch der Rest wahr. Gewiss, beide lebten und bewegten sich auf einem anderen Niveau als ich und die übrigen Sterblichen, und verfügten über Verbindungen und Kräfte von denen ich nichts genaues weiß. Außerdem waren sie, wie ich mit Recht anzunehmen glaubte, obwohl ich es nicht auf den Beweis ankommen lassen würde, in Verbindung mit anderen Männern derselben Klasse oder Hierarchie in Indien – ja, über Tausende von Kilometern hinweg – von denen manche ihre Freunde und andere wieder ihre Feinde gewesen sein mögen, die aber alle in ihrer Art über eine gewisse Macht verfügten. Während ich so überlegte und der alte Charles meine Gedanken erriet – wovon ich übverzeugt war, denn ich sah ihn in seiner Art lächeln und mit seinem Kopf wie in Zustimmung zu meinen Schlussfolgerungen nicken. Ich hielt noch einen Augenblick inne und fuhr dann im erheiterten Ton fort, um die Stimmung etwas zu heben. „Nun, meine Herren, ich muss euch sagen, dass ich geschmeichelt bin, dass ihr mir dies alles erzählt habt. Die Notizen in meinem Büchlein sind, wie ihr wohl richtig vermutet, mangelhaft. Ich kann es mir nun vorstellen, dass die Informationen die mir Sir Henry damals zukommen hatte lassen, nicht die eines Spezialisten für grenzwissenschaftliche Phänomene waren. Er hatte mir wie es scheint nur Spuren für verschiedene Gerüchte, die um solche provokanten Dinge kursieren mitgeteilt. Aber jetzt vorwärts Charles, setz deine Erzählung fort.“ Hier aber mischte sich Kenn ein und flehte Charles an: „Vergiss nicht unser Versprechen das wir Sir Henry gegeben haben!“ Charles winkte ab und besänftigte Kenn. „Das ist keiner Beachtung wert Kenn. Wir erzählen es Martin, er ist schließlich kein Außenstehender. Du weißt ich war immer dagegen das Sir Henry sich ihm gegenüber so geheimnisvoll verhielt und wie die ahnungslose Öffentlichkeit behandelte.“
Kenn zuckte die Schulter und schaute zweifelnd in mein Gesicht, worauf dieses Thema sein Ende fand. Charles fasste Kenns Schulterzucken als Einverständnis auf, ihr Versprechen, dass sie Sir Henry gegeben hatten zu brechen. „Nun gut. Ich will mich aber beeilen...“ Charles blickte kurz auf die wuchtige Standuhr... „zwanzig Minuten nach Mitternacht. Ich hoffe mit der Geschichte bald fertig zu werden. Ich bin es nicht mehr gewöhnt wie ein Politiker zu schwatzen, und das viele Reden zwingt mich, mehr Whisky und Wasser zu trinken als ich sollte. Du scheinst es kaum noch erwarten zu können das Ende der Geschichte zu erfahren und darüber deine Bemerkungen zu machen, und weil du am Morgen sehr früh abreisen und wohl noch vor dem Schlafengehen deine Koffer packen willst? Ich will deshalb eine ganze Menge weglassen, zum Beispiel alles was unsere Reise betrifft, obwohl sie in der Tat eine der interessantesten war die ich jemals gemacht habe, und sie mich größtenteils durch Gebiete brachte die mir vollkommen neu waren und über die man wohl Bücher schreiben könnte. Nun gut, ich lasse alle Details dieser bemerkenswerten Reise aus, während welcher sich weder Unglücksfälle oder andere Unannehmlichkeiten ereigneten. Wir benötigten zehn Stunden um den Bergesabhang in dessen Nähe wir in einem Hotel untergebracht waren, mit einem Taxi zu erreichen. Die Fahrt auf die andere Seite des Berges dauerte zwei Stunden. An seinem Fuß wuchs dünnes, buschiges Gras, gelegentlich von Büschen unterbrochen, und bildete eine urwüchsige Ebene die stellenweise in Wüste überging. Nun, ihr Burschen wißt, was eine indische Wüste ist. Dennoch war der Fleck von dem aus wir zu Fuß weiter mussten, unangenehm genug. Erstens war die Hitze fürchterlich, dann bestand das Gelände teilweise aus Abhängen oder Wellen von Hügeln, auf die wir emporklettern und von denen wir zur anderen Seite auf den Hosenboden wieder hinabgleiten mussten, was uns überaus erschöpfte. Dann wuchsen hie und da eigenartige dickblättrige Pflanzen mit spitzen Stacheln welche beim Berühren ein schmerzhaftes Brennen erzeugten. Wir brauchten weitere zwei Stunden um diesen verteufelten Landstrich zu überschreiten, die noch eine besondere Eigentümlichkeit hatte. Vereinzelt standen nämlich Obelisken gleich, durch Sandstrahlen polierte Steinsäulen auf ihrer Fläche, manche davon aus einem Stück. Monolithen, andere wieder aus mehreren übereinandergetürmten Steinen zusammengesetzt. Wir nahmen an, dass es Überbleibsel vergangener Gebirgsschichten waren, härteres Gestein, dass der Verwitterung durch Wind und Wasser widerstanden hatte, welche im Laufe von Tausenden oder Millionen von Jahren den weichen Felsen zu Staub gemahlen und davongetragen hatten. Diese obeliskartigen Säulen gaben dieser Einöde ein überaus sonderbares Aussehen. Ich will nicht alle Einzelheiten dieser unendlichen Wanderung wiedergeben. Doch jetzt waren wir wirklich da. Alle Anstrengungen hatten sich gelohnt. Wir gehörten zu den Glücklichen, oder soll ich sagen „Auserwählten“, denen es bestimmt war, dieses Orakel persönlich zu erleben. Um auf diese Weise, jeder einzelne, sein noch im Nebel der Zukunft verborgen liegendes Schicksal zu erfahren. Nach dem Geplänkel mit dem Rishi am Feuer, erwartete uns einige Höhlenbewohner, die offenbar zum Mitarbeiterstab der Palmblatt-Bibliothek gehörten. Wie an allen „Heiligen Stätten“ Indiens wurden wir auch hier veranlasst, und der Schuhe zu entledigen und barfuss die als geweiht geltende Höhle zu betreten. Ich fragte Rishi der voran ging wie alt die Höhle sein möge, und er sagte mir, dass sie so alt sei wie die Berge ringsum, denn weiter drinnen gäbe es versteinerte Fußspuren im Felsboden, die von keinem der ihm bekannten Tiere stammten. Er werde mir diese Fußspuren morgens zeigen, wenn ich mich dafür interessiere. Ich war aber nicht daran interessiert. Er eilte voraus, wie um seine Aufgabe möglichst rasch zu beenden und wir waren gezwungen, ihm zu folgen, um uns nicht in den Winkeln der ausgedehnten Höhle zu verlieren. Wir quetschten uns nach ihm in die Öffnung, wo, obwohl wir nicht sehr groß waren, kaum für jeden Platz war. Sie ging in einem engen Tunnel über, derentweder durch Wasser ausgewaschen, oder durch den Druck explodierender Gase vor Hunderttausenden von Jahren gebildet worden war. Ich glaube eher das letztere, den die Decke, welchen mehr als acht oder neun Meter über uns war, hatte scharfe Spitzen und Unebenheiten, welche nicht von Erosion herrühren konnten. Der Boden allerdings war glatt, durch unzählige Generationen von Menschenfüßen abgetreten. Im übrigen war es keineswegs selbstverständlich gewesen, als Besucher in die Höhle gebeten zu werden. Dieser Vorzug wurde uns in erster Linie deshalb zuteil, weil wir Gäste aus dem fernen England waren und Sir Henry seit geraumer Zeit in Verbindung mit Rishi dem vorauseilenden Tempelpriester stand. Kaum waren wir in diesen von Wandfackeln erleuchteten Höhlenraum, rief er uns zu, stehen zu bleiben. Sein hinter ihm herwogendes Gefolge war aber nicht nur mit dem Austeilen der „heiligen Asche“ befasst, sondern auch damit, aus mehreren gefüllten Töpfen jedem von uns einen Schöpflöffel voll gesalzenem Reisbrei auf ein Palmblatt zu klatschen, das uns zuvor ausgehändigt wurde. Der alte Mann belehrte uns dabei; man darf beim Halten des Palmblattes ausnahmslos nur die rechte Hand benützen. Es mit der linken Hand zu tun gilt in Indien als anstößlich, ja sogar als beleidigend. Die linke Hand wird dort in keinem Fall zur Essensaufnahme herangezogen. Sie ersetzt im Extremfall das in ärmeren Kreisen oft nicht vorhandene Toilettenpapier. Während wir unsere zeremonielle Mahlzeit zu uns nahmen, hatte sich der Priester vor einem altarartigen Aufbau, welcher sich in einer farbenfrohen Blütenpracht präsentierte, seine Gebete mit lauter Stimme verrichtete. Dann erfolgte der nächste Abschnitt des Zeremoniells. Rishi, der alte Mann selbst, trat dabei nicht in Erscheinung. Wir wurden nunmehr von dem Bibliothekendolmetscher, sowie einigen seiner Assistenten höflich begrüßt. Man bat uns auf einem bereitgestellten Papier, Name, Anschrift sowie Datum und Stunde der Geburt niederzuschreiben. Um unter den Tausenden im Bibliotheksarchiv angeblich aufbewahrten Palmblättern das jeweils richtige herauszufinden, benötigten die priesterlichen Helfer auch noch von jedem den Abdruck des rechten Daumens. Dieses erwies sich als unumgänglich. Inwieweit dies ausreichte um die Suche nach dem richtigen Palmblatt zu beschleunigen oder zu erleichtern, war für uns ein Rätsel. Mit nunmehr blauen Daumen versehen, bat man uns aus einer Schüssel, heilige Asche in die Hand zu nehmen. Damit drückten wir uns einen Punkt auf die Stirn. Darauf hin wurde die rituelle Handlung eingeleitet. Dazu erschien wieder Rishi, er war hierfür der zuständige Experte. An seiner Seite befand sich ein Assistent der ausersehen war das eigentliche Leseritual vorzunehmen. Der Augenblick war gekommen. Der Dolmetscher übersetzte alles simultan in ein Englisch, in einem für englische Ohren amüsierenden indischen Akzent.
Schon auf der Reise nach Indien, hatte ich mich entschlossen, mir mein gesamtes zukünftiges Leben – und alles was sich darin noch ereignen würde – mitteilen zu lassen. Nicht nur ich, auch Sir Henry und sein Sekretär Curtis waren dazu fest entschlossen. Ich wollte einfach alles wissen, und ging deshalb auch das nicht unbedenkliche Risiko ein, sogar mein Todesjahr und wenn möglich auch meinen Todestag in Erfahrung zu bringen. Mit Recht verwies Sir Henry damals darauf, dass diese Wissbegierde für labile Charakter durchaus zu einem Bumerang werden könnte. Es soll schon Menschen gegeben haben denen derartige Angstzustände zum tödlichen Verhängnis geworden sind. Nun ich bin auf diesem sensiblen Gebiet auch nicht gerade aus Eisen. Ich war mir auch bewusst, dass meine wissenschaftliche Neugier mir unter Umständen größere psychische Probleme bereiten konnte – aber ich wollte es riskieren. Im Übrigen reichen die Aufzeichnungen solcher Palmblätter bis in das Vorleben des jeweiligen Fragenstellers zurück. Damit berühren sie einmal mehr das in geheimnisvolles Dunkel gehüllte Gebiet der Reinkarnation, und kann, ja darf man Voraussagen wie jene, die uns die Palmblatt-Bibliothek eröffnen wird ernst nehmen? Was mich betraf, so hatte ich mich darauf eingestellt, die auf mich zukommenden Ereignisse ruhig abzuwarten, mich davon überraschen zu lassen. Bewahrheiten sich die mir bevorstehenden Prophezeiungen des „Orakel des Unglaublichen“, dann war diese Reise wenigstens nicht vergeblich. Aber, um wieder auf das Zeremoniell zurückzukommen. Irgendwann am Nachmittag, teilte mein indischer Übersetzer mir mit, dass es ihm unmöglich sei mein Todesjahr zu nennen. Es war mir nämlich nicht möglich, ihm meine genaue Geburts-Minute anzugeben. Ich besitze kein Dokument worin eine solche Angabe enthalten ist, und meine Eltern lebten nicht mehr. Aber es gab Erzählungen meiner älteren Geschwister. Demnach bin ich zwischen drei und halb vier Uhr zur Welt gekommen. Eine halbe Stunde aber ist im astrologischem Bereich enorm viel, und enthält somit eine gewisse Unschärfe. Ich vermochte mich damit zu trösten beziehungsweise – beruhigen, dass mein endgültiges Todesjahr von der Palmblatt-Voraussage abweichen könnte – und mein Leben um einige Jährchen länger währen wird. Leidtragender um die Geburtsstunde war auch Sir Henry. Er kannte sie überhaupt nicht und musste sich, wie ich, mit wagen Spekulationen seitens des Bibliothekendolmetschers abfinden. Uns beiden wurde beschieden, in einigen Jahren noch einmal vorzusprechen. Einzig Curtis, war da besser dran: Ihm wurde sein weiterer Lebensweg erzählt. Weswegen sie ihn auch von uns absonderten und außer Hörweite brachten. Wir wurden von den Übersetzern verabschiedet und von einem Assistenten zum Höhlenausgang begleitet. Sir Henry war wütend und verfluchte den Rishi der ihm in den zahllosen Briefen die er von ihm erhalten hatte, nichts über die Notwendigkeit, um das Wissen der Geburtsstunde erwähnte. Nach einiger Zeit kam er dann aus der Höhle. Und wie schon bei der Ankunft war Rishi zurückhaltend. Er blieb kurz vor Sir Henry stehen, schüttelte stumm den Kopf und hockte sich wieder ans Feuer das immer noch hell loderte und in dessen Licht er dann begann, fortwährend in einer Art Singsang leise hineinzumurmeln. Wir setzten uns in einen der mehreren Strohkörbe die vor dem Höhleneingang an den Bäumen hingen, und beschlossen schaukelnd hier auf Curtis zu warten. Schweigend und irgendwie verstohlen beobachteten wir den alten Mann am Feuer. Plötzlich drang Geschrei aus dem Höhleneingang. Anfangs war nichts zu verstehen da es entlos echote. Dann hörte wir: „Stop. Stop, haltet den Mann.“ Da kam Curtis aus der Höhle gerannt, huschte an uns vorbei und blieb vor dem Feuer stehen. Kurz wandte er sich zu uns, sah den Tempelpriester an und ließ etwas ins Feuer fallen. Explosionsartig stiegen zwei riesige Flammensäulen durch die Baumkronen empor. Erschrocken und fassungslos begannen Curtis Verfolger Wehzuklagen und jämmerlich zu schluchzen. Auch ich war sehr erschrocken, denn ich fühlte wie der Berg hinter mir erzitterte als ob er im Begriff war zusammen zu stürzen. Ich gab vor, nichts von meinem Entsetzen zu bemerken, sondern starrte wie Sir Henry unausgesetzt auf Curtis. Innerhalb von Sekunden sahen wir, nur wenige Meter von uns entfernt, wie Curtis in eine Art Nebel eintauchte. Er schwankte und begann sich zu drehen. Seine Kleider wickelnden sich von ihm ab, fielen zu Boden und sein Körper verpuffte in der Nebelwolke. Unter den Indern breitete sich noch mehr Entsetzen aus, doch Rishi brachte sie alle mit einige Worte zur Ruhe. Was war geschehen? Nun, Curtis hatte seinem Übersetzer das Palmblatt entrissen, da er daraus erfuhr, dass er noch dieses Jahr sterben werde. Mit höchster Wahrscheinlichkeit dachte er, wenn er das Palmblatt im Feuer vernichte, würde diese Voraussage nicht eintreffen. Doch Rishi erklärte uns, welch großer Irrtum das war. Mit dem Verbrennen seines Palmblattes verbrannte Curtis auch seine genauen Geburtstaten, ohne deren man einfach nicht existierte. All diese Dinge blieben und bleiben unter dem Schleier eines großen Geheimnisses verborgen, denn wir haben niemals etwas von ihm gehört. Curtis existierte nicht mehr. Und lieber Martin, wenn du mehr über diese Geschichte erfahren willst, so müsstest du selbst nach Indien reisen. Nur ich würde, wie ich bereits gesagt zu haben glaube, nicht mehr mitmachen.“
„Bravo!“ sagte ich und klatschte in die Hände. „dies ist ein wundervolles Garn! Ich wette ich hätte es nicht besser weben können.“
„Nein, Martin“, entgegnete Charles und entzündete eine weiter Zigarre, „ich bin überzeugt, dass du dies nicht hättest tun können. Sieh mal. Tatsachen sind eine Sache, und das was du „Garn“ nennst, eine andere. So und jetzt wünsche ich euch eine gute Nacht!“




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