Bitte lächeln!
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Mai 2003
Everyday
von Josèphine Moser


„Ja, sie ist eine rüstige Frau, meine Mutter. Aber eben... das Gehirn lässt nach. Sie begreift es selber nicht, aber wir merken es jeden Tag mehr.“, Sophia seufzte. „Es tut mir ja auch wirklich leid für sie. Ich hätte sie so gerne bei mir behalten. Aber unter den gegebenen Umständen ist es mir leider nicht möglich. Mein Mann hat mich vor zwei Monaten verlassen und im Moment habe ich selber genug zu tun mit meinen drei Kindern. Klar, sie sind schon recht selbständig, sie wissen ja, mein Mann war auch vorher fast nie zu Hause, aber es ist jetzt auch für sie eine Riesenumstellung. Und nun auch noch die Sache mit meiner Mutter. Das ganze gab mir viel zu Denken. Aber nun steht mein Entschluss fest.“, sie lächelte tapfer, „Ihr Heim hat mir von Anfang an zugesagt.“
„Das ist schön. Wir werden uns gut um ihre Mutter kümmern. Sie weiss davon?“, fragte die Heimleiterin des Altersheims ‘Rosengarten’.
„Nnein. Ich hielt es für besser, sie noch nicht zu informieren.“, meinte Sophia mit einem entschuldigenden Blick.
„Bei manchen Leuten ist es tatsächlich besser.“, sagte nun auch die Heimleiterin voller Verständnis. „Nun, da wären noch einige Formalitäten auszufüllen. Wenn Sie hier bitte unterschreiben könnten“, sie reichte Sophia einen Kugelschreiber. Ohne Zögern unterschrieb sie.
„Dann wäre das ja auch geklärt. Wir geben Ihnen dann Bescheid, wenn das Zimmer frei wird. Etwa in zwei Wochen zieht eine Heimbewohnerin aus.“, sie schüttelte Sophia freundlich die Hand und trat in den Garten des grossen Miethauses.
„Auf Wiedersehen und vielen Dank!“ Das Gartentor schlug hinter der altertümlich gekleideten Frau zu und für Sophia hatte dieser Klang auf eine seltsame Art und Weise etwas Endgültiges an sich. Sie atmete auf.
„Philipp, Louisa!“, rief sie nun. „Kommt, wir holen Sabine aus dem Kindergarten ab!“
Eine Junge von etwa 5 Jahren rannte um die Hausecke. An der Hand hielt er ein jüngeres Mädchen, man schätzte sie auf etwa 3 Jahre.
„Was war denn das für ne’ komische Frau vorhin?“, fragte Philipp mit kindlicher Neugierde.
„Ach...“, Sophia überlegte. Wahrscheinlich war es nicht gut, ihren Kindern zu sagen, dass ihre Omi sie verlassen würde. Schliesslich wusste die alte Frau noch nicht mal selbst davon.
„Och, das war bloss ne alte Freundin.“, meinte Sophia und wechselte schnell das Thema. „Sagt mal, wollen wir drei nachher nicht mal wieder ein Eis essen gehen?“
„Eis, Eis...“, rief Louisa begeistert.

„Mutter, ich muss mit dir reden.“, behutsam setzte sich Sophia auf den Stuhl neben ihrer Mutter.
„Na, dann schiess mal los!“, rief die alte Frau vergnügt.
Sophia blieb einen Augenblick ruhig sitzen und legte sich zurecht, wie sie das schwierige Thema ansprechen sollte.
„Mutter, du hast dich in letzter Zeit verändert. Wir haben das alle gemerkt. Das ist das Alter. Du hast immer wunderbar zu den Kindern geschaut, hast mit ihnen gespielt und mit ihnen gekocht. Aber nun, wie soll ich das ausdrücken, nun weißt du manchmal nicht mehr ganz, was du tust. Und...“
„Also hör mal! Muss ich mir das von meiner Tochter sagen lassen? Ich weiss sehr wohl, was ich tue!“, unterbrach Charlotte ihre Tochter entrüstet.
„Lass mich ausreden, Mutter. Nach langem Überlegen habe ich beschlossen, dass es das Beste ist, wenn du ins Altersheim gehen würdest.“
Charlotte holte tief Luft um lautstark zu protestieren, doch Sophia unterbrach sie. „Es war eine sehr schwierige Entscheidung. Ich habe es mir wirklich gut überlegt. Die Frau aus dem Heim war heute schon da, während du spazieren gingst. Du wirst es dort gut haben, glaub mir.“
Beleidigt marschierte Charlotte aus dem Zimmer. „Eine Frechheit! Das ich mir das von meiner eigenen Tochter bieten lassen muss! Von meiner eigenen Tochter. Na hör mal...“, leise murmelte sie vor sich hin.
Traurig blickte Sophia ihr nach und schüttelte den Kopf.

Zwei Wochen später war es soweit. Ein kleiner Umzugslastwagen holte die Möbel von Charlotte. Diese, immer noch beleidigt, würdigte die Umzugshelfer keines Blickes und meinte nur spitz: „Ich gehe spazieren.“
„Ist gut, Mutter. Vielleicht überlegst du das ganze noch mal in Ruhe. Ich meine, du wirst es wirklich gut haben im Heim! Und...“, Sophia wollte weitersprechen, doch schon allein am Gesichtsausdruck ihrer Mutter konnte sie erkennen, dass diese ihr gar nicht zuhörte. Seufzend drehte Sophia sich um.
„Mama, Mama, komm mal schnell!“, Philipp raste um die Hausecke. „Die Männer, die können ganze Schränke tragen!“, begeistert zog er Sophia mir ins Haus. Sie lächelte.
„Mama, kann ich jetzt wirklich mein eigenes Zimmer haben?“, fragte Sabine, die älteste Tochter. „Ja, natürlich mein Schatz. Komm, wir planen schon mal, wie wir es einrichten sollen.“, Sophia folgte ihrer Tochter, die schon aufgeregt vorausrannte.
„Mama, warum kann Sabine ihr eigenes Zimmer haben und ich nicht?“, Philipp blickte beleidigt durch seine dicken Brillengläser.
„Ach Philipp. Wir haben das jetzt schon x-mal diskutiert. Nun sieh das doch mal von der positiven Seite. Jetzt habt ihr, Louisa und du, doch viel mehr Platz!“
„Ich will aber nicht mit Louisa das Zimmer teilen!“, schrie Philipp und schluchzte.
„Mamma? Kommst du?“, Sabine trat ins Zimmer.
„Ja, gleich. Geh schon mal in dein Zimmer und überleg dir, wie du es einrichten willst. Philipp, nun sei doch nicht gleich so wütend! Komm mal her!“, Sophia nahm ihren Sohn in die Arme. „Weißt du, ich verstehe dich schon. Und ich würde dir auch sehr gerne ein eigenes Zimmer gönnen. Aber du siehst doch, dass wir nun halt mal kein freies Zimmer haben für dich!“
„Ja, ja...“, murrend entzog sich Philipp den mütterlichen Zärtlichkeiten und verschwand draussen im Garten.
„Mama!“, Sabine war genervt.
„Tut mir leid, ich musste noch eben deinen Bruder trösten. Aber nun habe ich Zeit. Also, wie wärs, wenn wir das Bett gleich unter das Fenster stellen würden? Und gleich daneben wäre Platz für...“
„Entschuldigung! Können Sie kurz kommen?“, ein Umzugshelfer trat ins Zimmer. „Es gibt noch ein kleines Problem mit den Möbeln.“
„Ja, ich komme.“
„Aber Mama!“
„Ich komm’ gleich wieder!“
Das Telefon klingelte.
„Sabine, nimmst du mal das Telefon?“, rief Sophia noch, bevor sie dem Umzugsarbeiter folgte.
„Welche Möbel müssen denn nun noch transportiert werden? Könnten Sie das alles mit Klebeband markieren?“, fragte der Umzugshelfer.
„Ja klar“, willig nahm Sophia das Klebeband.
„Ach ja, da wäre noch eine Frage...“
„Mama?“, Sabine stand in der Tür mit dem Telefon.
„Ich kann jetzt gerade nicht. Schreib die Nummer auf den Notizblock, ich ruf dann zurück!“
„Die Frage ist...“, setzte der Umzugshelfer gerade an, doch Sabine rief dazwischen: „Mama! Es ist wichtig!“
„Also, ich komme gleich!“, genervt liess sich Sophia auf den nächsten Stuhl fallen. „Diese Familie schafft mich noch...“, stöhnte sie. Der Umzugshelfer sah seinen Augenblick gekommen und meinte: „Nun aber zu meiner Fragen. Sie sagten, es sei alles...“
„Mama! Omi ist im Krankenhaus!“, schrie Sabine nun.
„Ach du meine Güte, warum sagst du das erst jetzt?“
„Ich wollte ja...“, Tränen liefen über Sabines Gesicht.
„In welchem Krankenhaus?“
„Elisabethen-Krankenhaus, sagten sie glaub ich.“
„Schnell! Hol Philipp und Louisa, wir fahren sofort hin. Und ihr“, sie wandte sich den Umzugsmännern zu, „ihr macht Pause bis wir wider da sind, okay?“

„Tja, ein Schlaganfall wäre nicht auszuschliessen.“, meinte die Ärztin. „Sie war überanstrengt. War irgend etwas nicht in Ordnung bei Ihnen zu Hause?“
„Nein, ich meine ja..“, stotterte Sophia.
„Omi wäre heute ins Altenheim gegangen.“, vertrat Sabine ihre Mutter, die völlig erschöpft auf einem Stuhl sass.
„Ach so. Na ja, wie auch immer es war, sie können kurz zu ihr. Aber nur fünf Minuten!“
„Kommt, ihr drei.“, mit wiedergewonnenen Kraft erhob sich Sophia aus dem Stuhl.

„Omi!“
„Hallo, ihr vier!“, Charlotte lächelte.
„Mutter, was hast du denn bloss getan?“, seufzte Sophia.
„Ich? Ich habe doch gar nichts getan! Du, du warst es, die mich ins Altersheim schicken wollte! Du allein!“, entgeisterte sich Charlotte.
„Mutter, ich...“
„Geh! Geh du bloss! Ich kann dich jetzt nicht sehen!“
„Mutter!“
„Geh!“, schrie Charlotte.
„Ich glaube, Sie sollten jetzt besser gehen!“, meinte nun auch die Krankenschwester, die gerade eingetreten war.
„Gute Besserung, Mutter.“
Die Antwort war bloss ein Grunzen.
„Warum war Omi denn so unfreundlich zu dir?“, fragte Philipp, als sie aus dem kühlen Krankenhaus in die flirrende Mittagshitze traten.
„Weißt du, Omi war nicht ganz zufrieden, dass sie ins Heim gehen sollte.“
„Und warum hast du sie trotzdem geschickt?“, mischte sich nun auch Sabine ein.
„Das habt ihr selber gemerkt. Sie war oft nicht mehr ganz zurechnungsfähig. Es ist einfach das Alter. Ich hätte sie kaum mehr alleine lassen können. Das habt ihr auch heute gesehen. Ich hätte sie niemals alleine spazieren gehen lassen sollen. Es war unüberlegt von mir, das weiss ich selber.“
„Mach dir keine Vorwürfe, Mama. Du hattest wirklich Stress heute Morgen.“, versuchte Sabine ihre Mutter zu trösten.
„Danke Sabine. Aber ich war wirklich schuld.“

„Wie geht es denn nun weiter?“, fragte einer der Umzugsarbeiter.
„Gute Frage. Ich habe keine Ahnung. Ich glaube, das Beste ist es, wenn ihr den ganzen Krempel schon mal ins Altersheim bringt.“
„okay. Los Jungs, wir fahren!“
Eine Staubwolke hinterlassend fuhr der Umzugswagen in Richtung Altersheim.
Sophia seufzte. Ruhe legte sich über das Haus.
Sabine las in ihrem Zimmer, froh einmal alleine zu sein und Philipp spielte mit Louisa. Ab und zu hörte man Geräusche, ansonsten war es still.
Dann schrillte das Telefon.
„Ja?“, Sophia hatte sich seufzend aus dem gemütlichen Sessel erhoben und den Telefonhörer genommen.
„Hier Schwester Ingeborg. Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass es Ihrer Mutter wieder schlechter geht. Sie hat sich heute sehr aufgeregt und wollte ihre Tabletten nicht schlucken. Wir mussten ihr schliesslich eine Beruhigungsspritze geben. Nun schläft sie, aber es geht ihr nicht besonders gut.“
„Du meine Güte! Was kann ich denn jetzt tun? Kann ich zu ihr?“
„Sie merkt nichts, aber wenn es Sie beruhigt, können Sie kommen.“
„Ich komme.“
Mit klopfendem Herzen hängte Sophia auf. Dann klopfte sie an Sabines Zimmertür.
„Hm?“
„Sabine, könntest du heute Abend ein wenig auf deinen Bruder und deine Schwester aufpassen?“
„Aber wieso denn?“
„Ich geh’ noch mal eben zu Omi. Das Krankenhaus hat vorhin angerufen, es geht ihr schlechter.“
„Aber, Mama?“
„Was denn?“
„Mama, wird sie sterben?“, die Angst stand Sabine ins Gesicht geschrieben.
„Bei älteren Menschen ist das nie auszuschliessen. Aber unsere Omi ist noch so rüstig, da denke ich nicht, dass sie stirbt. Aber man kann wirklich nie wissen.“
„Hm. Grüss sie von mir, ja?“
„Ich werde es ihr ausrichten. Und pass auch deine Geschwister auf! Du weißt, wie sie manchmal sein können.“
„Ist gut Mama. Du kannst dich auf mich verlassen.“
„Danke.“

Als Sophia ins Krankenzimmer eintrat, war sie zutiefst bestürzt. Die sonst so rotwangige Charlotte lag aschfahl in dem weissen Krankenbett.
„Mutter?“, vorsichtig legte Sophia die Blumen, die sie in aller Eile noch gekauft hatte, auf einen Tisch.
Charlotte atmete unregelmässig. Sie war an einen Apparat angeschlossen.
Sophia seufzte.
„Sophia?“, hörte sie plötzlich eine leise Stimme.
„Mutter! Ja, ich bins.“
„Ich... werde... nicht mehr lange ... leben.“ Das Sprechen bereitete Charlotte Mühe.
„Mutter! Wie kannst du so etwas sagen! Du wirst wieder auf die Beine kommen, da bin ich sicher!“
„Nein. Und das weißt .... auch du. Ich bin ... schon alt. Und ich hatte ... ein schönes Leben.“
„Mutter!“, Sophia schluchzte nun.
„Sophia...“, Charlotte wollte etwas sagen, doch sie war zu schwach.
Eine Schwester betrat das Zimmer.
„Warum haben Sie mir nicht gesagt, dass es meiner Mutter so schlecht geht?“, fragte Sophia leise.
„Wir wollten Sie nicht unnötig beunruhigen. Aber im Moment sieht es wirklich nicht so gut aus.“
„Wird sie... sterben?“, Sophia brachte das Wort nur leise über die Lippen.
„Dass können wir im Moment nicht sagen. Am besten ist es, wenn Sie jetzt nach Hause gehen und morgen wiederkommen. So kann Ihre Mutter noch ein wenig schlafen. Wenn irgend etwas passiert, dann rufen wir Sie an, versprochen.“
„Danke.“

Das Haus lag ruhig da. Die Kinder schliefen. Auch Sophia legte sich hin. Mit Sorgenfalten auf der Stirn schlief sie schliesslich ein.
Mitten in der Nacht klingelte das Telefon.
„Ja?“
„Hier Schwester Ingeborg. Leider muss ich Ihnen die traurige Mitteilung machen, dass Ihre Mutter vorhin friedlich eingeschlafen ist. Für immer. Es tut mir Leid.“
„Danke. Hat sie... ich meine, musste sie leiden?“
„Nein. Sie war ganz ruhig. Sie lässt Ihnen noch etwas ausrichten.“
„Ja?“
„Bevor sie starb sagte sie: ‘Sophia, egal, ob ich nun lebe oder ob ich tot bin, du wirst immer meine Tochter bleiben. Für immer.’“














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