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Juni 2003
Steinbocks aufregendster Tag
von Rosemarie C. Barth


An einem verregneten Donnerstag verließ Alfons Steinbock wie seit Jahren, pünktlich 17.30 Uhr sein Büro, trat mit höflichem „Wiedersehen“ aus dem Foyer und schlenderte zur Haltestelle. Nach der üblichen Drei–Minuten-Wartezeit rollte der Bus heran. Die Fahrgäste stiegen ein, wie jeden Tag. Auch Steinbock setzte sich auf seinen Stammplatz hinter den Fahrer Bucher und schlug wie allabendlich seine Lieblingslektüre „Nordische Post“ auf.
So was, gerade paar Minuten gefahren, schon hält Paule Bucher? Der jähe Stopp ließ Steinbock von den Zeilen aufblicken.
„Kriegen wir Stau?“ rief Steinbock zum Fahrer.
„Ja, glaub’ wohl, vor uns bildet sich ein mächtiger Auflauf. Genaueres kann ich noch nicht sehen.“
„Na, wird nicht so arg werden“, erwiderte Alfons Steinbock und las seine Zeitung weiter.
Hoffentlich bringen die Verkehrsrowdys nicht meinen Fahrplan wieder durcheinander, dachte Paul Bucher. Schlimm, dass die Schillerstraße von denen oft mit einer Rennstrecke verwechselt wird. Letztes Wochenende knallte ein „Testpilot“ geradezu in die Haltestelle. Irre, die jungen Leute! Machen nur noch auf Risiko.

He, he, was .. was plätschert da die Straße herunter? Steinbock stierte neugierig aus dem Busfenster. Es hatte längst aufgehört zu regnen. Doch wie reißende Sturzbäche trieben Wassermassen durch die Chaussee entlang. Was war da los?
Verflixt, wieder nicht im Zeitlimit, bemerkte Fahrer Bucher, als er zur Armbanduhr sah. „He – wo kommt das Wasser her?“ rief er und im selben Moment donnerte es über den verdutzten Köpfen der Fahrgäste.
Oh Gott, ein Verkehrsstau direkt unter der Eisenbahnüberführung zu dieser Zeit, witterte Steinbock nervös. Das fehlte noch. So was Verrücktes gab es noch nie. Seit ich hier mitfahre nicht. „Los, los - karre endlich weiter“, murmelte er „gleich beginnt der verrückte Feierabendzugverkehr. Alle Züge fahren dann über diese Brücke. Da gibt‘s einen Riesenkrach. Komm schon, fahr!“
Was denn? Jetzt platschte es gegen den Bus? Steinbock glaubte kaum, was er plötzlich sah.
„Hilfe! Was passiert denn hier?“ schrie er entsetzt, und stupste Paul Bucher grob an.
„Liebe Fahrgäste, es wird heute etwas dauern“, meldete Bucher über Funk. „Zum Glück sitzen Sie trocken! Will hoffen, dass es sich nicht ewig hinzieht.“
Seine letzten Worte waren kaum zu hören, erneutes Zugdröhnen übertönte die Mikrofondurchsage. Als das Getöse verhallt war, meldete sich Bucher abermals, diesmal zur Leitstelle: „Linie 60, Bucher hier. Stehe im Stau unter Bahnüberführung Schillerstraße. Auf beiden Seiten rührt sich nichts. Ein gewaltiger Wasserschwall ballert an den Bus! Ist ein Rohr geplatzt, oder was ist los? Habt Ihr Informationen?“
„Leitstelle, Herbert Uhl hier. Nee, Paul, uns liegt nichts vor!“
„Wenn das so weiter geht“, rief Bucher den Passagieren zu „kriegen wir nasse Füße. Wir stehen genau tief in der Senke.“
Alfons Steinbock war das Zeitung lesen vergangen. So ein Mist, dachte er wütend, wie schön wär’s jetzt zu Hause. Den lieben langen Tag gearbeitet, und zum Feierabend Ärger.
„Wer als Fußgänger weiter will, hat jetzt die Chance“ rief Bucher und feixte. Dabei öffnete er leicht die Bustür und verneigte sich.
„Noch verarschen“, zischte Steinbock. Losfahren! Ich will heim.
„Hier Leitstelle. Linie 60 kommen“, grölte es blechern aus dem Lautsprecher.
„Hier Nummer 60, Bucher, Paul – ja bin dran!“
„Hallo, Paule, Uhl hier! Linienverkehr Nord sofort eingestellt! Havarie der Hauptwasserleitung! Nimm‘s leicht, alles wird gut, bleib’ ganz locker.“
„Hallo, Leitstelle! Hier Bucher! He, lass die Faxen, ich stehe mitten in der Unterführung Schillerstraße in der Mulde. Wasser läuft schon über die Radkappen. Brauche dringend Hilfe!“
„Wieviel Fahrgäste hast du mit, Paule?“ fragte Uhl.
„13, Unglückszahl, obwohl morgen erst mal Freitag, der 13. ist.“
„Bleib’ ruhig Junge, wir informieren die Feuerwehr! Ende.“
Paul Bucher hatte keine Rettungsringe an Bord, jedoch schaffte er es witzelnd, die Gäste geduldig zu halten. Nur Steinbock hatte keine Lust auf Buchers blöde Gags. Trotzig maulte er vor sich hin.

Und wirklich, bald näherten sich in der Unterführung knallrote Feuerwehrboote und stoppten an den Bustüren. Die Fahrgäste, allen voran Steinbock, stiegen gestützt von den Feuerwehrleuten, in die Rettungsboote und wurden zügig zur Straße gepaddelt.

Abends schaltete Steinbock den Fernseher nicht - wie sonst -
23 Uhr ab. Als hätte er geahnt, dass die Rettungsaktion an der Unterführung Schillerstraße während der Spätnachrichten als „Aufregung des Tages“ gesendet würde. Und, Alfons Steinbock war deutlich zu erkennen. Herrgott, so ein Tumult, was für ein großartiger Abend. Steinbock fühlte sich als Held und lümmelte genüsslich im Sessel.

Nachts schlief Steinbock schlecht, Alpträume brachten sein sonst minutiös geordnetes Leben völlig durcheinander. Dieser Abend hatte einen Beamten wie Alfons Steinbock total aus der Bahn geworfen. Selbst am Freitag, den 13. konnte er sich im Büro nur schwer konzentrieren.



Rosemarie C. Barth, Magdeburg im Juni 2003







Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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