Der Tod aus der Teekiste
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Juli 2003
Muddleland
von Michaela Kux


Biba sitzt in ihrem Kinderzimmer. Wie immer liegen die Klamotten der letzten Tage im Zimmer verstreut. Der Staub auf den Regalen scheint auch schon mindestens einen Zentimeter dick. Der Teppich ist übersät mit Resten von Kartoffelchips und zerknülltem Papier. Sie hat die Kopfhörer aufgesetzt und hört ihre Lieblingsmusik, dabei wippt sie mit dem Fuß im Takt.

Da fliegt die Tür auf. Bibas Mutter kommt zur Tür hereingestürmt. Sie hat einen Staubsauger im Schlepptau und einen Müllbeutel unter den Arm geklemmt, den Staublappen in der anderen Hand. Sie lässt alles fallen und stürmt auf Biba zu. Dann nimmt sie ihr die Kopfhörer von den Ohren und keift: “Du räumst jetzt dein Zimmer auf, sonst passiert was!” Dreht sich um und verschwindet wieder.

"Ja, ja", murmelt Biba der Mutter hinterher und denkt nicht im Traum daran, auch nur einen Finger zu rühren. Sie setzte ihre Kopfhörer wieder auf.

Plötzlich wird ihr schwindlig. Es zieht ihr die Füße nach oben und sie hat das Gefühl auf dem Kopf zu stehen. Alle um sie herum beginnt sich zu drehen. Ihr wird schwarz vor Augen. Mit einem dumpfen Schlag landet sie auf einen harten Boden. Bewegungslos liegt sie auf dem Rücken, die Augen geschlossen. Langsam kommt sie zu sich. Sie hört eine hämisch lachende Stimme. “Willkommen im Muddleland!”
Ein gammeliger Gestank nach Essensresten steigt ihr in die Nase. Vorsichtig blinselt sie.

Vom Neonlicht geblendet hält sie sich den Arm vor die Augen und setzt sich auf. “Wo bin ich?”
“Hast wohl nicht hingehört, was?”, hörte sie eine tiefe Stimme hinter einem Stapel Kartons sagen. Eine Gestalt, die wie eine Mischung aus Westerncowboy und Penner aussieht, kommt langsam hervor.
“Aber wie bin ich hier hergekommen?”
“Hast bestimmt nicht aufgeräumt, oder?”
Biba beginnt zu stottern: “Aber, aber ich wollte doch gerade aufräumen!"
“Kein Aber, zu spät, nun bist du hier.” Das Wesen mit dem verschrumpelten Gesicht zeigt ein Lächeln und ein paar verfaulte Zähne sind zu sehen.
“Ich will wieder nach Hause?”, bettelt Biba.
“Wieso? Wenn du die Unordnung liebst, dann bist du doch hier genau richtig. Alle Kinder, die zu Hause einen Schweinestall haben und ein heilloses Durcheinander akzeptieren, hole ich mir!"

Biba bleibt vor Entsetzen der Mund offen stehen. "Das kann nicht sein, ich glaub', ich bin im falschen Film!"
"Nein, nein, hat alles seine Richtigkeit. Und nun geh mal ein Stück beiseite, sonst...". Der wandelnde Müllhaufen kommt auf sie zu und zieht sie zu sich heran. Biba denkt sie muss sterben vor Gestank. Gerade noch kann sie sich die Nase zuhalten.

Da passiert es schon. Ein Berg alter Klamotten und Decken fällt genau dahin, wo Biba gerade noch gestanden hat. An der Decke war eine Luke aufgegangen und dieser Berg Wäsche kam herunter. Biba, hält sich immer noch die Nase zu: “Was ist das?”
“Siehst d' doch.”
“Und was nun?” fragt sie den verschrumpelten Kerl, der früher vielleicht auch mal ein Mensch war.
“Mach schnell, gleich kommt das Essen!” Dabei schiebt er den Berg Klamotten beiseite.
Biba weicht noch ein Stück zurück und schon geht die Luke erneut auf und Tüten und Kisten mit Essen fallen herunter. Die Klappe kracht wieder zu und für einen Moment ist es still.

Mit einem Mal kiechen aus den dunklen Ecken und aufgestapelten Kisten mehrere Kinder hervor. Alle stürmen auf den stinkenden Essenhaufen. Sie kommen mit Tüten und Pappkartons. Jeder nimmt sich so viel er tragen kann. Einige wühlen in dem Klamottenhaufen und versuchen etwas Brauchbares zu finden.

Biba schaut aus ihrer Ecke zu. Als nur noch ein kleiner Junge die Reste der aufgegangenen Tüten und Taschen aufsammelt, nimmt sie allen Mut zusammen und fragt: “Was geht hier eigentlich ab?”, denn auch der Pennercowboy hat sich bereits in seine Kisten zurückgezogen.
“Bist wohl neu hier?”, antwortet er in einem Ton wie ein Alter. “Wirst dich schnell dran gewöhnen, es ist ganz einfach. Die Luke", er zeigt mit dem Finger nach oben, "geht auf und alles, was du brauchst, kommt rein. Und alles was du nicht brauchst, schmeißt du da", er zeigt auf den runden Deckel an der Wand, "raus.”
“Aber ich will hier wieder weg!”, sagt Biba mit fast weinerlicher Stimme.
“Ich nicht! Hab' alles was ich brauch und muss nie mehr aufräumen. Ist doch cool!” Der Junge geht wieder und setzt sich vor seine Bude aus Decken und Klamotten. Er macht sich über die zwei Tüten Chips her, die er erbeutet hat.

Biba hat überhaupt keinen Hunger. Dieses Szenario hat ihr kräftig den Appetit verdorben. Sie sucht sich nun auch eine Bleibe. Der riesige Saal scheint nur aus Ecken zu bestehen. Sie schaut sich um. Überall liegt Gerümpel. Da entdeckt sie einen alten Sessel, den offensichtlich keiner mehr mag. Sie schmeißt den Beutel, der darauf steht, beiseite und fegt mit der Hand ein paar Brotkrümel runter. Biba setzt sich und überlegt. Wie komm ich hier nur wieder raus? Obwohl es bei ihr zu Hause auch recht wild aussieht, findet sie das hier wirklich abscheulich. Sie hört, wie die Luke an der Wand geöffnet wird und die Essensreste hinausgeworfen werden. Momentmal, sie könnte ja vielleicht... Sie springt auf und geht zu der Klappe an der Wand. Sie öffnet sie. Ein beißender Geruch schlägt ihr entgegen. Nein, das geht nicht und verwirft ihr Vorhaben.

Biba fühlt sich hilflos. Inzwischen hat sie sich schon etwas an den muffigen Geruch gewöhnt und versucht das Beste aus der Situation zu machen.

Die Deckenluke öffnete sich erneut. Ein Berg von Müll aus alten Büchern und noch ungebrauchtem Spielzeug entlädt sich erneut auf den Boden. Sogar ein Fernsehr plumpst herab. Wieder kommen die seltsam anmutenden Gestalten wie Ratten aus ihren selbstgebauten Verschlägen gekrochen. Jeder nimmt sich was er braucht.

Biba kann es nicht mehr länger mit ansehen. Sie entdeckt einen Besenstil und zieht kräftig daran. Sie ist fest entschlossen hier aufzuräumen. Doch der Besen hat nur noch wenige Borsten, aber es reicht, um den Müll zusammenzuschieben, ohne dreckige Finger zu bekommen. Dosen, Tüten, Papierverpackungen, alles sammelt sie in einen Karton und dann Klappe auf und weg damit. Sie beginnt tatsächlich aufzuräumen. Der kleine Junge vor seiner Lumpenbude starrt sie mit offenem Mund an. Er springt auf: "Hee, was machst du da?"
"Das siehst du doch!", antwortete Biba bissig.
"Hee, das würde ich lieber sein lassen, bis jetzt hat das noch keiner überlebt!", versucht er Biba zu warnen. Doch sie macht weiter. Hätte sie einen Eimer mit Wasser gefunden, würde sie sogar noch wischen. Doch so weit kommt es nicht. Wieder beginnt sich alles um sie herum zu drehen. Schneller immer schneller. Der Junge sieht, was mit Biba geschied, hebt die Schultern: ”Ich hab sie gewarnt. Das hat sie nun davon!”, und setzt sich wieder hin.

Biba landet inzwischen wieder in ihrem Zimmer. Diesmal ist der Aufprall etwas weicher, denn sie fällt auf ihr Bett. “Juhu, ich bin wieder zu Hause!”, und springt hoch.

Sie öffnet ihr Fenster und atmet tief ein. 'Jetzt aber schnell aufräumen', und beginnt die Sachen in den Schrank und die Hefter und Zettel in den Schreibtisch zu räumen. Mit dem Staublappen wischt sie über die Regale und stellt Bücher und CD-Hüllen ordentlich in eine Reihe. Sie schüttelt die Bettdecke auf und legt die Tagesdecke drauf. Mit dem Staubsauger jagt sie durch das Zimmer, bis auch der letzte Krümel verschwunden ist. 'Geschafft!', und lässt sich auf ihren Drehstuhl plumpsen.

Nein, nie wieder Muddleland!

Mich@ela Kux

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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