Burgturm im Nebel
Burgturm im Nebel
"Was mögen sich im Laufe der Jahrhunderte hier schon für Geschichten abgespielt haben?" Nun, wir beantworten Ihnen diese Frage. In diesem Buch.
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August 2003
Bonita Rita
von Michael Metzner


Der Himmel über Bayern ist blau, weiß sind die Wurst und das Bier, die Milch ist rein und die Kühe sind nett.
In Schneizlreuth, einer kleinen Gemeinde im Berchtesgadener Land, rumpelt eine etwas betagte Waschmaschine. „Mutter! Mutter!" Ein schrilles forderndes Rufen tönt aus dem Waschraum des Hainbauer Hofes.

Schön, dass meine Tochter wieder zu Hause ist! Locker lehne ich mich in meinem Liegestuhl zurück und genieße den Sonntagnachmittag. Enkel hat sie uns zwar nicht beschert, aber seit Rita arbeitslos ist, fühlen wir uns auch nicht gerade einsam. Wir, das sind Martha meine bessere Hälfte und ich, Ehegatte, Vater und Bauer a.D. Den Hof haben wir Touristen aus dem Flachland überlassen, Kühe gibt es längst nicht mehr und die frischen Eier zum Frühstück holen wir vom Gustl, meinem Nachbarn.

„Mutter! Muuutter!“

Schön, dass meine Tochter wieder zu Hause ist. Seit sie Geschäftsführerin in der Modeboutique Voyage in Bad Reichenhall war, hatten wir sie kaum noch gesehen. Im Dorf nannte man sie nur noch Bonita Rita. Wenn sie mal nach Hause kam, im silbergrauen Porsche, gestylt bis in die letzte Haarspitze ihrer brünett gefärbten Naturlocken, standen die Kinder mit großen Augen am Straßenrand, die Burschen schauten ihr begierig hinterher und die Frauen tuschelten neidvoll über ihre Affären. Vor der Hofeinfahrt wirbelte der Staub, wenn das Fahrzeug in 3 Sekunden von 50 auf 0 Kilometer pro Stunde zum Stehen gebracht wurde. Gekonnt schob sie ihre langen Beine auf den dunklen Asphalt und ihr schlanker Körper drehte sich elegant aus der engen Fahrgastzelle. Rita wusste ganz genau, wann sie bei uns auftauchen musste. Karl Lengenfeld aus Paris und Klaus Otto aus Hamburg kamen regelmäßig zum Ausspannen in unser Haus. Martha war stolz auf ihre erfolgreiche Tochter und informierte sie natürlich rechtzeitig.

„Mutter!“ Muuutter!“

Ich muss gestehen, mit ihren 42 Jahren sieht sie auch heute noch attraktiv aus. Nur, es interessiert sich von ihren alten Bekannten niemand mehr für sie. Karl Lengenfeld ist jetzt 70 und Klaus Otto züchtet nur noch Rosen. In Bad Reichenhall hatte sie ein Apartment mit Dachterrasse und ein Hausmädchen, um geschäftlich ungestört arbeiten zu können, sagte sie. Tokio, New York, Amsterdam, das waren ihre Träume. Mode verkaufen in der ganzen Welt, in den besten Kreisen verkehren, nie mehr die sehnsüchtigen Blicke der hiesigen Bub`n ertragen zu müssen. Da war natürlich eine feste Beziehung nur hinderlich, und Kinder eher schädlich.
Dummerweise gehörte die Boutique einem internationalen Damenmodekonzern, der Rita kürzlich aus Gründen einer Umstrukturierung ersetzt hatte. "Jung und dynamisch, so wollen wir die Welt erobern", sagte der Gebietsleiter, zahlte eine ordentliche Abfindung und stellte gleichzeitig eine Dame von 25, mit langen Beinen und guter Figur ein. Den Porsche fährt jetzt sie, wie ich hörte, regelmäßig nach Frankfurt in die Konzernzentrale.

„Mutter! Muuutter!“

Ordnung war noch nie ihre Leidenschaft. Im Geschäft war sie zwar Top, aber daheim? Na, ja. Rita hat jetzt wieder ihre Dachkammer bezogen und Martha räumt ihr, wie früher, täglich die Sachen hinterher. In ihren Jogginghosen und dem weißen Schlabber-T-Shirt kommt ihr ehemals auffälliges Flair nicht mehr ganz so zur Geltung, auch der Nagellack blättert langsam ab.
Leicht vornüber gebeugt schaue ich interessiert in Richtung Waschküche. Was es wohl wieder hat, das Kind? Martha ist hinter dem Touristentrakt im Garten, da kann sie lange schreien. Belustigt warte ich auf Ritas nächsten Anfall. Die Tür öffnet sich und Ritas Kopf mit den Naturlocken im original schwarzen Farbton schiebt sich durch den Spalt.

„Mutter! Muuutter! Deibel noch moal. Woa steckst`n wieder. I schrei mir noch die Kehlen aus. Mei Spitzen-BH steckt noch in der Woaschmaschin und der Franzl vom Steuber-Gut kommt in ner halben Stund rüber. Wie schau i denn da aus?“

Grinsend lehne ich mich wieder zurück in meinen Liegestuhl und denk mir im Stillen. Schön ist es doch, dass meine Tochter wieder zu Haus ist!
Buenos Dias Bonita Rita!

©Michael Metzner


Letzte Aktualisierung: 27.06.2006 - 10.44 Uhr
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