Sexlibris
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November 2003
Willkommen im Club
von Klaus Schmeing


Ein Lokal in der Nacht. Gehobene Klasse. Ein Club. Roter Teppich ziert die Wände. Kerzen lodern. Gedämpftes Licht. Viele Menschen. Sitzen in verwinkelten Räumen. Zusammen in Grüppchen. Andere stehen bei den Tischen.
Seichte Musik im Hintergrund. Swingender Takt. Mood.
Die Menschen, elegant zurecht gemacht. Zarter Duft vieler Parfüms erfüllt diesen Ort. Aus so manchem Aschenbecher der blaue Dunst hinauf steigt. Verfliegt in der Luft. Löst sich auf. Erobert den Raum.
Gemurmel erfĂĽllt das Lokal.
Private Themen werden diskutiert. Berufliche Dinge eventuell auch.

Ich sitze an der Theke. Hab mir gerade ein Bier bestellt. Es schon erhalten. Nehme einen Schluck. So huscht mein Blick quer durch den Raum.
Erspähe plötzlich am Eingang eine interessante Gestalt. Betritt anmutig den Ort. Sieht sich um. Erspäht einen Platz. Steuert ihn an.
Eine Dame mittleren Alters. Dezent geschminkt. Augen und Lippen hervorgehoben dadurch. Dunkles Haar sich zu ihren Schultern hinunter spielen. Seitlich blicken daraus die großen, silbernen Ringe hervor. Lange, schwarze Handschuhe aus Seide. Sie trägt ein halblanges, schwarzes Kleid.

Elegant bewegt sie sich auf mich zu. Nimmt an meiner Seite Platz. Der Wirt sieht sie fragend an. Sie bestellt einen Drink. Greift sodann in ihre Handtasche. Zieht einen kleinen Spiegel heraus. Wirft einen Blick in ihr eigenes Gesicht. Klappt ihn zusammen. Steckt ihn weg.
Nimmt sich eine Zigarette. Sucht nach ihrem Feuerzeug. Sogleich streckt sich meine Hand. Ich biete ihr Feuer an.
Die Zigarette flammt auf. Rot birst die Glut. Ein tiefer Zug unterstreicht die wohl geformte Kontur weicher Wangen.
Dunkle Augen blicken mich an. Sie bedankt sich. Ich lächle zurück.

Sie nimmt einen Schluck. Ich ergreife Mut: „Sind sie des öfteren hier?“
Erneut nimmt sie einen Zug. Stößt den blauen Dunst aus. Nippt an ihrem Glas. Antwortet mit geschmeidiger Stimme: „Sehr oft!“
Ich stutze: „Habe sie noch nie hier gesehen.“
Anmutig huschen ihre dunklen Pupillen wieder hinüber zu mir: „Ich sie schon.“
Ich nehme einen Schluck. Forschend treibt es mich: „Verbringen sie ihre freien Abende gerne hier?“
Sie drückt die Zigarette aus. Lächelt mich an: „Ich habe nicht frei. Bin geschäftlich hier!“
Ich staune: „Arbeit zu solch einer Zeit? Es ist doch spät Nachts.“
„Geschäftsessen“, kommt von ihr, „ich muss etwas aushandeln.“
So verschwindet das Ende des Strohhalms zwischen feurig roten Lippen. Sie nimmt einen Schluck.
Ich frage: „Ihr Geschäftsfreund lässt sie aber sehr lange warten!“
Sie erklärt: „Er hat viel zu tun. Aber wir haben alle Zeit die wir brauchen.“
Wieder vergeht ein Moment der Ruhe. Wir klatschen mit. Eine neue Swingband die Bühne seitlich der Lokalität betritt.
Ich sage ihr: „Ich mag das Ambiente hier. Sie auch?“
Sie stimmt mir zu. Nimmt erneut einen Schluck ihres Drinks.
Streift ihr dunkles Haar zur Seite. Ein hauchzarter Schwall sĂĽĂźen ParfĂĽms mir die Nase streichelt. Unterstreicht ihre Anmut.
Verfang mich in ihrem Duft.
Sie spricht mich an: „Sie beschäftigen sich sehr mit den Menschen, wie ich sehe.“
Ich stimme zu. Ergänze sodann: „Nicht nur mit den Menschen. Philosophiere auch über das Leben selbst.“
Sie lächelt: „Ob sie jemals zur absoluten Erkenntnis kommen?“
Ich kontere: „Ich bin doch nicht Gott.“
Erneut nippt sie am Glas. Mit meinem Blick ertaste ich ihr Profil.
Schließlich ringe ich mich durch: „Darf ich fragen wer sie sind?“
Wieder sehen dunkle Augen mich an. In den Pupillen spiegelt sich das Licht: „Selbstverständlich. Ich bin die Sünde.“
Spontanes Lachen erfüllt mein Gesicht: „Entschuldigen sie bitte. Wollte nicht fragen wie sie auf mich wirken. Wollte wissen wer sie sind. Ihren Namen erfahren.“
Sie nickt: „Ich bin die Sünde.“
Ich nehme einen Schluck aus meinem Glas. Bestelle mir ein neues Bier.
„Sie verstehen es gekonnt sich in geheimnisvolles Flair zu hüllen.“
Sie lächelt: „So wie Seide auf nackter Haut.“
Ich finde den Mut zu necken: „Und mit wem sind sie geschäftlich verabredet hier? Mit Gott?“
Erneut nippt sie am Strohhalm. Sieht mich an: „Nein, mit dem Tod.“
Ein Lachen kann ich kaum noch vermeiden. Erkenne ich doch zu groĂźe Diskrepanz zwischen dem, was sie darstellt und dem was sie sagt.
Ich äußere: „Na, ich weiß nicht ob man ihn hier ein lässt. Groß! Schwarz verhüllt! Knochengesicht! Mit der Sense in der Hand.“
Kurze Stille vergeht. Sie äußert: „Es ist doch immer wieder erstaunlich welches Bild ihr von der Welt habt.“
Ich nehme eine Zigarette zur Hand: „Wie sieht er denn aus?“
Sie sieht sich um. Suchend irrt ihr Blick durch den Raum. Nimmt schließlich eine Person ins Visier. Zeigt sie mir: „Er ist schon hier. Dort ist er.“
Ich folge ihrem Wink. Sehe einen adretten Herren in schwarzem Anzug. Rote Krawatte. Sein Haar frisch geschnitten. Seriös gelegt. Schläfen angegraut. Eine auffallend teure Uhr prangt an seinem Handgelenk.
Soeben begibt die von mir erspähte Person sich an einen Tisch. Eine Vierergruppe sich dort angeregt unterhält. Höflich und mit aller Form bittet er kurz um Gehör. Die Vier sehen ihn an. Lächelnd erklärt er einem älteren Herren: „Sie dürfen jetzt gehen.“
Jener sieht ihn an. Erhebt sich schließlich. Verlässt den Tisch. Kommt hinüber zu mir. Spricht die Schönheit an meiner Seite an: „Ich möchte mich noch für alles bedanken.“
Sie lächelt: „Hab ich gern getan. Machen sie es gut.“
Er geht zur Garderobe, nimmt sein Jackett. Verlässt das Lokal.

Verwirrt sehe ich sie an. Sie äußert: „Sie sehen? Der Tod.“
Wieder folgen meine Augen jenem adretten Herrn. Dieser geht zwischenzeitlich quer durch den Raum. GrĂĽĂźt verschiedene Leute im Vorbeigehen. Verschwindet dann hinter einem Eck.

Mir wird diese Lokalität plötzlich fremd. Nehme es hier mit anderen Augen wahr, obwohl sich nichts verändert hat.
Ich schüttle mich: „Also Moment mal. Was ist hier los? Wo bin ich hier?“
Mit Samthandschuhen streichelt die Schöne mir die Wange: „Was meinen sie denn, wo zu sein?“
Ich erkläre: „Also, als ich heute von der Arbeit kam habe ich mich zurecht gemacht. Kam hier her. Habe es schon öfters so gemacht. Saß schon ein paar mal hier.“
Sie schmunzelt: „Sind sie sicher das es so gewesen ist?“
„Bin ich schizophren?“
Sie lächelt anmutig: „Nein. Sind sie natürlich nicht. Aber sie leben.“
Ich nicke zustimmend: „Selbstverständlich lebe ich.“
Sie lächelt: „Sehen sie. Deshalb sind sie hier. Deshalb sind sie auf der Welt.“

Es verschlägt mir das Lachen. Werde sehr ernst: „Na also Moment mal. Dieses Lokal hier soll die Welt sein?“
„Ja. Genau so ist es!“
Ich bin empört: „Das ist alles? Und was ist da draußen? Das kann doch alles nicht sein.“
Sie zieht an ihrem Strohhalm: „Es gibt kein Draußen. Hier ist die Welt. Dort Außen allerdings nicht.“
Ich bin verblüfft. Stelle mich gegen diese Theorie. Verlasse energisch den Platz. Gehe zur Tür. Will sie öffnen. Doch bemerke ich, sie wirkt bloß wie gemalt. Ist nicht greifbar für mich.
Finde keinen Ausgang aus diesem Raum.
Entsetzt blicke ich mich um. Erspähe seitlich wieder den feinen Herr. Fordert gerade erneut jemanden auf, er möge diese Lokalität jetzt verlassen. Jener erhebt sich hierauf. Hält auf mich zu. Geht vorbei an mir. Verlässt diesen Ort durch die Tür.
Ich spĂĽre SchweiĂź auf der Stirn.
Die Hübsche bemerkt mein Entsetzen. Erhebt sich graziös vom Platz. Kommt auf mich zu. So streichelt der Samt ihres Handschuhs mir zart durch das Gesicht: „Keine Angst, mein lieber. Sie sind auf der Suche. Haben uns so gedacht, geben ihnen Erkenntnis über die Welt.“
Ich sehe sie an. Wortlos. Gedanken gewĂĽrfelt.

Sie nimmt mich bei der Hand: „Kommen sie mit. Ich möchte ihnen etwas zeigen. Wir gehen eine Runde durch diesen Saal.“
Wir gehen an der Theke vorbei. Der Wirt reicht gerade jemandem ein Glas.
Sie lächelt mich an: „Darf ich vorstellen? Das ist Gott!“
Ich kann nichts sagen.
Aus der Ferne lächelt der vornehme Wirt mich an. Widmet sich dann wieder den anderen Gästen dieses Clubs.
Sie erklärt: „Er versorgt all die Personen hier an dem Ort. Sieht sich stets um. Immer ein offenes Ohr für die Menschen um ihn herum. Bekommt gerne ihre Fragen und Sorgen mit. Ist zu Gesprächen bereit. Gibt gerne Tipps!“
Wir gehen weiter. Zwei, drei Stufen hinab.
Kommen uns zwei Damen entgegen. HĂĽbsches Teint.
Die Schöne an meiner Seite entschuldigt sich bei mir. Wendet sich ab. Spricht die Eine an. Sagt ihr: „Gehen sie bitte zu ihm!“
So weist sie auf einen Herrn an einem der Tische.
Sogleich löst die Dame sich von ihrer Begleiterin. Sucht eben den Herrn auf, nimmt ihn in den Arm. Beide küssen sich.
Die schöne Dunkle lächelt mich an: „Sehen sie? Ich bin die Sünde in Form von Verführung. Aber gehen wir weiter.“
Nach wenigen Schritten bleibe ich stehen. Widerwillig: „Aber... bitte warten sie. Wenn das hier wirklich die Welt ist... wo ist dann mein Arbeitsplatz? Wo ist meine Wohnung? Wo habe ich mein Auto geparkt?“
Ihr Arm huscht herum. Unterbreitet mir den Saal mit all den Tischen, all den Gruppen von Personen: „Aber sehen sie doch. All diese Menschen teilen mit ihnen die Welt. Menschen begegnen sich, lieben sich. Hassen einander. Verlassen ihre Tische. Ordnen sich wiederum anderen Personen zu. Jeder handelt etwas für sich aus. Sie schließen Kontakte. Gestalten ihr Leben.“

Ich werde energisch: „Und was soll das dann alles? Wo ist der Sinn?“
Sie legt ihr Haar zur Seite. Wieder rieche ich ihr sĂĽĂźes ParfĂĽm.
Sie erklärt: „Es ist doch schön!“
Ich bejahe und warte auf Weiteres.
Sie bemerkt die nicht ausgesprochene Frage.
Verdeutlicht: „Ja, das ist es. Es macht Spaß. Es ist schön.“
„Das ist alles?“
„Ist das etwa nicht genug? Muss immer alles ein Ziel haben? Mathematisch definiert? Kann es nicht einfach so sein, weil es so ist?“
Wir gehen weiter. Gelangen in einen Teil des Lokals in dem das Licht noch mehr gedämpft ist. Auf den flauschigen Sofas rekeln sich Pärchen. Eng umschlungen. Ertasten einander. Küssen sich. Ganz vertieft. Nehmen die Welt um sich herum nicht wahr.
Sie erklärt: „Fragen sie diese Leute doch mal nach einem Sinn. Was würden die ihnen wohl sagen? Nichts. Garnichts. Sie sind sich begegnet. Haben einander erkannt. Leben die Liebe. Tut ihnen gut. Also bitteschön!“

Weiter führt uns der Weg vorbei an eine wunderschöne Frau in Weiß.
„Darf ich vorstellen? Das ist die Unschuld. Meine Widersacherin!“
Sie ergänzt: „Aber nur in beruflichem Sinne. Persönlich ist sie sehr nett.“
Wir gehen vorbei an kuschelnden Menschen. An ständig sich bewegenden und erforschenden Händen und Füßen.
Kehren in den etwas lauteren Teil zurück. Leute prosten sich zu. Trinken miteinander. Tauschen sich aus. Sprechen übers Geschäft. Handeln etwas für sich aus.
In weitem Bogen geht es zur Theke zurĂĽck. Wir nehmen wieder Platz, wo alles begann.
Gott fragt mich, ob ich noch ein Bier wĂĽnsche.
Ich stimme zu: „Das habe ich jetzt nötig.“
Prompt wird es mir serviert.
Die schöne Dunkle an meiner Seite entzündet sich die nächste Zigarette.
Prüfend huscht mein Blick durch den Saal: „Ich habe diesen Ort zuvor ganz anders gesehen.“
Sie lächelt: „Kann ich verstehen. Sie sehen ihn jetzt aus einer anderen Ebene heraus. Nehmen ihn anders wahr.“
Ich frage: „Warum haben sie mir das alles gezeigt?“
Sie nippt am Drink. Sieht mich an: „Wir wissen genau wie sehr sie immer nach dem Leben geforscht. Wollten ihnen daher einen großen Gefallen tun. Wollten ihnen Erkenntnis geben. Ich wünsche mir ihnen damit eine Freude gemacht zu haben.“
Ich nehme einen Schluck: „Freude würde ich noch nicht sagen. Ich muss das erst mal verdauen. Innerlich verarbeiten. Sie verstehen?“
„Selbstverständlich.“
Dunkle Augen sehen mich an.
Sie erhebt sich: „Ich werde jetzt gehen müssen.“
Gibt mir einen zarten, aber durchdringenden Kuss auf die Wangen.
Dann verlässt sie ihren Platz.
Meine Augen folgen ihr. Sehe, wie sie einem Mann die Hand gibt. FĂĽhrt ihn zu einer anmutigen Frau. Beide machen sich miteinander bekannt. Verlieren die Distanz. KĂĽssen sich schon bald.
Umschlungen, Arm in Arm, verlassen sie sogleich diesen Ort. Verschwinden in den hinteren Teil. Wollen allein sein, miteinander.

Meine Augen erblicken den feinen Herrn mit der Uhr. Hält genau auf mich zu. Erreicht mich schließlich. Spricht mich mit weicher Stimme an: „Sie dürfen diese Lokalität nun verlassen. Ich hoffe die Zeit hier war angenehm für sie. Hat ihnen Freude gemacht. Möchte ihnen alles Gute wünschen.“
Ich nicke zustimmend. Bemerke ich doch ein Gefühl tiefster Zufriedenheit und Ruhe in mir: „Für das angenehme Ambiente möchte ich ihnen danken.“
Mit einem Lächeln verabschiedet er sich von mir.
Ich erhebe mich von meinem Platz. Mein Blick huscht zum Wirt.
Ich frage: „Was muss ich zahlen?“
Er poliert ein Glas. Zwinkert mir zu: „Geht aufs Haus.“
Ich bedanke mich. Gehe noch einige Tische weiter, wo die dunkle Schönheit sitzt. Spricht dort mit weiterer Person. Meine Lippen neigen sich ihrem Ohr. Ich höre mich sagen: „Ich muss jetzt gehen. Möchte ihnen für alles danken.“
Sie blitzt mit den Augen. Lächelt mich an: „Habe ich gern getan! Alles Gute!“
Ich gehe zur Garderobe, nehme meine Jacke und verlasse den Ort durch die TĂĽr.
© Klaus – A. Schmeing


Letzte Aktualisierung: 28.06.2006 - 11.41 Uhr
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