Madrigal für einen Mörder
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Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
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November 2003
When I grow up
von Anke Humpert


Jedes Mal wenn ich das Lied von Michelle Shocked höre muss ich an meine Freundin Maud denken. Und manchmal hab ich Tränen in den Augen. Das Lied erinnert mich immer wieder an jenen Sommer vor 15 Jahren. Ich war nach England gefahren um Maud und ihren Freund Peter zu besuchen. Ich hatte mich schon sehr darauf gefreut, denn ich vermisste Maud sehr, seit wir nicht mehr zusammen wohnten. Wir waren sehr glücklich uns endlich wieder zu sehen. Das Wetter war ungewöhnlich sonnig und wir waren jung und gut gelaunt. Maud musste natürlich arbeiten und auch Peter hatte nicht viel Zeit, aber an ihren freien Tagen machten wir wunderbare Ausflüge in die Umgebung. Und für mich war alles ein einziges Abenteuer. Wir liehen und das Auto von Mauds Mutter und wollten ein Picknick im Dartmoor machen. Auf der Fahrt dort hinrissen wir alle Fenster des Autos auf, stellten das Radio auf volle Lautstärke und sangen laut mit Michelle Shocked :

„When I grow up I want to be an old woman...“.

Dieses Lied begleitete uns die ganzen Ferien hindurch. Maud und ihr Freund Peter schienen mir das ideale Paar zu sein. Sie liebten sich sehr und hatten viele gemeinsame Pläne für die kommenden Jahre. Ich beneidete die beiden, aber sie gaben mir nie das Gefühl das dritte Rad am Wagen zu sein. Wir hatten einen schönen Sommer. Als ich wieder nach Hause musste hatte ich im Rucksack eine Kassette von Michelle Shocked eingepackt.

„In the summer we sit in the field and watch the sun melt”

Im Jahr darauf bekam ich einen Anruf von Maud. Sie hatten beschlossen zu heiraten und zwar schon in 3 Wochen. Kann ich kommen? Ich wusste nicht was ich lieber getan hätte, und so packte ich wieder meine Rucksack und fuhr los. In einer wahnsinnig anstrengende Reise bin ich zur Hochzeit angereist und habe es gerade noch geschafft bei der Feier dabei zu sein. Die Zeremonie beim Standesamt hatte ich zwar verpasst. Aber ich war glücklich, das ich wenigstens den für mich sowieso wichtigeren Teil mitmachen konnte. Die Feier war wild und ausgelassen und Maud und Peter hatten alle ihre Freunde um sich versammelt. Wir alle freuten uns über ihr Glück.

„Then I think I am going marry myself an old man”

Kurz nach ihrer Hochzeit bekam ich einen Brief in dem mir Maud erzählte, sie würden umziehen und ich war ein bisschen traurig, den nun wurde es für mich noch schwieriger sie zu besuchen. Ihr neuer Wohnort würde noch weiter weg sein. Aber es gab ja die Post und Telefone und so blieben wir uns immer noch nahe, auch wenn wir uns nicht mehr oft sehen konnten. Es kam wie es kommen musst, Maud war bald schwanger und in April kam ihre Tochter Susan zu Welt. Jetzt wurden die Briefe seltener und manchmal hatten sie auch merkwürdige Andeutungen. Aber ich schob das alles auf die Umstellung von einem Paar auf eine junge Familie und sie hatten es nicht so leicht, weil sie immer mit wenig Geld auskommen mussten.

„We are gona have a hundred and twenty babies”.

Irgend wann war es dann wieder soweit: ich musste meine Freunde einfach wieder besuchen. Ich freute mich riesig und hoffte im Stillen auf einen weiteren Sommer mit Sonne, Ausflügen und laut gesungenen Lieder. Susan war schon fast zwei Jahre alt und ich hatte nur Fotos von ihr gesehen. Nach einer langen Reise kam ich erschöpft aber glücklich an. Meine Freundin Maud sah sehr schlecht aus als sie mich am Busbahnhof abholte. Ich dachte, das es einfach die Anstrengung mit dem Kind und die Unsicherheit war, wovon die nächste Miete bezahlt werden sollte. Und sie erzählte mir auch wie anstrengend sie ihr Leben fand. Als ich Peter wieder sah war ich erschrocken. Er schien nicht mehr der Mensch zu sein, den ich kennen gelernt hatte. Er war nicht mehr lustig und locker, sondern sehr merkwürdig. Wir hatten wieder wunderbares Wetter und ich machte mich im Haushalt und mein Babysitten nützlich.

„We raise them on tigers milk and green bananas”

Ich merkte schon sehr bald, das ich zu einem schlechten Zeitpunkt gekommen war und es lag Streit in der Luft. Peters Geduld war sehr kurz und an mehr als einer Gelegenheit machte er seinem Ärger lautstark Luft. Manchmal verlies er sogar das Haus und war erst mal für einige Zeit verschwunden. Es fing an sehr unangenehm zu werden und ich war traurig, da ich die beiden als das ideale Paar in Erinnerung hatte. Aber irgend etwas musste schief gelaufen sein. Ich fragte Maud, ob ich sie stören würde und ob es ihnen lieber wäre wenn ich wieder abreisen würde. Sie bestand jedoch darauf, das ich bleiben solle. Ohne mich im Haus wäre alles noch schlimmer. Diese Bemerkung alarmierte mich zu tiefst. Doch ich war mir nicht sicher was ich tun sollte.
Eines Morgens war es dann auch soweit: wir waren alle müde, weil wir am Abend zuvor mir einigen anderen Freunden zusammen gefeiert hatten und es war später geworden. Es war sehr lustig gewesen und wir hatten gesungen und gelacht. Ich hoffte die gute Stimmung würde anhalten. Aber am Morgen sah alles anders aus: Susan war früh wach und wollte ihr Frühstück haben. Erst war es nur ein sanftes Fordern , aber irgendwann hatte sie großen Hunger und duldete keine Verzögerung mehr. Maud stand mit ihr auf und wollte sie füttern. Peter war miserabel gelaunt und wollte weiter schlafen. Maud ging in die Küche, musste aber noch ein paar mal ins Schlafzimmer zurück, weil sie Kleidung für das Baby brauchte und dann noch eine neue Windel. Als sie das dritte mal im Schlafzimmer erschien war es zuviel für Peter. Er tobte. Ich wachte von seinem Geschrei auf und wusste nicht was los war. Ich zog mich rasch an und ging aus meinem Zimmer. Er rannte wutschnaubend an mir vorbei und kurz darauf war er aus dem Haus verschwunden. Ich hörte das Auto die Einfahrt verlassen und der Kies stob auseinander. Maud saß, mit ihrem Kind im Arm, weinend auf den Boden des Schlafzimmers. Sie hatte einen roten Abdruck im Gesicht. Ich versuchte sie zu trösten und half ihr das Kind zu füttern. Peter blieb den ganzen Tag verschwunden und wir führten lange Gespräche. Maud war ziemlich mit den Nerven am Ende, aber sie sagte es läge wohl alles nur am Schlafmangel.
Peter tauchte man späten Nachmittag wieder auf und war sehr zerknirscht. Er hatte einen Strauß Rosen dabei und entschuldigte sich für sein unmöglicher Verhalten am Morgen. Maud war sichtlich froh darüber und alles schien nur ein dummer Streit gewesen zu sein.

Ein paar Tage später fuhr ich mit Maud zum Einkaufen in die Stadt. Sie sah wieder sehr blas aus. Ich verlies den Wagen und ging zur Post. Als ich wieder zurück kam, saß Maud im Wagen und hatte den Kopf auf dem Lenkrad liegen. Sie weinte und völlig außer sich war. Ich nahm sie in den Arm und fragte was passiert wäre. Ich erkannte Sie kaum wieder. Sie erzählte mir mit erstickter Stimme, das der Streit, den ich mitbekommen hatte, nicht der erste gewesen wäre und sie sich schon eine ganze Weile immer schlechter verstehen würden. Sie war völlig am Ende und wusste nicht mehr was sie tun sollte. Kurz darauf musste ich abreisen.

„In the winter we sit by the fire and watch the moon frezze”

Einen Monat später rief mich Maud an. Sie und Peter hatten sich getrennt. Bis sie entgültig geschieden waren, gab es noch viele Streits und ich war sehr traurig darüber mit an sehen zu müssen, wie mein „ideales Paar“ sich im Streit trennte.

“Oh, an old old old woman”

Anke Humpert
24.11.03





Letzte Aktualisierung: 28.06.2006 - 10.42 Uhr
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