Ganz schön bissig ...
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November 2003
Ich zieh den Bauch nicht mehr ein
von Ursula Schmid


Diese Geschichte habe ich von einem früheren Chef erfahren, der sie den Kollegen und mir, natürlich ohne Namen und nicht so ausführlich, erzählt hat. Wir erfuhren nur den Anfang und das Ende dieser Begebenheit. Immer wenn ich das Lied höre: „Ich zieh den Bauch nicht mehr ein“, ich glaube es sang Dirk Bach, fällt mir diese Begebenheit wieder ein.

Ein sehr fetter, schon älterer Kriminalkommissar, ich werde ihn einfach Gerhard Maier nen-nen, wurde von seinem Hausarzt in eine Rehabilitation geschickt, damit er dort abnehmen solle. In Bad Honnef angekommen, wurde ihm Blut abgezapft, er musste den Urin und den Stuhlgang abgeben, und er wurde auf alles untersucht, was man sich nur denken konnte. Es wurde seine Größe und sein Gewicht gemessen und er wurde für zu schwer befunden.. Der behandelnde Arzt, ein Herr Dr. Müller, war entsetzt: über 40 kg Übergewicht. „Sie wissen ja selbst, dass Sie starkes Übergewicht haben. Sie hätten das richtige Gewicht, wären Sie 50 Zentimeter größer!“ meinte er. Herrn Maier fiel dazu nichts ein und er nickte nur. Er wurde auf Nulldiät gesetzt und musste Sport treiben, letzteres natürlich nicht leistungsmäßig, es wurde mit leichter Gymnastik begonnen und sollte sich dann langsam steigern, damit er sich nicht überanstrengen sollte. Die Ernährungsberaterin der Klinik, Frau Kleinert stellte ihm einen Diätplan für zu Hause auf. Da packte ihn schon Mal der Horror. Er erklärte sich mit allem einverstanden, ahnte aber schon selbst, dass er nicht durchhalten konnte.

Am ersten Tag bekam er nichts zu essen, dafür trank er Mineralwasser, Marke Elisabethen-quelle. Sie machten ihm einen Einlauf und gaben ihm Glaubersalz. Er ging zu seiner ihm verordneten Gymnastik. Am zweiten Tag gab es das Gleiche nur ohne Einlauf und Glauber-salz. Er wusste, was ihm am dritten Tag bevorstand. Nach diesen drei Tagen hatte er genug von diesem Wasser, die Gymnastik nervte ihn und abgenommen hatte er kein Gramm. In Ge-danken sah er sich in einem Fünf-Sterne-Lokal die Speisekarte hinauf und hinunter essen und einen erstklassigen, französischen Rotwein dazu trinken. Nachts träumte er von gegrillten Hähnchen, Rehbraten, Schnitzeln in allen Formen und Variationen, Bratwürsten und dazu-gehörigen Beilagen. Dann glaubte er, er müsse ein Stück Schwarzwälder – Kirsch - Torte haben. Seine Gedanken kreisten nur ums Essen, er sah eine Pizza vor sich, so groß wie ein Wagenrad mit einem Glas Bier dazu. Vor seinem geistigen Auge sah er warmen Leberkäse, mit und ohne Kartoffelsalat. Wenn er es genau betrachtete, könnte er das alles auf ein Mal essen, schön der Reihe nach. Die Schwarzwälder – Kirsch – Torte zum Schluss, als Dessert. Beim „Griechen“ und beim „Chinesen“ war er auch schon lange nicht mehr gewesen. Er war ja ein richtiger Feinschmecker. Am späten Nachmittag des dritten Tag gab er sich mit weniger zufrieden. Er wäre schon glücklich gewesen, wenn er nur einen Magerquark oder Mager-joghurt bekommen hätte. Er kam sich vor wie in den Hungerjahren kurz nach dem Krieg und dachte:„Ein Königreich für ein kleines Stückchen trockenes Brot!“ Zu dieser Zeit war er ger-tenschlank.

Er verließ die Klinik nur, um an Spaziergängen teilzunehmen. Dabei kam er natürlich an Restaurants, Lokalen, Cafes, Bistros, Bäckereien und Metzgereien vorbei. Da er in einer Gruppe lief, konnte er nicht wagen, sich einfach etwas zu essen zu kaufen oder in ein Lokal zu gehen, um sich dort etwas zu bestellen. Sonst verließ er die Klinik nicht, damit er nicht in Versuchung geriet, irgendwo „einkehren“ zu müssen. Das Wasser lief ihm im Mund zusam-men, er meinte daran zu ertrinken, sein Magen knurrte und gurgelte, dass die neben ihm Sit-zenden es hören konnten. Er wähnte sich so schwach, dass er glaubte, zusammenzubrechen. Vor seinen Augen tanzten Sternchen und seine Knie gaben nach.

Mit jedem Tag wuchs sein Selbstmitleid, er aalte sich richtig darin. Es war nur noch eine Fra-ge der Zeit, bis er den Hungertod sterben würde. In seiner Phantasie sah er bei seiner Beerdi-gung seine Witwe Gertrud, die beiden Töchter Maria und Ilona mit ihren jeweiligen Männern Joachim und Klaus und den fünf Enkeln an seinem Grab zusammenbrechen.

Nun gab es auch in dieser Klinik magere Leute, die hierher kamen, um etwas zuzunehmen. Er saß zwar im Speisesaal etwas abgesondert, er bekam aber trotzdem mit, was diese Patienten zu essen bekamen. Vor Neid bekam er fast die Gelbsucht. Als dann noch so ein dünner Mensch ihm hämisch grinsend erklärte: „Ja wissen Sie, ich möchte zunehmen, Sie glauben gar nicht, was ich alles verdrücken kann. Jeden Tag brauche ich nach dem Mittagessen meine Tafel Schokolade!“, stiegen Mordgedanken in ihm hoch. Er hätte diesem Spargel am liebsten den Hals umgedreht.

Er wankte noch am Nachmittag dieses dritten Tages zu Herrn Dr. Müller und führte mit ihm ein längeres Gespräch. Mit beinahe weinerlicher Stimme begann er: „Wissen Sie, Herr Dok-tor, mir leuchtet ja ein, dass ich abnehmen muss, aber seit drei Tagen trinke ich nur Elisa-bethenquelle, zu essen bekomme ich gar nichts. Ich habe solchen Kohldampf, ich möchte jetzt endlich mal etwas essen, es muss nicht viel sein. Es ist bekannt, dass Menschen, die abneh-men müssen, durchaus etwas essen sollen, es muss halt die richtige Nahrung sein!“ Der Arzt machte ein bedächtiges Gesicht. Er hatte gewusst, dass dieser Patient bei ihm auftauchen und ihn auf die Ernährung ansprechen würde. „Nun“, meinte der Arzt in sich hineingrinsend, „Sie wissen selbst, dass Sie stark übergewichtig sind. Ihrem Gewicht zufolge müssten Sie zwei Meter dreißig sein!“ „Ja schon“, kam es kleinlaut zurück, „aber ich halte es nicht mehr aus und seit drei Tagen trinke ich dieses Mineralwasser und der Sport behagt mir auch nicht. Ich möchte jetzt etwas anderes!“ „Gut“, lächelte der Arzt, „ab morgen wechseln wir von der Elisabethenquelle zur Hirschquelle, denn Abwechslung muss sein!“ Damit war dieses Ge-
spräch beendet.

Letzte Aktualisierung: 28.06.2006 - 11.36 Uhr
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