Das Ruhrgebiet ist etwas besonderes, weil zwischen Dortmund und Duisburg, zwischen Marl und Witten ganz besondere Menschen leben. Wir haben diesem Geist nachgespürt.
„Thomas, ich muss los.“ Sarah hatte sich den schwarzen Schalkragen ihres Mantels bis über die Ohren geschlagen. Sie musste an diesem Silvesterabend die letzte Bahn erreichen.
Ihr Mann rappelte sich stöhnend vom Sofa hoch, stützte sich wankend am Tisch ab und wischte die unzähligen Whiskeyflaschen zu Boden. Klirrend zerbrach das Glas auf dem Parkett und knirschte unter seinen Füßen als er auf seine Frau zutorkelte.
„Aha!“, Speichel rann aus seinen Mundwinkeln, „die Gnädigste flüchtet mal wieder in die Ehrenamtlichkeit ihrer Telefonseelsorge!“
Sarah wich einen Schritt zurück und presste ihre Handtasche eng vor die Brust. Er stank nach Schweiß und Alkohol.
Thomas stolperte und fiel in den Sessel. Ungelenk fingerte er eine Zigarette aus der Packung und suchte in seinen Hosentaschen nach dem Feuerzeug.
„Wenn du so weitermachst, dann... “. Sarahs Stimme vibrierte.
„Verschwinde!“, schrie er und zündete sich die Zigarette an, „ich saufe und rauche, weil mir das Spaß macht!“, er lachte schrill auf, „und Spaß können wir beide doch gebrauchen! Verschwinde und bekehre diese Anrufer, weil die hilflos sind. Ich bin nicht so ein Weichei!“
„Nein“, flüsterte Sarah und zog ihre Handschuhe an, „Du bist kein Weichei, du kommst alleine klar.“
„Oh!“, er blies langsam Rauchkringel in die Luft und sah ihnen nach, wie sie sich diffus auflösten, „hat man dir das bei den Telefonseelsorgern beigebracht? Einer verlorenen Seele nachzuplappern, um Vertrauen zu suggerieren?“
Sarah wandte sich zur Tür. „Es reicht, wenn man genau zuhört,“ und griff nach der Türklinke, „außerdem lenkt mich das ab von der Trauer um unseren Sohn!“
Thomas schnellte hoch, verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden: „Dein Sohn! Dein geliebter Sohn! Sprich es doch aus!“ Wieder rann der Speichel aus seinen Mundwinkeln. „Sag doch, dass ich Schuld an seinem Tod habe! Aber ich habe ihm nicht diesen goldenen Schuss verpasst!“
Sarah ließ die Türklinke los und starrte Thomas an. Der robbte zu ihr und umklammerte den Mantelsaum: „Meine harte Hand hat es nicht geschafft, dem Jungen den rechten Weg zu weisen, aber dein Verwöhnen hat ihn auch nicht von diesen Drogen abgehalten. Du bist ebenso schuldig wie ich“, klagte er, ließ kraftlos ab und kauerte sich auf den Boden. Neben ihm lag der Zigarettenstummel und hatte ein schwarzes Mal in das Holz gebrannt.
Sarah wischte sich die Tränen aus den Augen und hastete durch die eisige Silvesternacht zur Haltestelle. Hoffentlich erreichte sie noch die Bahn.
. . .
„Wenn du, liebste Limpidezza, dich von Beginn an besser um Thomas gekümmert hättest, dann wäre er eine klare Persönlichkeit und nicht so ein hilfloser Säufer, der sich in Vorwürfen suhlt!“ Veritatus nahm einen Schluck Nektar.
„Was? Also, ich bitte dich, nun gehst du aber ein bisschen zu weit, mein Lieber! Das Thomas in seiner Hilflosigkeit mit seinen Fäusten besser umgehen kann als mit Worten, ich habe das nicht zu verantworten. Daran trägt die Schutzengel-Generation vor mir schuld, welche bereits bei seinen Eltern gehütet hat!“
„Ja, ja“, Veritatus goss erneut von dem Nektar ein, „immer alles auf die Vorgänger schieben anstatt den eigenen Einfluss im Hier und Jetzt geltend zu machen.“
Limpidezza nahm ihm das Glas aus der Hand: „Hör endlich auf mit dieser Nektartrinkerei. Flucht in eine Sucht ist keine Lösung!“
Veritatus lachte schallend: „Genau das ist es, meine Liebste, was du deinem Menschen Thomas klar machen musst, dass seine Sauferei keine Lösung ist!“
Limpidezza warf ihre blonde Lockenmähne in den Nacken: „Und du solltest Deiner Menschin Sarah verdeutlichen, dass sie nicht die Einzige ist, die um den Sohn trauert!“
Er zog das Glas wieder zu sich, nippte daran und hielt es seiner Kollegin hin: „Vielleicht solltest du mal probieren?“
Sie verzog das Gesicht: „Schade, dass es hier im Zwischenraum keine Telefonseelsorge gibt, dann könnte ich mich nun auf dem Weg dorthin machen und müsste mich nicht mit deiner Gesellschaft abgeben.“
„Siehst du! Wie Sarah! Du hegst die gleichen Gedanken wie Sarah! Aber sie ist meine Menschin! Mir wurde sie zur Obhut anvertraut! Ich muss mich in sie hinein versetzen, damit ich sie vor Schaden bewahren kann!“
„Das kann die alleine.“
„Kann sie nicht!“
„Kann sie doch!“
„Wie denn?“
„Wenn du Einfühlungsvermögen hättest, dann wüsstest du die Antwort, liebster Veritatus.“
„Und wenn du Intuition besitzen würdest, dann könntest du Thomas von seiner Hartherzigkeit befreien!“
„Muss ich nicht!“
„Warum nicht?“
„Weil er nicht hartherzig, sondern schwach ist.“
Veritatus schaute verdutzt und trank den Rest: „Schwach wirkt meine Menschin Sarah jedenfalls nicht, sie tut in der Telefonseelsorge was Sinnvolles.“
Limpidezza zwinkerte ihm zu: „Na siehst du, nun kommt doch wenigstens Klarheit in unseren Schutzengel-Auftrag.“
Er trommelte geistesabwesend mit den Fingern auf den Glasrand: „Ja, unser Auftrag.“ Limpidezza nahm ihm das Glas aus der Hand und drehte es vor ihren Augen hin und her: „Wir wissen, dass deine Menschin gerade auf dem Weg zur Telefonseelsorge ist. Sie hat es mächtig eilig. Also los! Sonst kriegen wir Ärger mit Governos, unserem Chef!
Er erhob sich und nahm ihr das Glas aus der Hand. Es rutschte ihm aus und zerschellte auf dem Boden. Veritatus kniete nieder, um rasch die Scherben aufzusammeln und schnitt sich in den kleinen Finger.
„Bist Du ungeschickt!“ Sie lächelte.
Veritatus presste die Lippen aufeinander, damit sie ihm nicht anmerkte, wie weh dieser Schnitt getan hatte.
. . .
Sarah hastete an ihren Schreibtisch, zog den Mantel aus und warf ihn über die Lehne des Bürostuhles. Ihre Kollegin zog gerade aus einem kleinen Fläschchen Insulin in eine Spritze: „Heute vier Einheiten zusätzlich, habe mir zum opulenten Abendessen auch noch ein Glas Whiskey gegönnt“, murmelte sie, schob den Kolben ein wenig hoch, „die Luft muss raus“, und stach die Nadel mit einem Ruck in den Oberarm.
`Nein!´, dachte Sarah und sah, wie sich das Gesicht ihrer Kollegin veränderte, sich zu einer Fratze verzerrte und der Arm schlaff auf die Fliesen glitt. Ihr Sohn! Das Spritzenröhrchen steckte an der Nadel im Fleisch, rollte sanft in der Armbeuge hin und her, blieb dann bewegungslos liegen.
„Sarah! Ist dir nicht gut? Gehörst wohl auch zu denjenigen, die Angst vor Spritzen haben?“
Die Kollegin schob ihr augenzwinkernd eine Flasche `Jonny Walker´ über den Schreibtisch, „kleines Präsent von mir zum neuen Jahr, ich darf ja eh nicht so oft... Diabetes.“
Sarah wandte sich angeekelt ab, weil ihr der Geruch von Schweiß und Alkohol in die Nase stieg. Sie sah in Gedanken, wie Thomas die Whiskeyflasche auf der Bahnhofstoilette neben den toten Sohn wortlos zerschellte, um sich in der nächsten Kneipe eine neue zu kaufen. Das Klingeln des Telefons riss sie aus diesen dunklen Bildern.
Eine Männerstimme: „Ich muss mich entschuldigen, schließlich ist es ja nicht selbstverständlich, dass an Silvester ein Mensch da ist, der einem zuhört, aber ich muss reden.“ Seine Worte hallten nach, als befände sich der Anrufer in einem großen Raum.
„Ich höre Ihnen zu.“
Ein Räuspern: „Wissen Sie, ich bin es nicht gewohnt zu reden.. Ich bin stets ein Mann der Tat. Wer im Leben was schafft, hart arbeitet, das ist doch ein guter Mensch. Ich meine, ich habe es immer gut gemeint mit meiner Frau und unserem Sohn. Das Haus, die Werkstatt, ich will sagen, für wen habe ich mich denn abgerackert? Und dann begannen diese Schwierigkeiten. Mein Sohn, unser Sohn, also, es begann mit dem Schwänzen in der Schule, er kam morgens nicht mehr raus aus dem Bett. Die falschen Freunde hatte er. Ihr Wort galt mehr als das unsere. Er sagte, ich sei ein Spießbürger! Was sollte ich denn tun? Ich habe ihn zum Gymnasium geprügelt! Ohne Abitur läuft doch heute nichts mehr! Meine Frau, wissen Sie, die hatte immer so viel Nachsicht mit dem Jungen, die hatte ihn verweichlicht. Hatte sich gesorgt, weil sie annahm, er sei auf dem Gymnasium überfordert. Aber ich habe doch die Nachhilfe bezahlt. Der Junge hatte also Unterstützung! Und? Er hat es nicht zu schätzen gewusst. Nein! Er hat uns oft bestohlen, damit er seine Drogensucht finanzieren konnte! Da habe ich ihm den Hausschlüssel abgenommen und ihn rausgeworfen! Richtig frech war er da geworden und wir haben uns geprügelt! Und was hat meine Frau getan? Sie hat ihn nächtelang gesucht und ist mit ihm zur Drogenberatungsstelle! Als wenn so was nützlich ist! Der Junge wollte doch lieber diesen einfachen, bequemen Weg im Leben einschlagen, anstatt meine Firma zu übernehmen! Hatte mich vor den Gesellen lächerlich gemacht! Mich! Diese Blamage! Und meine Frau? Wir haben gar keine Ehe mehr geführt, weil sich alles ausschließlich um die Drogensucht unseres Sohnes drehte! Als ob ich mich nicht gesorgt hätte! Aber was hätte ich denn tun sollen, wenn die Wut übermächtig geworden war? Ich habe blind zugeschlagen! Drogen und so, ich kenne so was nicht. Ich bin seit meiner Jugend einen geraden, aufrechten Weg gegangen und habe von meinem Vater auch mal eines hinter die Löffel gekriegt! Und es hat mir nicht geschadet! Aber unser Sohn? Ist seit sechs Monaten tot! Es war seine letzte Spritze.“ Eine Pause.
Sarah krampfte ihre Finger in den Stoff der linken Brustseite. Das war nicht Thomas´ Stimme! Sie schaute hinüber zu ihrer Kollegin, ob diese vielleicht übernehmen könnte, weil... Aber die hatte schon einen Anruf entgegengenommen: „... dann sagen Sie ihrer Bekannten doch, sie solle heimfahren zu ihrem Mann und sich mit ihm gemeinsam an frühere Zeiten erinnern: Welche Gemeinsamkeiten es gegeben habe, die Zeit der unbeschwerten Verliebtheit, eine besonders schöne Episode... das kann helfen, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen.“ Die Kollegin schaute kurz auf und flüsterte: „Hier sorgt sich jemand um ein Paar und will wohl Schutzengel spielen.“
Dieser Anruf! Sarahs Wangen glühten und ihre linke Hand hielt den Hörer fest ans Ohr. Sie musste sich aber doch konzentrieren! „Wie bitte? Entschuldigung, ich... “ Sarahs Gedanken schweiften ab: Aber klar, auch sie hatte eine besondere Erinnerung an damals. Sie war im dritten Monat schwanger gewesen, da hatte Thomas sie überrascht mit einem VW-Käfer in hellblau. Deshalb also hatte er sich die Nächte in der Werkstatt um die Ohren geschlagen: `Dann kannst du mit unserem Sohn hinaus fahren ins Grüne an den See!´ `Und wenn es eine Tochter wird?´, hatte sie gefragt.
`Das wird ein Stammhalter, der meine Werkstatt übernimmt, wie auch ich sie bereits von meinem Vater übernommen habe´, er hatte gelacht und sie umarmt.
`Und wenn es doch ein Mädel wird, dann lernt sie es auch, mit dem Schraubenzieher umzugehen´, hatte sie ihm ins Ohr geflüstert, als er ihre Halsbeuge liebkost hatte.
Dieser Anruf! Sie entschuldigte sich wieder ob ihrer mangelnden Konzentration..
„Aber nicht doch! Ich muss mich entschuldigen, weil ich hier jammere wie ein Weichei, aber ich bin keins! Es reicht doch, wenn ich höre, wie meine Frau im Bett weint, wenn sie meint, ich sei eingeschlafen. Ich höre ihr Schluchzen, wenn sie sich im Bad einschließt oder im Zimmer unseres Sohnes. Sie ist eine Frau, sie kann ihre Trauer mit den Tränen herauslassen. Da ist es für sie bestimmt nicht hilfreich, wenn ich ihr auch noch was vorheule. Wenn `s mir schlecht geht, ich meine, wenn ich nachdenke, dann, ja, es geht mir einfach wieder gut, wenn ich was trinke. Das ist ja nur eine vorübergehende Phase. Wissen Sie“, ein kurzes Stöhnen, „früher, als wir jung waren, so in der ersten Ehezeit, da haben wir uns bei Streitigkeiten oft kleine Briefchen auf Zetteln geschrieben, weil ich ja noch nie ein Freund der großen Sprüche war. So haben wir uns unser Fühlen und Denken immer mitgeteilt. Schriftlich. Sie müssen darüber bestimmt lachen, oder?“
Sarah schluckte schwer an dem Kloß in ihrer Kehle: „Thomas?“ Aber das war nicht seine Stimme!
„Thomas? Äh, nein, Veri... aber hier ist doch jeder Anrufer anonym!“
„Ja, anonym“, sagte sie leise, „also, dann schreiben Sie doch heute Ihrer Frau einen Brief. Wollen Sie mir verraten, was drin stehen wird? Sie müssen nicht, wenn Sie... “
„Ich vermisse unseren Sohn ebenso wie Du. Bestimmt denkst Du, dass mir sein Tod gleichgültig ist, aber Du kennst mich doch, Tränen sind mir zuwider. Weißt Du noch, was mein Vater gesagt hatte, als Du das erste Mal bei uns zum Essen warst? `Mein Sohn ist ein Mann der Tat und schwingt keine Phrasen. Er ist ein zupackender und ehrlicher Typ´ Vielleicht hattest Du auch Recht, dass ich viel von unserem Sohn gefordert hatte. Aber der Junge war unsere Zukunft! Ich sorgte mich ebenso wie Du und vermisse ihn!“
Ein leises Knacken in der Leitung.
„Eine gute Idee von Ihnen, die Briefform zu verwenden.“ Der Hörer war nass geworden unter ihrer schwitzenden Hand.
„Ja“, flüsterte er, „das stimmt. Und dann werde ich meine Frau in den Arm nehmen und sie kann sich an meinen starken Schultern ausweinen. Und morgen werde ich dann mit ihr hinaus fahren zum See, wo wir früher... dort hatte unser Sohn auch zum erstenmal sein ferngesteuertes Boot über das Wasser fahren lassen. Sie hätten seine leuchtenden Augen sehen sollen! Sein schwarzes Haar hatte bläulich in der Sonne geglitzert... Ich danke Ihnen fürs Zuhören.“
Sarah wollte noch... aber da war dieser Kloß in der Kehle.
. . .
„Na!“, sagte Governos zu seinen Bediensteten, den Schutzengeln Limpidezza und Veritatus, „sieht so aus, als hättet ihr für die Beiden ein kleines Silvesterlicht angezündet.“
`Wenigstens ein Anfang´, dachte Veritatus und verdrehte die Augen, „beinahe hätte ich mich Sarah am Telefon zu erkennen gegeben.“
„Ihren weiteren Weg müssen die Beiden selbst finden“ hauchte Limpidezza.
„Aber das können die alleine nicht!“, entgegnete Veritatus unwirsch.
„Das können die doch!“
„Wie denn?“
„Einander zuhören“, antwortete Limpidezza ungehalten.
„Willst du damit etwa andeuten, dass ich dir nie zuhöre?“, fragte Veritatus ärgerlich.
„Schluss mit den Vorwürfen!“, rief Governos, „Das Motto der Schutzengel lautet: Wahrheit, Klarheit und Licht“, er erhob seine mächtige Gestalt und zog aus der hinteren Ecke einen zierlichen Schutzengel hervor, der verschüchtert die Augenlider niederschlug, „das ist Lampadus.“
„Ach“, sagte Veritatus spöttisch, „das ist also der Möchte-Gern-Schutzengel, der uns das Ganze aufgebürdet hat!“
Limpidezza stellte sich vor den Kleinen: „Hör bloß mit dem Beschimpfen auf! Wenn ich mich achtsamer um meinen Menschen Thomas gekümmert hätte, dann wäre die Arbeit des Kleinen leichter gewesen. Aber ich hatte halt nicht die Klarheit, wie ich ja bereits sagte, da hatte die Engelgeneration vor mir bereits geschludert, weil... “
Der kleine Lampadus begann zu weinen: „Und ich bin nun tatenlos, weil ich es nicht geschafft habe, meinen Menschen vor dem Drogentot zu bewahren.“
„Ja“, sagte Governos, „es gibt wirklich nichts Schlimmeres für einen Schutzengel als das Nichtstun. Wo ihr doch dazu bestimmt seid, stets auf der Hut zu sein und eure Flügel schützend auszubreiten.“ Er stellte eine Karaffe Nektar neben die Gläser auf den Tisch und goss ein: „Aber es wird bestimmt nicht lange dauern und ich werde Dir eine neue Menschenseele anvertrauen können. Jetzt sollten wir auf das neue Jahr anstoßen!“
. . .
Die Tür wurde aufgerissen, Sarah stürmte Richtung Wohnzimmertisch und entriss Thomas das Briefchen. Die Scherben knirschten unter ihren kraftvollen Schritten, als sie den Raum schnell verließ und sich im Bad einschloss.
Thomas kniete sich hastig zu Boden und sammelte das Glas ein. Die kleinste Scherbe schnitt sich in das Fleisch seiner Daumenkuppe. Purpurn quoll das Blut hervor. Thomas ließ sich matt auf den Boden sinken und weinte.
Limpidezza kicherte, „Veritatus, der ist ja genau so ungeschickt wie du. Und dieses Weichei weint wegen so eines kleinen Kratzers!“
Veritatus legte seine Flügel um ihre Schulter, „ach weißt du, meine Liebste, Weichei ist in diesem Fall für meinen Thomas ein großes Kompliment. Und die Tränen vergießt er bestimmt nicht wegen der harmlosen Verletzung. Man muss nur genau hinsehen!“
„Und zuhören!“
„Musst Du immer das letzte Wort haben?“
Limpidezza warf ihr Haar in den Nacken: „Das letzte Wort haben immer die Menschenseelen.“
„Thomas“, sagte Sarah, als sie seinen Brief gelesen hatte, „ich hatte einen Anrufer... seine Geschichte... da musste ich sofort heimkommen, weil...“
Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter und weinte.
Er goss den Orangennektar in zwei Gläser, „lass uns auf ein das neue Jahr anstoßen. Wir müssen wieder zueinander finden. Morgen werden wir an den See fahren.“ Thomas wischte sich verstohlen mit den Handrücken über seine feuchten Augen.
Governos nickte zufrieden und wandte sich an den kleinen Lampadus: „Was werden die Beiden am See suchen?“
„Die Spuren der Vergangenheit“, antwortete der Kleine eifrig.
Anne Zeisig, Januar 04
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