Sexlibris
Sexlibris
Wo ist die Grenze zwischen Pornografie und Erotik? Die 30 scharfen Geschichten in diesem Buch wandeln auf dem schmalen Grat.
mehr ... ] [ Verlagsprogramm ]
 SIE SIND HIER:   HOME » MITMACH-PROJEKT » SCHREIBAUFGABE » Jochen Hoff IMPRESSUM
NEWSLETTER
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

Jetzt anmelden! ]

UNSERE TOP-SEITEN
1.) Literatur-News-Ticker
2.) Leselust
3.) Forum
4.) Mitmach-Projekt
5.) Schreib-Lust-News 6.) Ausschreibungen 7.) Wettbewerbs-Tipps
Februar 2004
Samstag Nachmittag
von Jochen Hoff

"Du, Erwin, was machst du gerade?", ertönt Emmas schrille Stimme aus der Küche.
Erwin, bekleidet mit einer Turnhose und einem Feinripp-Unterhemd, das deutlich die Spuren der Woche trägt, lehnt sich noch weiter aus dem Fenster. "Gar nichts mach ich." Er versucht um die Hausecke zu sehen, vergeblich.
"Man kann doch nicht gar nichts machen. Magst du nicht schon baden gehen, dann kann ich auch ...?"

Erwin geht in die Küche, öffnet auch dort das Fenster und lehnt sich hinaus. "Hab ich es doch gewusst! Die rauchen schon wieder. Öffentlich, wo jeder sie sehen kann. Wahrscheinlich sogar Hasch. Denen sollte man mal, aber richtig. Das hätten wir uns mal erlauben sollen, dann hätten wir aber ..."
"Du rauchst doch auch, Erwin. Dauernd hab ich die Asche auf dem Tisch und im Teppich ist schon wieder ein neues Loch, du solltest weniger ..."
"Sei still. Das ist doch was anderes. Ich bin erwachsen. Ich hab mein Leben lang gearbeitet. Bestimmt schwänzen sie die Schule und sind frech zu den Lehrern. Uns haben sie damals die Ordnung mit dem Stock eingehämmert. Die Gitti vom Nachbarn ist auch dabei. Na, mit der werden ihre Eltern noch Freude haben. Ich wette die ist bald schwanger. Wie die wieder aussieht, so gut wie nichts an." Erwin lehnt sich noch weiter aus dem Fenster. "Jetzt küssen die sich auch noch und grapschen sich an. Was soll bloß aus unserem Land werden, wenn Jugend nichts anderes als ihr Vergnügen im Kopf hat?"
Emma blättert in der Illustrierten, während Erwin sich ein Bier aus dem Kühlschrank holt. "Das ist jetzt schon das vierte. Nimm dir doch einen Aschenbecher, du hast schon wieder die Asche auf den Boden fallen lassen. Willst du nicht doch erst baden? Ich muss mir noch die Haare waschen. Sonst geh ich zuerst."
"Das fehlte mir gerade noch, in deinem Wasser zu baden, du wartest gefälligst. - Hallo, Herr Nachbar! Danke, selbst auch? - Da geht der einfach vorbei, während seine Tochter mit den Bengels rummacht. Ich fasse es nicht. Das hätte ich sein müssen. Heute Abend darf die bestimmt wieder in die Disco, bis mitten in der Nacht. Wer weiß, was da alles passiert. Ich würde der Disco geben. Prügel könnte sie kriegen. Socken stopfen und stricken und schön zu Hause geblieben. Wir durften abends nur raus, wenn was von der Hitlerjugend war. "
"Die Gitti muss um zehn zu Hause sein. Tanzen waren wir früher auch. Erwin, lass doch die Kinder und geh baden."
"Ich geh baden, wann ich will. Gib mir mal 'nen Schnaps, aber einen vollen, wenn ich bitten dürfte. Um zehn Uhr zu Hause. Letztens hat sie bis um viertel nach elf mit dem Lulatsch vom Bäcker im Eingang rumgemacht. Möchte nicht wissen, was die da getrieben haben. Das war selbst mit dem Fernglas nicht zu erkennen. Was ist jetzt mit dem Schnaps?"
"Ich komme ja schon. Der Tim vom Bäcker ist nett, der hat mir erst kürzlich die Tasche nach Hause getragen. Außerdem steht der schon mitten in der Nacht in der Backstube. Willst du jetzt nicht doch erst ...?"
"Nein, ich will nicht baden, stell mir mal die Flasche hier hin. Bei deiner Einschenkerei wird ja nicht mal die Zunge nass. Dein Tim, da kommt der gerade mit dem Moped. Bei diesem Heidenkrach soll einer schlafen können."
"Erwin, du schläfst doch gar nicht. Heute Abend kommt der Musikantenstadel im Fernsehen, den möchte ich so gerne sehen, kannst du vielleicht nicht jetzt baden gehen? Ich brauch noch Zeit für meine Haare."
"Hörst du jetzt endlich mit deiner blöden Baderei auf. Gebadet wird am Samstag Abend. Das heißt um 18 Uhr und jetzt ist es 16 Uhr dreißig. Was du nur immer mit deinen dämlichen Haaren hast. Kuck mal lieber, dein Tim. Bier hat er in den Satteltaschen. Nun saufen die auch noch auf der Straße. Zu meiner Zeit hätte uns die SA dafür verprügelt und durch die halbe Stadt gejagt. Aber es herrscht halt keine Ordnung mehr."
Emma bringt Erwin ein neues Bier. Sie lächelt seinen Rücken an. "Ja, ich weiß noch, deshalb habt ihr immer bei meinem Opa im Keller gesoffen. Wenn ich was raufholen musste, hast du mich in den Arm genommen. Du warst so zärtlich und liebevoll. Lass die Kinder doch, setz dich zu mir. Dann mach ich mir die Haare halt ein anderes Mal."
"Lass die Kinder doch. Uns hat auch keiner gelassen. Schau dir das an. Jetzt spielen sie Fußball. Immer an die Wand vom Gerätehaus der Feuerwehr. Als wenn der Putz und die Farbe kein Geld gekostet hätten. - Werdet ihr wohl sofort aufhören. Das ist kein Fußballplatz. Geht dahin, wo ihr hingehört. - Na, das ist ihnen jetzt aber in die Glieder gefahren. Nun packen sie wenigstens den Ball weg. Ja, sie verschwinden. Komm ins Wohnzimmer. Bring die Getränke mit. Bestimmt versammeln sie sich jetzt im Park."

Erwin eilt ins Wohnzimmer und greift zum Fernglas. Emma folgt ihm seufzend. "Erwin, im Park stören sie doch keinen. Ich brauch übrigens neue Stützstrümpfe, die alten sind ausgeleiert und rutschen. Komm, Erwin, setz dich zu mir. Hier. Ich hab nochmal eingeschenkt. Lass es uns gemütlich machen. Wir können auch morgen baden. Wir sind ja Rentner. Da kommt es nicht so genau drauf an."
"Du spinnst wohl. Bei uns wird samstags gebadet. Das war schon bei meinen Eltern die Regel. Wehe, wenn wir nicht pünktlich waren. So ein Lotterleben fangen wir gar nicht erst an. Das mit den Strümpfen, das müssen wir erst mal verschieben. Ich find mein Geld ja nicht auf der Straße. Gemütlich machen wir es uns nach der Tageschau. Wie jeden Samstag. Lies du nur deine Zeitung. Ich muss beobachten, was die jetzt wieder anstellen. Siehste, ich hab ja gesagt, nun sind sie im Park. Verstecken sich hinter den Büschen. Wer nichts zu verbergen hat, braucht sich auch nicht zu verstecken." Erwin beugt sich weit aus dem Fenster, um an der Blautanne vorbei einen besseren Blick zu erhaschen. "Mist, jetzt haben sie mich gesehen. Nun hauen sie ab. Aber es fängt an zu regnen, da wird ihnen der Spaß wohl vergehen." Mürrisch schließt Erwin das Fenster. "Was lieste denn da für einen Unsinn, in deinem Käseblättchen? Wird wohl nichts Gescheites sein. Lass mir lieber mein Badewasser ein. Sonst biste hinterher wieder nicht fertig, wenn wir fernsehen wollen."
"In der Zeitung schreiben sie auch über die Jugend. Hier steht was von einer Inschrift, die sie in Ur in Chaldäa gefunden haben. In Keilschrift, aus der Zeit 2000 Jahre vor Christus. Da stand: 'Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe.', und außerdem , dass Sokrates schon 400 Jahre vor Christus gesagt hat: 'Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.' Ich lass dir jetzt erst mal dein Wasser ein, schön heiß, wie du es magst, und danach machen wir es uns gemütlich."
"Siehste, das hab ich dir doch gesagt, das mit der Jugend. Da sagst du noch, ich soll sie lassen, wo das schon so lange bekannt ist, dass die Jugend verkommt. Da muss jetzt endlich was getan werden. Aber die Regierung pennt ja nur und lebt von meinen Steuern. Pack noch Bier in den Kühlschrank, sonst wird das nichts mit der Gemütlichkeit.










Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
Dieser Text enthält 7168 Zeichen.

Druckversion

 LINKTIPPS: Naturwaren Diese Website wird unterstützt von:

www.mswaltrop.de
Copyright © 2006 - 2024 by Schreiblust-Verlag - Alle Rechte vorbehalten.