Der Cousin im Souterrain
Der Cousin im Souterrain
Der nach "Dingerchen und andere bittere Köstlichkeiten" zweite Streich der Dortmunder Autorinnengruppe "Undpunkt".
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Februar 2004
Typisch Mann ...
von Olaf Deutz

Alles begann wie mit einem Paukenschlag! Ich stand in der Werkstatt meines Schwiegervaters, als das Telefon klingelte. Jetzt könnte man sich natürlich fragen, was so besonders daran war? Sicher klingelte an diesem Tag in vielen Firmen das Telefon, doch dieses Klingeln war anders. Irgendwie unheilvoll und drohend.
Nun, vielleicht lag es daran, das meine Freundin bei ihrer Frauenärztin war, um sich eine, wie wir vermuteten, Entzündung im Unterleib behandeln zu lassen, oder es lag an dem Umstand, dass ich an diesem Tag absolut keine Lust hatte, in den Außendienst zu gehen, und dieses Telefonat mich vielleicht genau dazu nötigen würde.
Mein schmieriger Kollege ging schließlich an den Aperrat und reichte mir kurz darauf, breit grinsend, den Hörer.
»Is' für dich!«
Ich hatte es gewusst, Außendienst! Etwas genervt grapschte ich Ede den Hörer aus der Hand und vernahm zu meiner Überraschung am anderen Ende eine weinende Frauenstimme. Erste Gedanken an meine Mutter schossen mir durch den Kopf und dass unsere Familie wieder von einem tragischen Ereignis eingeholt worden war.
»Hallo Papa,« schluchzte es am andren Ende. Meine Freundin! Doch Moment, wie hatte sie mich genannt? Ich musste mit einem Mal genau so weiß wie eine Wand hinter mir geworden sein, denn Ede bekam plötzlich ganz große Augen.
Darüber hinaus schoss mir gleich ein ganz andrer Gedanke durch den Kopf. „Falsch verbunden“, aber nein, das war meine Freundin, die dort in den Hörer flennte. Und genau in diesem Moment schwankte ich zwischen Selbstmord und Südamerika.
»Nein?!« waren wohl meine ersten Worte, so weit ich mich noch erinnere. Hätte ich diese Szene im Kino gesehen, hätte ich wahrscheinlich vor Lachen gebrüllt, doch in diesem Moment war mir eher nur zum Brüllen zumute.
»Doch!« protestierte sie am anderen Ende, immer noch mit ihrer Fassung ringend. Schließlich hatte ein Etwas sich unter ihrem Herzen eingenistet und wucherte nun fröhlich vor sich hin. Also war jetzt Mitleid von Nöten und ein gehöriges Maß an Verständnis.
»Beruhige dich erst einmal, Schatz.« Begann ich meinen Versuch, die Wogen der Erregung zu glätten, dabei war mein Adrenalinspiegel ungefähr zwei Köpfe größer als ich und stand neben mir. Erste Angstschweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn und ich tigerte durch den kleinen Flur, in dem das Telefon hing, wie eine angestochene Raubkatze.
Das konnte doch nicht wahr sein! Schließlich gab es genug Männer und Paare, die sich nichts sehnlicher wünschten, als Nachwuchs zu bekommen, doch warum traf es gerade uns resp. mich?
Ich hatte Kindern noch nie etwas Positives abgewinnen können. Ok, manche wirkten schon wie kleine Menschen, aber das Gros waren laut, machten alles kaputt und rochen mitunter schlimmer, als ein öffentlicher Lokus. Außerdem liefen Kinder bei mir unter der jenen Dingen, die sich nun einmal wissenschaftlich nicht berechnen lassen und jeden Chaostheoretiker zur Verzweiflung brachten. Kinder rangierten auf meiner Katastrophenskala demnach noch vor Heiraten, jedoch nur wenig hinter einem Atomkrieg.
Und wenn meine Freundin und ich uns in einer Sache einig waren, dann darin, dass der einzige Zuwachs, der sich in unsere vier Wände einschleichen würde, vier Beine hatte und maunzte. Zwar hatte meine Freundin diese Aussage dahingehend relativiert, indem sie den kleinen Zusatz „zur Zeit" verwendete, was jedoch auf das Gleiche hinaus kam.
Doch aus welchen Gründen auch immer hatte ich jetzt ein Häufchen Elend an der Strippe, welches unmissverständlich zu verstehen gab, dass sie das Kind haben und großziehen wollte und das vorzugsweise mit mir. Im selben Moment wurde mir schlecht. Hatte ich bis dato noch gehofft, dass dieser Fehltritt durch einen kleinen Eingriff wieder aus der Welt geschafft werden konnte, so blieb mir jetzt nichts anderes übrig, als zuzusehen, wie dieser Wunsch in sehr weite Ferne rückte.
Wenn man alles genauer betrachtete, war es ja eigentlich lachhaft, dass dieser mikroskopisch kleine Dottersack drauf und dran war, meine bisherige Weltanschauung einzureißen, wie mit einer groben Abrissbirne.
Letzten Endes stand es mir natürlich frei, meine Beziehung zu dem Kind auf einen monatlichen Dauerauftrag zu beschränken, was natürlich zur Folge hätte, dass mir die Schwiegerfamilie die Pest an den Hals wünschen würde, was wahrscheinlich im gleichen Maße für meine Mutter galt. Zumal mein alter Herr eine ähnliche Nummer abgezogen hatte, mit dem feinen Unterschied, dass ich bereits zwölf Jahre alt war, als er das Weite gesucht hatte. So oder so wäre ich der Arsch der Nation.
Doch jetzt galt es erst einmal, wie schon gesagt, den Schaden zu begrenzen. Also versuchte ich so ruhig und gelassen zu klingen, wie ich nur konnte. »Jetzt beruhige dich erst einmal,« versuchte ich zu beschwichtigen, »nimm dir ein Taxi und komm nach Hause, dann reden wir über alles.« Ich erntete eine verheulte Zustimmung und legte den Hörer auf.
Als ich wieder in die Werkstatt kam, mit zugegebenermaßen etwas weichen Knien, sah ich Ede breit grinsend vor mir stehen, so als wüsste er, dass mich das Schicksal bei den Eiern gepackt hielt und nun langsam begann zuzudrücken.
»Ich werde Vater,« stammelte ich Halt suchend. Edes grinsen wurde noch breiter.
»Herzlichen Glückwunsch,« frohlockte er und reichte mir die Hand. Zu meinem Erstaunen ertappte ich mich dabei, wie ich seine Hand nahm, anstatt mit irgendetwas nach ihm zu werfen. Als Ede sich gackernd wieder an die Arbeit gemacht hatte, war für mich der Zeitpunkt gekommen, an dem ich mich setzen musste.
Nur langsam dämmerte mir, was dieser kleine Wurm für Auswirkungen auf mein bisheriges Leben haben würde.
Als Erstes konnte ich meinen VW-Bus in die Tonne treten, denn für einen eingetragenen Zweisitzer waren wir, wenn das Baby da war, schon allein rechnerisch einer zu viel. Außerdem hatte das zur Folge, dass ich meine Surfbretter, zumindest für eine sehr lange Zeit, ebenfalls an den Nagel hängen konnte. Dabei wollte ich noch nicht einmal von den zünftigen Gelagen mit meinen Freunden am Strand reden, welche sich ebenso verflüssigen würden. Genau so, wie meine ruhigen Abende vor dem Computer. Alles torpediert von einem Wesen, dem man hierfür noch nicht einmal Vorsatz unterstellen konnte.
Ich hatte echte Schwierigkeiten damit, meine Aggressionen auf einen Menschen zu projizieren, der erst noch einer werden sollte.
Zwar hatte mir der Gerechtigkeitsfimmel meiner Mutter immer eingebläut, Dinge auch einmal aus einer anderen Perspektive heraus zu betrachten. So sollten sich völlig neue, positive Aspekte auftun. Doch so sehr ich mich auch anstrengte, mir wollten einfach keine einfallen.
Letzten Endes würde alleine die Zeit zeigen, wie sich die Dinge entwickelten und mir blieb für den Augenblick nichts anderes übrig, als der Verwandtschaft etwas zu beichten und zu warten.

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