Unsere Literaturzeitschrift Schreib-Lust Print bietet die neun besten Geschichten eines jeden Quartals aus unserem Mitmachprojekt. Dazu Kolumnen, Infos, Reportagen und ...
Sie mochten sich nicht von Anfang an. Eines Tages waren sie sich begegnet, in einem kleinen Cafè, an einem regnerischen Tag. Constanze, die ihr graues Flanellkostüm und ihren majestätischen Florentiner Hut trug, hoffte im ersten Moment, dass diese alberne Person, die auf sie zukam, sich nicht ausgerechnet an ihren Tisch setzen würde. Die Farben ihrer Kleidung erinnerten sie an die Kostüme brasilianischer Sambatänzerinnen. Mit jedem Schritt brachte Isabell die Rüschen, ihres geblümten Volantkleides in Schwingung.
Constanze versuchte unnahbar zu erscheinen und wandte ihren Kopf in die entgegengesetzte Richtung. Es war fraglich, ob diese Person solch ein Signal überhaupt wahrnehmen würde. Ihr Blick fiel auf die lindgrüne Tür, mit dem Messingschild WC.
Isabell, die jeden Donnerstag ins Cafè kam, stellte fest, dass ihr kleiner Ecktisch von einer vornehmen Dame besetzt war. Das Cafè war bei diesem Wetter gut besucht. Der Duft von frisch geröstetem Kaffee, heißer Schokolade und süßem Kuchen machte sie verrückt, und das Wasser lief ihr im Munde zusammen.
Von ihrem Lieblingsplatz aus, hätte sie den besten Blick über die marmorierten Bistrotische und die Menschen, die köstliche Törtchen oder Eiskugeln verspeisten. Kurz entschlossen steuerte sie auf Constanze zu, die unentwegt auf die Toilettentür starrte.
Isabell räusperte sich und fragte unverblümt: „Verzeihung,... ist hier noch ein Platz frei?“
Constanze, hatte befürchtet in ihrer Ruhe gestört zu werden.
Sie gab sich geschlagen, blickte in Isabells rundes Gesicht und auf eine weiße Brille mit glänzenden Strass-Steinchen. Das Sahnehäubchen von allem war dieser Hut. Das fliederfarbene Bastgeflecht mit breiter Krempe, bändigte ihr wild toupiertes Haar.
Constanze konnte sich ein Lächeln nicht mehr verkneifen.
„Darf ich das als ja verstehen?“, fragte Isabell und ließ sich bereits auf einen der zierlichen Messingstühle fallen.
Constanze nickte kühl.
„Bitte.“
Ihre Lieblichkeit wirkt etwas verstaubt unter ihrem schwarzen Filzhut, dachte Isabell. Gesprächig ist sie auch nicht gerade.
Nun gut, vielleicht könnte man sie ein bisschen aufmuntern.
„Haben Sie schon gewählt?“ war das einzige was Isabell im Moment einfiel.
„Ja,... und Sie?“ entgegnete Constanze.
„Ja, bereits als ich hereinkam, an der Theke. Wissen Sie, ich esse immer das Gleiche, wenn ich hier bin. So vermeide ich die Qual der Wahl.“ Isabell lachte lauthals, so dass die anderen Gäste neugierig ihre Hälse reckten. Wie unangenehm, dachte Constanze. Sicher wollte sie jetzt gefragt werden, was sie bestellt hatte. Und wirklich, die Neugier war geweckt.
Sie überlegte, und mit einem Schmunzeln dachte sie an einen Windbeutel mit aufgetürmter Sahneschicht, unter der sich Schattenmorellen verstecken. Isabell, die jetzt ebenfalls lächelte, dachte an einen weiß glasierten Zitronenkuchen, in den ihre Lieblichkeit, mit einer zierlichen Kuchengabel stach.
Da saßen sie, so wie das Leben sie zusammen geführt hatte, an einem Donnerstag im April. Sie hatten nichts gemeinsam, als das weibliche Geschlecht, einen Faible für Hüte und was keiner von ihnen ahnte, ihre Vorliebe für warmen Apfelstrudel auf Vanillesoße, den beide bestellt hatten und der gleich serviert wurde.
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