Bitte lächeln!
Bitte lächeln!
Unter der Herausgeberschaft von Sabine Ludwigs und Eva Markert präsentieren wir Ihnen 23 humorvolle Geschichten.
mehr ... ] [ Verlagsprogramm ]
 SIE SIND HIER:   HOME » MITMACH-PROJEKT » SCHREIBAUFGABE » Leander Sukov IMPRESSUM
NEWSLETTER
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

Jetzt anmelden! ]

UNSERE TOP-SEITEN
1.) Literatur-News-Ticker
2.) Leselust
3.) Forum
4.) Mitmach-Projekt
5.) Schreib-Lust-News 6.) Ausschreibungen 7.) Wettbewerbs-Tipps
April 2004
Palast im Eis
von Leander Sukov

Im Norden Spitzbergens, dort wohin Menschen kaum ihren Fuss setzen, steht ein Tor aus Eis. An seinen Seiten trägt es die Bildnisse von Göttern und Göttinnen aus alter Zeit, und von welcher Seite man auch hindurch schaut , man sieht nichts als den endlosen Schnee, so wie Gott ihn über das Land gelegt hat.

Durchschreitet man es jedoch an einem bestimmten Tag im Jahr, dann, wenn der Mond gegen Morgen einen durch das Tor anblickt, so wirkt ein großer Zauber. Denn wenn einer das Tor auf jener Seite verläßt , auf der der Mond wartet, so hat er den Schnee und das Eis hinter sich gelassen und betritt den blühenden Garten eines Palastes, der prächtiger ist als alle anderen Paläste und niemals war einer, der es an Pracht mit ihm aufnehmen konnte, noch wird es je einen solchen geben.

Es ist in jedem Jahr nur einem Menschen vergönnt, das Tor an jenem Tage zu durchschreiten, und es ist nun schon an die 300 Jahre her, dass ich an einem solchen frühen Morgen, klamm noch von der Kälte der Nacht - oh Spitzbergen ist in dunkler Nacht noch kälter als am Tage und wie Eiskristalle stehe die Sterne am Firmament - an jene wundersame Stelle im Norden gelangte. Mein Pony, ein Tier aus guter Zucht und so schnell wie die Möven, scheute und wollte um gute Worte nicht, und nicht um Schläge weiter traben. So zog ich mutig mein Schwert und ritt durch das Tor in der Erwartung, hinter den mächtigen Säulen würden Eisbären lauern und war bereit, ihnen mit ein paar Schlägen die Köpfe vom Leib zu trennen.

Als ich jedoch das Tor durchquert hatte, so fand ich mich einem Garten wieder, der meine Augen übergehen ließ. Liebliche Rosen, durftenden Lorbeersträucher, Inseln aus betörenden Azaleen und Myrthenhaine umgaben mich. Grünes Gras und silberne Sturzbäche aus heißen Quellen bedeckten den Horizont. Und so weit ich blickte - und ob mich mich nach Osten wandte oder nach Westen, ob ich meinen Blick südwärts befahl oder gar nach Norden - nichts erinnerte an die kalte Wüstenei des Nordens, gerade so als hätte es sie nie gegeben. An diesem Orte schämte ich mich für mein gezücktes Schwert und so steckte ich es zurück in seine Scheide. Ich stieg von meinem Pony, band es am einem der Lorbeersträucher fest und warf meinen Pelzmantel ab. Dann folgte ich lange den Wegen, die mit weißem Marmor belegt waren zu einem Gebäude, dass ich in der Ferne wie aus Gold schimmern sah. So weit war es entfernt, dass ich fast bis zum Mittag durch den Park schritt, bevor ich ankam. Auf meinem Wege begneten mir Diener in weißen, Leinenhosen, die mir kühles Wasser und wohlschmeckenden Wein anboten, auch brachten sie getrockeneten Fisch und Walroßfleisch als Wegzehrung. Vorbei an Volieren ging ich, die groß wie die Häuser der Kaufleute aus Venetia bunten Vögeln Heimat waren. Ich aber achtete nicht auf sie , sondern strebte dem Schlosse entgegen.

Es dauerte lange zu dem Gebäude zu gelangen, so lange, wie der alte Hansen braucht um nach der Sauna zum Markte zu kommen um seinen Geschäften nachzugehen, oder so lange, wie einer braucht, der die Mauern Visby's umschreiten wollte. Als ich vor ihm stand erschien es mir mächtig wie die Gletscher und schöner als der Nachthimmel. Die breite Treppe, deren Stufen aus purem Gold gegossen waren, führte sie einem großen Tor, dessen Flügel aus filigranem Metallornamenten bestanden. Die Mauern aber waren nun von einem tiefen Blau, und mit güldenem Zierat versehen. Davor standen zwei Wächter in prachtvollen blauen Uniformen, die Stiefel aus rotgegerbter Walhaut trugen und große silberne Schwerter in der Hand hielten. Sie verbeugten sich vor mir bis zum Boden und sprachen "Herr, wir haben Euch erwartet." So trat ich durch das Tor in die Halle des Schlosses. Mosaike schmückten die Wände und den Boden, der so blank war, als wäre er mit Wasser begossen und benahe hätte ich deshalb gezögert, doch mir fiel ein, dass König Salomon in dieser Weise die Königin von Saba testete und auch sie nicht gezögert hatte. Und so schritt ich mutig einher, durchquerte die Halle, nicht ohne bewundernde Blicke für die Mosaike zu haben, die meisterlich Szenen mit Frauen und Männern voll Hingabe darstellten.

Ich öffnete eine Tür um die andere. Hinter der ersten lag ein Raum aus grauem Granit, so grau, wie ich nie zuvor ein Grau gesehen hatte. Und in seiner Mitte lag ein Skelett. "Er war es nicht", sagte eine Dienerin, die vorbei eilte. Hinter der Tür zum zweiten Raume fand ich blutrote Wände und in ihm saß ein Toter auf einem Throne, seinen Kopf zwischen seinen Füssen. "Er war es nicht", sagte eine andere Dienerin, die an mir vorbei schritt. Ich versuchte ihr zu folgen, jedoch verlor ich sie bald im Labyrint der Gänge. So öffnete ich Tür um Tür und fand Räume in allen Farben und Leichen in ihnen und jedesmal erschien eine Dienerin und sprach: "Er war es nicht". Am Ende des letzten Ganges fand ich eine Türe, die größer und prächtiger war, als alle die ich geöffnet hatte. Sie war aus grünem Jadestein und ich konnte Schatten sehen, die sich hinter ihr bewegten. So trat ich ein. Der Raum war so groß wie der Markt zu Lübeck und also brauchte ich lange, bis ich zu einem Throne gelangte, der an seinem Ende stand. Auf diesem Throne, dessen Seiten aus Walroßzähnen geschnitzt und mit Bildern geschmückt waren, die Bärenjagden darstellten, saß eine junge, schöne Frau mit langen blonden Haaren, die so traurig aussah als müsse sie das Leid der ganzen Welt tragen und deren Tränen von Dienerinnen in goldenen Gefäßen aufgefangen wurden. Waren die Schüsseln voll, so leerten sie sie auf einem Tablett aus schwarzem Holz und statt der salzigen Trauer fielen glänzende Eiskristalle aus den Gefäßen. Diener kamen und trugen die vollen Tabletts durch eine Terrassentür hinaus, hoben sie gegen die Sonne und die Kristalltränen verwandelten sich in schwarze Raben und flogen zur Sonne davon. So ging es unablässig. Und während die schöne, junge Königin Tränen weinte, die Eiskristalle waren und Raben wurden, betrachtete ich ihren Körper, den sie, nur verhüllt von einem weißen, dünnen Gewand aus Leinen meinen Blicken darbot. Ihre Scham lag offen, und kein Haar bedeckte den Eingang in das Reich ihrer Lust. Auf den Höfen ihrer weißen Brüste lagen Sonnen aus Gold, die durch Stifte aus Bergkristallen gehalten wurden. Um ihren Hals lief ein Ring aus Silber, so wie ihn die Sklaven der Wikinger tragen und um ihre Handgelenke waren grobe eiserne Ringe geschmiedet, die waren voll Rost . Ihre Arme waren schlank und zitterten vom Weinen.

"Wir haben auf Euch gewartet, Herr", sprach eine Dienerin und ihre Stimme klang wie Vögel an sonnigen Morgen klingen, wenn sie den neuen Tag willkommen heißen. "Unsere Königin ist voller Trauer und keiner, der kam, konnte sie zum Glücke bringen. Wir aber wissen uns keinen Rat und kennen auch nicht die Not unserer Herrin, denn sie weint seit tausend Jahren und spricht kein Wort. Viele schon waren vor Dir hier. Sie versuchten sie auf ungezählte Arten zu trösten, aber kein Trost war stark genug. Versuchet Ihr nun Euer Glück, wenn Ihr mögt. Aber seit gewarnt. Ihr habt drei Tage Zeit. Schafft Ihr es nicht, sie von ihrer Not zu befreien, so werden die Diener Euch in das Reich der Toten schicken und Ihr werdet als Geist in jeder Nacht auferstehen und einer der unseren dienen bis ans Ende aller Zeit und keinen Namen haben." Ich überlegte nicht lange. Die Schönheit der Königin und ihre Trauer rührten mein Herz und so sagte ich, "ich will es versuchen um ihretwillen".

Ich nährte mich der Herrin des Ortes und strich über ihr Haar, das weich wie Sammet war und nach Rosen und Honig roch. Sie aber rührte sich nicht, sondern weinte kristallnerne Tränen, als wäre ich nicht neben ihr und als würden meine Hände ihr Haar nicht berühren. So hob ich sie auf meine Arme und trug sie zu ihrem Gemache, welches mir von den Dienerinnen gewiesen wurde. Dort legte ich sie auf ein Bett aus Fellen und Brokat, welches von einem Baldachin aus feinstem Gewebe gekrönt war. Überwältigt von ihrer Schönheit öffnete ich ihr Gewand und verharrte eine Nacht und einen Tag gefangen vom Anblick ihres Körpers, der weiß wie den Schnee der Gebirge war und ihrer Brüste, die von jenem Ebenmaß waren, welches die Bahn der Gestirne hat. Sie aber vergoß Träne um Träne und der Boden des Gemaches bedeckte sich mit Eiskristallen, die funkelten, als wäre unter uns das Firmament. So konnte ich ihre Augen hinter der Wand aus salzigem Wasser nicht erkennen und als der Morgen graute, stieg in mir Zorn herauf, denn ich wollte in ihre Augen sehen und in ihren Augen den Weg zu ihrer Seele finden.

Da fiel mir ein, dass der alte Hansen, der mein Lehrmeister in allen Dingen gewesen war, mir einst gezeigt hatte, wie man Feuer mit Feuer bekämpft. So ich dachte bei mir: "So ich Feuer durch Feuer töten kann, so kann ich auch Leid durch Leid töten, wenn es Gottes Wille ist". Ich sann weiter nach und bemerkte nicht, dass es wieder Abend wurde. Die schöne Königin aber weinte Kristall um Kristall. Plötzlich, der Gedanke kam in mich als der Morgenstern aufging, erinnerte ich mich, dass Hansen mir einst sagte, nur im Schmerze wohnt der Mut. Ich wog seine Worte und erkannte, dass ohne Schmerz kein Mut sei und wo kein Mut sei, Tränen seien. So beschloss ich Feuer mit Feuer zu bekämpfen, die Mutlosigkeit aber mit Schmerz zu töten.

Eine der Dienerinnen schickte ich um weiche Seile, eine andere bat ich aus dem Garten recht dünne, biegsame Weidenstöcke zu holen, welche ich vor dem Fenster des Saales hatte stehen sehen. So band ich die Königin auf ihrem Bette an die Pfosten, die aus ewigem Eis waren, und schlug sie mal hier hin und mal dorthin, wie es mir gefiel. Nicht schonte ich ihre Brüste, noch ihre Scham oder Schenkel. Je heftiger meine Schläge wurden, desto stärke wurde ihr Stöhnen unter jedem Schlag und als meine Schläge kräftig wie die , die man im Kampfe austeilt auf ihre alabasterweißen Beine fielen, schrie sie meinen Namen. Sogleich versiegten ihre Tränen, die Kristalle aber erhoben sich als ein häßlicher, alter Mann der laut fluchte, zur Flamme wurde und sich selbst verbrannte. Dabei schrie er laut und verwünschte uns und mit seinem letzten Atem rief er uns entgegen, wir seien das Böse in der Lust und schwarze Seelen hätten wir. Und er würde unter Schmerzen von der Erde gehen, weil sein Mühen vergebens war, die weinende Königin auf den Rechten Weg zu bringen, so sehr er sie auch unter ihrer gottlosen Lust leiden habe lassen. So rief er, während er sich in Feuer verwandelte. Wir aber kamen zu dem Schlusse, er wäre nun in die Hölle der Konventionen hinabgefahren, wo die wohnen, die mit der grossen Liebe, die vor uns liege nicht einig werden könnten und sie uns missgönnten oder aber sie nur nicht verstehen könnten.

Ich löste die Fesseln und hielt die Königin in meinem Arm, küsste ihren Mund, der nun so rot war, wie die Rosen im Garten des Schlosses zu Bergen und der so süß schmeckte, wie das Gebäck, dass man zur Sonnenwende reicht. Und so verharrten wir für fast ein Jahr und verließen nicht das Gemach, sondern liebten uns und lachten und freuten uns an uns. Wir sprachen auch viel miteinander und beflissendlich wie ich ihre Träume erkundete um sie mit den meinen zu vergleichen und sie in die Wirklichkeit zu ziehen, so war sie um mich bemüht. Und als ich sie fragte, ob sie das ihre bleiben wolle oder meines werden, so antwortete sie: "Deines will ich sein mit Allem. Mit meiner Seele und meinem Herz, mit meinem Körper und meiner Freude, mit meiner Hingabe und meinem Leid". So nahm ich sie ein zweites Mal an und sprach: "So Du mir gehören willst, so will ich uns dienen mit meiner Herrschaft".


Am ersten Tag unseres zweiten Jahres aber, setzte ich mich auf den Thron und sie rutschte auf Knien, gerade so wie man es von den Chinesen sagt, den Weg von der Tür des Saales zu mir, um mir ihre Krone zu überreichen und mir auf ewig zu dienen. So herrsche ich hinter dem Tor aus Eis mit ihr, meiner Königin, die Kristalle geweint hatte. Und sie war mein ohne Grenzen und niemand war da, der uns nicht verstand, denn auch die Dienerinnen und Diener des Palastes waren wie sie und sie dienten uns beiden, wie meine Königin mir.

Und wenn Ihr an dem Tor vorbei kommt, an jenem einen Tag im Jahr, wenn ihr am Morgen den Mond noch durch das Tor sehen könnt, so schreitet hindurch und seit meine Gäste. Ich werde Euch von meinem besten Weine geben und köstliches Wildbret sollt ihr essen. Die Nächte aber sollen Euch von meinen Dienerinnen gewärmt werden und wenn ihr es wollt, von den Dienern, des Palastes.

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
Dieser Text enthält 12686 Zeichen.

Druckversion

 LINKTIPPS: Naturwaren Diese Website wird unterstützt von:

www.mswaltrop.de
Copyright © 2006 - 2024 by Schreiblust-Verlag - Alle Rechte vorbehalten.