Der Tod aus der Teekiste
Der Tod aus der Teekiste
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Juni 2004
Versöhnung
von Angelika Walk

Sara saß am Krankenhausbett. Hielt die alte, faltige und zittrige Hand der Mutter in der ihren.
Sie flüsterte unverständliche Worte, da man ihr das Gebiß entfernt hatte. Liebevoll schaute Sara in das gealterte Gesicht der fast 75jährigen Mutter. Sie wusch das nun sehr fahle Gesicht und musste über das Leben ihrer Mutter Johanna nachdenken. Über das, was sie aus Erzählungen wusste. Johanna schaute sie mit milchigen Augen an. Sara wurde es wund ums Herz, da diese Augen noch vor vier Wochen strahlend blau geleuchtet hatten und Johanna trotz allem Leid gerne lachte.

Mit 17 war sie aus der ehemaligen DDR geflüchtet, hatte sich mit Jobs durchs Leben geholfen bis sie einen Mann kennen lernte, der sie schwängerte und sitzen ließ. Der erste Ehemann prügelte sie krankenhausreif und ließ sie dann ebenfalls mit einem zweiten Kind unter ihrem Herzen alleine. Voller Hoffnung ging sie eine dritte Beziehung ein, die ihr das zweite uneheliche Kind einbrachte. Als Saras Vater kam, musste er sehr um Johanna kämpfen. Sie hatte die Schnauze voll von den Männern. Doch leider bestand auch die Ehe von Johanna mehr aus Krieg denn aus Frieden. Alkoholismus, Fremdgehen des Vaters und daraus resultierende Streitigkeiten machten die Jugend von Sara sehr schwer. Doch trotz all dieser Probleme stürzte der unerwartete Tod ihres Ehemanns Johanna in einen tiefen Abgrund von Depressionen und veränderte ihr Verhalten massiv. War sie vorher schon unleidlich und unzufrieden, so wurde sie nun unausstehlich. Johanna spielte ihre Kinder gegeneinander aus, bettelte um Geld, litt an chronischem Geldmangel, obwohl das Sparkonto gut gefüllt war, stritt um Kindererziehungsfragen und Wertvorstellungen. Sie schaffte es, dass sich ihre eigenen Kinder von der Mutter abwandten und sich nur selten sehen oder von sich hören ließen. Selbst die Enkelkinder entzog man ihr die meiste Zeit. Aber da waren ja noch zwei Enkelkinder. Die Kinder von Sara, die den Lebensmut der Oma noch einmal so richtig wecken sollten. Bei den Gedanken an ihren Sohn Thomas und ihre Tochter Sabrina musste Sara lächeln.


"Mama? Wie geht es der Oma?" flüsternd hatte sich Saras 22 jährige Tochter Sabrina an sie herangeschlichen. Sara zuckte bei diesen Worten zusammen. Hatte sie sich doch tatsächlich erschrocken. Schnell wischte sie sich über die verweinten Augen, um sich dann ihrer Tochter zuzuwenden.
"Nicht sehr gut, mein Schatz. Wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben, aber wir müssen uns auch mit dem Schlimmsten anfreunden. Oma ist sehr, sehr krank. Die Ärzte sagen, es kommt darauf an, ob die Oma noch mal leben will oder nicht." Sara sah Sabrina an und ihr Herz verkrampfte sich beim Anblick des langhaarigen, blonden Mädchens. Sabrina beugte sich gerade hinab um der Großmutter einen Kuss auf die Stirn zu geben. Tränen liefen Sabrina wie kleine Rinnsale über die Wangen.

Sara dachte an die vergangenen Jahre. Die Kinder liebten ihre Oma heiß und innig. Sie hatten einen ganz anderen Bezug zu ihrer Großmutte, als Sara zu ihrer Mutter. Sabrina und Thomas hatten Johanna nach dem Tod ihres Großvaters einfach mit in die Familie einbezogen. Irgendwann fragten beide, ob nicht die Oma mal für sie kochen könnte. Die Wünsche nach der Oma häuften sich, also hatte Johanna für die Enkelkinder gekocht, mit ihnen gespielt, sie zum Kindergarten, später auch zur Schule gebracht und abgeholt. War mit dem Hund Gassi gegangen. All dies hörte wurde mit der Zeit immer weniger. Sie wurde krank und gebrechlicher. Trotzdem machte sie sich noch oft mit dem Fahrrad auf den Weg, ihre Enkelkinder zu besuchen, und diese empfingen sie immer herzlich, was man von Sara nicht behaupten konnte. Sara hasste die Auseinandersetzungen mit ihrer Mutter, wollte den Kindern aber nicht die Oma nehmen. Also bleib sie stumm und kochte innerlich. Sie war froh, wenn Johanna Arzttermine hatte und dann nicht kommen konnte.
Die Kinder hatten bald die Eigenheiten ihrer Großmutter erkannt und gingen ganz anders damit um als Sara.
Sie hatten Johanna um den Finger gewickelt, ehe diese das überhaupt merkte, und umgekehrt.
Seit Joahnna im Altenheim lebte, besuchten die Enkelkinder sie dort. Sara und ihre Tochter trafen sich meist bei der Oma im Altenpflegeheim, indem sie seit knapp anderthalb Jahren wohnte. Sara war nach der Scheidung in eine andere Stadt gezogen und traf sich nur selten mit ihren Kindern, die die Trennung noch immer nicht verarbeitet hatten. Der Ex-Schwiegersohn meldete sich nun auch nur noch selten.

Sara verstand ihre frühere Eifersucht nicht mehr. Aber hier, an diesem Platz, war keine Zeit mehr für Eifersucht auf die Kinder. Hier war nur Zeit für das tiefe Gefühl zu Sabrina, die zu verzweifeln drohte. Sabrina war im vierten Monat schwanger und Sara sorgte sich sehr um sie. Doch das durfte sie nicht zeigen, Sabrina würde dann wieder nur böse sein. Sara vermied alles, was ihren Kindern das Gefühl geben könnte, dass sie wie Johanna würde. Es tat weh, wenn die Kinder sagten: "Mama, du wirst schon wie die Oma!"
Also schluckte sie ihre sorgenvolle Bemerkung ungesagt hinunter.
Vorsichtig nahm Sara Sabrina an den Schultern und führte sie aus dem Zimmer.
"Mama, ich komm später noch mal vorbei, ich muss jetzt erst noch was erledigen!" stotterte sie.
"Kind, du kannst doch jetzt kein Auto fahren. Du könntest doch ...!"
"Maaammmaaa!" Dieses lang gezogene Wort machte Sara bewusst, dass ihre Tochter kein kleines Kind war, auf das man aufpassen musste. Ein vorsichtiges Lächeln schob sich auf die Gesichter der beiden. Dieses Wort war stummes Zeichen zwischen ihnen. In vielen Auseinandersetzungen zwischen Sara und ihren Kindern hatte sich herausgestellt, dass sie machtlos war, wenn Thomas oder Sabrina dieses Wort auf diese Art gebrauchten. Jegliche Diskussion war von vornherein ausgeschlossen.
Sabrina gab ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange, schmiegte sich noch einmal kurz an sie und rannte fast schon aus dem Krankenhaus.
Sara setzte sich wieder an das Bett der Mutter.
Johanna schaute sie mit wachen Augen an und versuchte Sara mitzuteilen, dass sie mitbekommen hatte, dass die Enkelin bei ihr war. Johanna freute sich, das war eindeutig.
"Weißt du, dass Sabrina hier war?" fragte Sara vorsichtshalber noch einmal. Ihre Mutter nickte und lächelte, während sie mit der rechten Hand einen kleinen Teddy fest umklammerte, den ihr Sabrina auf das Bett gelegt hatte.
Johanna schlief sehr schnell wieder ein. Sara befeuchtete ihr die trockenen Lippen, kühlte ihr die fieberheiße Stirn mit einem feuchten Tuch. Sara wunderte sich über das tiefe Gefühl der Zuneigung, das sie plötzlich für Johanna empfand.

Seit zwei Tagen konnte oder wollte sie nichts mehr zu sich nehmen. Bald kamen die ersten Beschwerden und das Fieber. Sara wollte sich auf die Mutter konzentrieren, als sie ein Herz erschütterndes " Mama" hinter sich hörte.
Sie ließ das Tuch aus der Hand fallen und sah Thomas hinter sich stehen. Tränenüberströmt stand er in der Türe und flüsterte und schluchzte: "Bitte Mama, bitte Mama nicht. Bitte ..." Er schlug die Arme über dem Kopf zusammen und lief hin und her wie ein gefangenes Tier.
Sie zog ihren Sohn aus dem Zimmer, schlang die Arme um ihn und versuchte ihn zu beruhigen. Er brachte kein Wort heraus. Erst eine Viertelstunde später konnte er nur stotternt hervorbringen:
"Ich wollte sie doch noch mal sehen, aber ich konnte nicht ins Zimmer. Sabrina hat gesagt, die Oma stirbt. Und sie hat so geweint dabei. Ich hab nur das blasse Gesicht - und dann klopfte mein Herz so doll und dann ...", wieder brach Thomas in Tränen aus.
"Ist doch in Ordnung, mein Großer. Manchmal ist es besser, wenn man den geliebten Menschen eben in Erinnerung behält und ihn dann nicht mehr sieht. Du brauchst deswegen kein schlechtes Gewissen zu haben. Ganz sicher nicht", beruhigte sie den Sohn, der ihr nun so hilflos vorkam, als sei er noch ein Kleinkind.

Unwillkürlich gingen Sara die Worte "So ein Weichei" durch den Kopf. Ja, so hätte ihr Exmann diese Szene wohl beschrieben, die sich gerade abspielte. Wut kroch in Sara hoch. Wut auf den Exmann, der sich nicht um seine Kinder in solchen Situationen kümmerte. Sie einfach allein ließ und sich noch über deren Gemüts-zustand lustig machte. "Das ist das Ergebnis deiner Erziehung", würde er sagen. Sara war über Thomas heftige Reaktion verwundert. Denn Thomas war von beiden Kindern dasjenige, das sich des Öfteren auch mit der Oma stritt. Vermutlich machte er sich deswegen jetzt Vorwürfe. Thomas war ein rechtes Großmaul aber sah auch sehr schnell ein, wenn er Fehler machte. Thomas war eigentlich sogar der sensiblere ihrer Kinder. Sorgenvoll betrachtete sie ihren Sohn. Wieder wanderten ihre Gedanken in die Vergangenheit.

"Mama, jetzt reicht es mir. Immer das Gestöhn, dass dein Geld nicht ausreicht. Immer deine Anfälle von Asthma, um mich zu unterdrücken, mir Schuldgefühle einzuflößen. Ich mach das nicht mehr mit.
Und glaubst du, ich wüsste nicht, dass du genauso schlecht über mich redest, wie über deine anderen Kinder? Immer dieses Selbstmitleid. Ich hasse es. Und ich bin es leid, deinen Enkelkindern, und zwar allen, Geschenke zu kaufen, nur damit du gut dastehen kannst. Nein, ich hab es ihnen nicht gesagt. Aber sie wissen von mir, dass du nur wenig Geld hast, seit Papa tot ist. So, und wenn du dann auch noch woanders Geschichten erzählst, ich würde dich ausnehmen, nur weil ich dir gesagt habe, ich kann den Sprit für deine extra Fahrten nicht mehr zahlen, dann schlägt es dreizehn. Ich leb in Scheidung und du weiß, dass ich wegen der Kinder nichts weiter unternehme gegen meinen ach so wertvollen Ehemann, den du ja bereits mir vorziehst. Ach glotz mich nicht so blöd an, glaubst du etwa, ich merke das nicht? Aber du wirst schon sehen, auch der wird sich bald nicht mehr bei dir melden. Der hat doch seine eigenen Eltern nicht im Heim besucht, meinst du, der kommt dann noch lange zu dir?" machte sich Sara damals Luft, ohne die Mutter zu Wort kommen zu lassen.
"So mit mir nicht, mein Fräulein!" schrie die Mutter zurück.
"Was bildest du dir eigentlich ein? Ich hab für deine Ausbildung gesorgt. Habe mir das letzte Bein heraus gerissen für meine undankbaren Blagen ...!"
"Ach ja, das alte Lied von der selbstlosen Mutti. Ich kann das nicht mehr hören. Hat die Platte nicht langsam einen Sprung?" Sara grinste ihre Mutter bösartig an und warf die Türe hinter sich zu.
Johanna hatte sich nicht mehr gemeldet. Sara mit ihrem sturen Kopf natürlich auch nicht. Erst Thomas setzte diesem stummen Streit ein Ende, der fast fünf Monate dauerte. Er wünschte sich zu seinem zwanzigsten Geburtstag, dass Oma und Mutter sich vertragen sollten.
"Mama! Wenn du mir wirklich eine Freude machen willst, dann vertrag dich endlich wieder mit Oma. Du hast uns oft genug gesagt, dass die Oma halt manchmal ein bisschen merkwürdig ist, aber dass ältere Leute eben nicht mehr zu ändern sind. Und wer weiß, wie lange die Oma noch lebt. Später bereust du es vielleicht. Also vertragt euch, da würde ich mich wirklich drüber freuen!", sind Worte, die noch in ihr nachhallten, wenn sie darüber nachdachte. Ja, sie war ihrem Sohn heute dankbar für diesen Geburtstagswunsch, den sie ihm dann auch, allerdings schweren Herzens, erfüllt hatte. Das Gute daran entwickelte sich langsam in Gesprächen zwischen Sara und Johanna. Sie sprachen sich endlich aus, redeten über viele Dinge und Mißverständnisse. Nie zuvor hatte Sara sich besser mit ihrer Mutter verstanden wie in den letzten zwei Jahren. Nun sollte alles vorbei sein? Nein, es konnte noch nicht vorbei sein, sie lernten sich doch gerade erst wieder kennen. Sara hob den Kopf und sah in Thomas betrübtes Gesicht.

Zärtlich streichelte sie Thomas über das kurz geschorene Haar, bis er sich beruhigt hatte.
Als er sich gesammelt hatte und wieder heimwärts fuhr, gönnte Sara sich eine Zigarettenpause und weinte heftig in einer abgelegenen Ecke des Krankenhauses.
"Wo ist nur der Schmerz um meine Mutter? Empfinde ich nichts oder nimmt mir die Angst um meine eigenen Kinder die Emotionen für meine eigene Mutter?" Das waren Fragen, die sie quälten, aber doch viel mehr die kreisenden Gedanken um Thomas oder um die schwangere Sabrina.
"Wie lange soll das hier dauern, das halt ich nicht mehr lange aus", sind Worte, die ihr durch den Kopf gingen, als sie zum hundertsten Mal an diesem Tag die Lippen der Mutter befeuchtete.
"Hey Muttern, jetzt wird es aber langsam Zeit, dass du auf die Beine kommst! Oder willst du vielleicht gar nicht mehr gesund werden?", flüsterte Sara Johanna ins Ohr. Johanna sah sie an. Ihre Augen waren plötzlich ganz klar und sie lächelte. Sie lächelte dieses Lachen, das Sara schon von ihrem Vater kannte. Sie lächelte so wissend, so gleichgültig und doch so nachsichtig und sanft. Sara lief es eiskalt den Rücken hinunter. Schlagartig war ihr klar, dass ihre Mutter im Sterben lag. Nicht wegen ihrer Krankheit, nicht wegen irgendeines Leidens, nein. Weil sie einfach es so wollte. Sie wollte nicht mehr leben. Die Einsamkeit der letzten Monate, das Wissen um die Gleichgültigkeit ihrer Kinder, das Wissen, nicht mehr selbstständig ihre Enkelkinder aufsuchen zu können. Zu sehen, dass diese Kinder nun erwachsen waren und auch ihr eigenes Leben lebten, all dieses Wissen nahm ihr den Mut, weiter leben zu wollen. Und auch die Aussage des Arztes bestätigte es. "Mir scheint, Ihre Mutter hat ihren Lebenswillen aufgegeben!"
Sara wusste, innerhalb der nächsten zwei Tage würde Joahnna nicht mehr bei ihr sein. Fassungslos sah sie in Johanna's Gesicht und musste sich der Tatsache stellen, dass sie es bis jetzt tatsächlich verdrängt hatte, dass sie gehen könnte. Ihre eigenen Kinder hatten es eher gespürt als sie selbst.
Sie lächelte zurück, streichelte der Mutter über die Wange.
"Mama, ich komm gleich wieder. Muss mal eben was erledigen!" Mit diesen Worten zog Sara sich zurück, um sich dieser erschlagenden Erkenntnis erst einmal zu stellen.
Sie ging in den Krankenhauspark. Rauchte eine Zigarette nach der anderen.
Wieder quälten Gedanken ihren Kopf nur um sich dann eingestehen zu müssen, das sie kein Recht hatte, das Leben ihrer Mutter zu verurteilen.
Johanna hätte ein schöneres Leben verdient . Sie hatte sich zu einer alten, vergrämten Frau entwickelt. Sara schüttelte den Kopf, um die Gedanken zu verscheuchen. Bald würde sie selbst Oma sein. Das machte bewusst, dass auch ihr Leben eines Tages ein Ende finden würde. Aber darüber wollte sie nun schon gar nicht nachdenken. Tränen flossen Sara über das Gesicht. Sie merkte es nicht. Sie wischte sie nicht einmal fort und ließ sie einfach laufen.
Tränen des Abschieds.
Plötzlich erfasste sie eine tiefe Ruhe.
Sie wusch sich das Gesicht und beugte sich zu ihrer Mutter, als sie wieder an ihrem Bett saß.
"Okay. Dann lasse ich dich jetzt gehen. Kämpfe nicht mehr und grüß mir den Papa, wenn du da bist, wo du hin möchtest."

Die Beerdigung war für Saras Kinder einer der qualvollsten Tage ihres Lebens.

Sabrina stand still vor der Grabmulde. Sie hatte eine weiße Rose in der Hand. Nur eine schwache Bewegung der Schultern ließ erkennen, dass sie weinte. Langsam hob sie ihre Hand, um die Rose in das Grab fallen zu lassen.

Thomas stand ebenfalls still davor. Dann hob er die Arme und legte sich die Hände über das Gesicht. Wortlos ging seine Schwester auf ihn zu, um ihn zu umarmen. Sara hatte das Gefühl, man würde ihr das Herz herausreißen. Aber es war Wunsch ihrer Kinder, diesen Gang alleine machen zu wollen. Das musste sie respektieren.

Als Sara mit ihrem neuen Lebensgefährten das Grab verließ, schloss sie sich ihren Kindern an.
Thomas hatte ein gerötetes Gesicht vor Wut.
"Was wollen die Arschlöcher hier alle. Mein Vater gehört hierher, wo ist mein Vater, der sich um die Oma gekümmert hat all die Jahre. Mama, sei mir nicht böse, aber ich versteh das alles nicht. Mein Vater ...!" Er konnte nicht weiterreden, da ihm die Tränen aus den Augen schossen.

"Sei den anderen nicht böse. Sie haben ihre Mutter verloren, auch wenn sie ein jeder für sich mit Oma nicht im Reinen waren. Du kannst ihnen das nicht vorwerfen. Und sei deinem Vater nicht böse. Jeder nimmt Abschied auf seine Weise. Lass es gut sein und beruhige dich wieder." Sara musste sich dabei selbst im Zaum halten. Sie konnte ihrem Sohn doch nicht sagen, dass es auch in ihr kochte und schäumte. Versöhnung mit einer Sterbenden war doch wesentlich einfacher als mit Lebenden, die selbst vollkommen verhärtet waren.


Als sie alleine war, dachte sie immer wieder über das Wort Mutterliebe nach.
"Ob sie mich wohl auch so geliebt hat, wie ich meine? Hoffentlich machen ich und meine Kinder es besser!" Sara grinste in sich hinein. Sie wusste, dass auch sie ihre schweren Kämpfe mit Thomas und Sabrina hinter sich hatte. Aber sie hoffte, das die Liebe mehr zählte als jeder dumme Streit.

Sara drehte sich zum Grab und lächelte. Sie wusste ja, sie hatten sich vertragen und nur das zählte als Trost für sie. Vielleicht, vielleicht könnte sie später auch mal eine so tolle Oma sein!
Die Freude auf das eigene Enkelkind machte den Abschied erträglicher.




@Angelika Walk

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