Honigfalter
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Juni 2004
Mutterliebe aus Vaters Sicht
von Klaus Schmeing

„Was mag in den Köpfen der Frauen vor sich gehen, wenn sie MĂŒtter werden?“ kommt mir in den Sinn, als ich die Entbindungsstation des stĂ€dtischen Krankenhauses betrete und mich wundere, wen ich dort vorfinde.
Wer mag es sein? Jedenfalls ist es nicht die Frau, die ich gestern hier her begleitet hab. Die ich hegte und pflegte mit ihrem kugelrunden Babybauch.
Sie ist anders geworden, wie sie da liegt. Zeigt Seiten, die ich nicht an ihr kenne.
Irgendetwas mag mit ihr passiert sein, wĂ€hrend sie bei Nacht den Presswehen ausgesetzt war. Was es wohl gewesen ist? Ein Überhang an Oxytocin?
Zumindest erscheint sie mir jetzt – in ihrer MĂŒdigkeit und Abgeschlagenheit nach gestriger Geburtsprozedur – plötzlich wie ein wildes Tier, dessen Aufmerksamkeit sich nur um eines dreht: dem Schutz der Brut!
Und die ist, nach neunmonatiger Wartezeit, ein kleiner Junge. Propper und quietschfidel. Ein Stammhalter. Wahrer Stolz eines jeden Vaterherzen.
Und Vaterherzen sind stark.
Meines jedoch sollte beinahe nicht so stark fĂŒr das sein, was mich nach der Entlassung der Zwei fortan Zuhause erwarten sollte.
Kaum Daheim, bemerkte ich wie sich die Umgebung um mich wie im Zeitraffer verÀnderte.
Wo einst die Fernsehzeitung lag, befand sich nun eine BroschĂŒre mit Strickmustern zur Anfertigung von Babysöckchen. Mein CD-Regal, jetzt leergerĂ€umt, diente als Ablagemöglichkeit fĂŒr diverse ernĂ€hrungstechnische und medizinische KinderbĂŒcher. Auch das Telefon war nicht mehr an seinem Ort. Musste jetzt jederzeit griffbereit sein sofort den Kinderarzt zu konsultieren, sollte sich die Farbe der Baby-Kaka auch nur um eine zarte Nuance verĂ€ndert haben. Ansonsten war es ausgestöpselt. Damit es den Babyschlaf nicht stört.
Meinen sportlichen Flitzer war ich los. Wurde ersetzt durch einen klapprigen Kombi. Und allsonntÀglich zeigte man sich mit dem Teutonia-Kinderwagen stolz in der Stadt.
Eins wurde mir klar: Jetzt bin ich out. Bin nicht mehr der geliebte Ehemann, den sie sich einst unter vielen erwÀhlt hatte.
Jetzt wĂŒrde es vermutlich eher beilĂ€ufig zur Kenntnis genommen, wenn mich ein vorbeifahrender Bus erwischt und meine Innereien kreuz und quer durch die Umgebung gematscht hĂ€tte. Vielmehr wĂ€re es fĂŒr sie viel interessanter, wenn der Sprössling ein neues Wort erlernt hĂ€tte.
Dennoch hielt ich mich aufrecht. Gab nicht klein bei. MĂ€nnerehre! Sagte mir im inneren Dialog, seien schließlich nur noch 2200 Tage bis der Kleine die Schulreife erlangt. Dann wĂŒrde alles besser.
Bis dahin lebte ich mein Vaterherz. Erstes Fußballspiel im heimischen Garten. Sohnemann gerade beim ersten Schritt.
„Pass auf, das er nicht hinfĂ€llt!“ hör ich meine Frau von der Terrasse.
„Ja Schatz!“ nicke ich. Ignoriere, was sie eben gesagt.
BemĂŒht mich abzufinden mit der Rolle des ÜberflĂŒssigen.
Tief in mir, total im Klaren: Mach die Klappe jetzt bloß nicht zu weit auf. Bist schneller raus, als du denkst! Denn auch die Liebe hat keine Macht gegen das pure Hormon!
So machte ich freundliche Mine zum bösen Spiel. Lebte mich mit Sohnemann aus.
Hab mit dem Kleinen gescherzt. Ihn mir auf die Schulter gesetzt. Bin durchs Haus getollt. „Pass auf, dass er sich nicht stĂ¶ĂŸt!“ kommt von hinten.
„Ja Schatz!“
Wichtigste Regel einen jungen Vaters: Die Frau hat immer Recht!
Jedenfalls sollte man ihr diesen Glauben lassen.
Habe so das Beste draus gemacht. Mir abendfĂŒllende VortrĂ€ge angehört ĂŒber neueste Erkenntnisse aus der PĂ€dagogik. Wie Skinner das mal gemacht hat, Makarenko und Piaget.
„Ach so!“ heuchelte ich aufmerksam. Mit einem Auge dabei immer zum stummgeschalteten Fußballspiel auf dem Fernseher geschielt.
Weiter ging`s. Wo bislang meine ACDC-Platten im Hintergrund röhrten, dudelte mir nun die Musik von Rolf Zuchovski ins Genick.
Wo einst meine saufenden und rauchenden SkatbrĂŒder bei uns um den Wohnzimmertisch saßen, versammelte sich nun der stĂ€dtische Mini-Club.
Rauchen verboten!
Ich hielt die Klappe, servierte den Kaffee und beÀugelte aus dem Hintergrund die mit Oxytocin durchtrÀnkten Weiber. Hörte ihnen zu, wie sie plauderten ihre EhemÀnner hinaus geworfen zu haben. Ihnen die AnwÀlte hinterher gehetzt.
Nein, ich verhielt mich intelligenter. Spielte deren Spielchen mit. War unscheinbarer, gab mich liebevoller. Mir war klar, ich lag im Trend. Musste nichts weiter tun, als mich strikt an die Anweisungen meiner Frau zu halten – um dann insgeheim doch das zu tun, was ich fĂŒr richtig hielt. Ich musste nur warten. Die Zeit vergehen lassen. Die arbeitete ja immerhin fĂŒr mich.
Nicht selten traf ich auf manch armen Schlucker. Kam ins GesprÀch mit ihm, wie er betrunken vor regionaler Pommesbude stand. Mir erzÀhlte wie seine Frau ihn unmittelbar nach der Geburt des Sohnes aus dem Hause warf. Die AnwÀlte zogen ihm die Hosen aus. Das Jugendamt sprach ihm das Besuchsrecht ab. Ruckzuck hÀtte ein neuer Mann an der Seite seiner Exfrau seinen Platz gefunden. Einer, der eben nicht der Vater ihres Kindes war. Einem, von dem sie sich nicht reinreden lassen musste.
Ich drĂŒckte ihm einen Taler in die Hand. FĂŒr ein weiteres Bier. Hatte Mitleid mit ihm.
So traf ich Zuhause ein. Legte Abend fĂŒr Abend zuvor ein LĂ€cheln auf. Nur mein Haar wurde von mal zu mal einen grauer.
Über Jahre hinweg nahmen wir als Familie sĂ€mtliches Hindernis. Durchlebten alle Kinderkrankheiten, die es gab. Nahmen erste Graffities des Zöglings an heimischer Tapete in Kauf. Zeigten uns aktiv im Elternbeirat des Kindergartens.
Unsere Wohnzimmerwand, verziert durch ein sonntÀgliches Familienfoto. Der Kleine, als Baby, im Matrosenanzug. Alles strahlt.
Meine BĂŒcher wurden zerfetzt oder bemalt. Schallplatten zerkratzt und CDs zerbrochen. Das Band aus meinem Lieblings-Videofilm herausgezerrt. Ich nahm es mit Fassung.
Der Sohn war einst klein. Aber er sollte nicht klein bleiben. Schließlich nahte der erste Schultag. Alles versammelte sich aufgeregt vor dem großen Portal. Die Lehrer stellten sich vor. Die Kinder betraten erstmals den Klassenraum. Ich war dabei. Sah es mir an. Und genau genommen trat mir eine kleine TrĂ€ne durch die Augenwinkel hervor. NatĂŒrlich aus Stolz. Aber auch, weil mir nun bewusst war: Auftrag erfĂŒllt. Die 2200 Tage sind rum. Ich hab ĂŒberlebt.
Die Eltern bleiben auf dem Schulhof zurĂŒck. Voller Inbrunst und Melancholie blicke ich auf das Portal, als seien die Kinder noch da. Meine Frau bemerkt den stolzen Blick. ZĂ€rtlich nimmt sie mich in den Arm. Gibt mir sachte einen Kuss: „Schatz? Ich bin schwanger!“
© Klaus – A. Schmeing

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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