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Juni 2004
Sehnsucht einer Tochter
von Dagmar Hospes

Mutterliebe und Mutterhass sind sehr oft stark miteinander verbunden.
So schrieb ich in meiner Verzweiflung eines Tages einen Brief an meine Mutter.
Was bis hierher verdrängt wurde, alle Sehnsucht einer Tochter nach ihrer Mutter, spricht daraus, aber auch der Wunsch, endlich von der Mutter als erwachsene Tochter anerkannt zu werden.
Diesen Brief musste ich schreiben, weil sich in den vergangenen Jahren so viel angestaut hatte, was unausgesprochen blieb.

Hallo Mama
Heute muss ich eine Entscheidung treffen, sie fällt mir nicht leid, aber es ist mir leider nicht möglich mich bei dir auf normalem Wege verständlich zu machen. Wir würden sowieso wieder nur im Streit auseinander gehen. Außerdem würdest du mir wohl kaum die Möglichkeit geben, einen Satz zu Ende zu sprechen. Deinen Haustürschlüssel gebe ich dir deshalb heute zurück.
Lass deine Blumen ab jetzt von deiner Nachbarin gießen. Und wenn du ein Medikament aus der Apotheke brauchst, wird der Apotheker es dir schon bringen, aber bitte mich nicht mehr darum. Du solltest versuchen in der nächsten Zeit alleine zurecht zu kommen. Bitte erwarte nicht mehr, dass ich ständig deine Kritik über mich ergehen lasse. Außerdem müsstest du doch endlich bemerkt haben, dass ich erwachsen bin. Meine Spaghetti koche ich seit meinem achtzehntem Lebensjahr alleine. Auf deine klugen Ratschläge kann ich verzichten. Die Liste wäre einfach zu lang, wenn ich alles aufzählen würde, also belassen wir es dabei. Es gibt ein altes Sprichwort das lautet: Ratschläge sind Schläge.
Wenn du glaubst, dass du jedes Wort von mir hinterfragen musst, so brauchst du das ab jetzt nicht mehr.
Du akzeptierst sowieso nur deine eigene Meinung, und deshalb werden wir auch kaum eine gemeinsame Basis für ein vernünftiges Gespräch finden. Jedes Telefongespräch das ich mit dir führe endet schließlich doch immer nur im Streit.
Deine rechthaberische Art raubt mir den letzten Nerv.
Heute habe ich wieder nicht zu Mittag gegessen, und dass ist nicht das erste Mal seitdem du hier zu uns in den Ort gezogen bist. Wenn ich zusammen mit dir und einigen Freunden in ein Lokal gehe, weiß ich schon vorher, dass du mich wieder blamieren wirst.
Entweder das Essen ist dir zu salzig, oder dass Eis ist einfach zu teuer. Was du dann natürlich auch immer gleich lautstark verkündest.
Meinen Lebensunterhalt verdiene ich mir nicht gerade mit einer Arbeit, die deinen Vorstellungen entspricht. Es kann doch nicht angehen, dass ausgerechnet deine Tochter in einer Nachtbar sauber macht. Du sagst es ja nicht einmal deinen Nachbarn, du schämst dich für mich. Aber das brauchst du nicht, all meine Freunde können wunderbar damit umgehen, dass beweißt ja wohl das es nicht so schlimm sein kann.
Vor einem Jahr war ich sehr glücklich darüber, als du mir gesagt das du kommst. Endlich habe ich gedacht, könnten wir eine schöne Zeit miteinander verbringen. Gemeinsam etwas unternehmen. Versäumtes nachhohlen, und unsere Mutter-Tochterbeziehung verbessern. Gut war sie ja sowieso noch nie.
Nun bin ich seit Jahren gesund. Vielleicht kommst du aber auch gerade deshalb erst jetzt hierher, weil ich gesund bin. Jetzt ist es ja einfacher mit mir. Damals als ich so krank war warst hast du dich davor gedrückt. Du hast es vorgezogen zu den Schwestern zu ziehen. Fünf Jahre hast du bei ihnen gelebt, aber sie sind mit dir nicht klar gekommen.
Ich konnte meine Schwestern damals nicht verstehen, wenn sie mir etwas vorjammerten, aber heute weiß ich es besser.
Denk doch bitte darüber nach, dass du nicht nur mich verletzt hast.
Aber Mütter haben ja immer recht. Warum solltest du dir auch die Mühe machen.
Das Wort „Mutter“ alleine berechtigt dich schon zu sagen:
„Kind, sieh doch, ich habe sowieso mal wieder Recht gehabt.“
Mutterliebe von dir bekommen? Nicht so wie ich mir das vorgestellt habe.
Es gibt genug Menschen die das genau so gut können wie eine Mutter.
Wenn auch die Sehnsucht im Herzen immer bleiben wird. Denn die wahre Mutterliebe muss doch von der Mutter kommen, oder?
Ich habe nur einen Wunsch: endlich von dir verstanden, akzeptiert und mit allen Fehlern geliebt zu werden. Wir alle deine vier Töchter, müssen dich schon seit Jahren so ertragen.
Schuldzuweisungen nützen eigentlich niemandem. Aber ich gebe dir für alles die Schuld. Warum eigentlich? Bist du vielleicht selber hilflos, dann lass uns doch darüber reden. Schon lange frage ich mich, was uns noch verbindet. Willst du schon wieder davon laufen, so wie du es in den vergangenen Jahren immer wieder getan hast?
Erst hast du deinen Mann verlassen. Dann deine Enkelkinder. Und mich, die ich deine Unterstützung während der vielen Krankheitsjahre, wirklich hätte gut brauchen können.
Ja, ich weiß Epilepsie ist schrecklich anzusehen. Aber das sich die eigene Mutter vor ihrer Tochter ekelt, und sich auch noch für sie schämt, das ist kaum zu ertragen.
Ich habe es immer verdrängt, als Kind will man es einfach nicht war haben das die Mutter so denkt. Wir haben auch viele schöne Dinge miteinander erlebt, und gerade deshalb, finde ich das alles so furchtbar traurig.
Du hast dich um die Verantwortung gegenüber all deiner Kinder gedrückt.
Meine Schwester wurde von ihrem Vater geschlagen, ohne dass du etwas unternommen hast. Du bist davon gelaufen. Ist das Mutterliebe?
Du hast es dir ziemlich einfach gemacht, oder?

Auch deinen Enkelsohn hast du einfach vergessen. Gut seitdem du hier bist hast du ihn auch verwöhnt, aber dass ist nicht das Entscheidende.
Er hat mich damals als du zu den Schwestern gezogen bist gefragt: „Mama warum kommt denn die Oma nicht zu uns?“
Schließlich warst du ja immer da, aber nun sollte das alles anders werden. Er hat es nicht verstanden, und ich war damals unendlich traurig.
Wo warst du als Thilo gerade erst fünf Jahre wurde?
Ich konnte mir wegen der schweren Krankheit ja kaum selber helfen. Kinder hätte ich mir wohl besser nicht anschaffen sollen, aber dass sich die Krankheit dadurch verschlimmern würde, wusste ich ja nicht.
Als Thilo dann auch noch zum Bettnässer wurde, hast du dich natürlich nicht zurückgenommen. Wieder einmal warst du sofort mit klugen Ratschlägen zur Stelle, anstatt einmal nur schweigend zu helfen.
Verzweifelt hat sein Vater versucht die Mutter zu ersetzen, was ihm natürlich nicht gelang. Aber wir haben es geschafft.
Trotz allem ist die Sehnsucht in mir geblieben. Wenn wir vielleicht nach langer Zeit des Schweigens wieder miteinander sprechen können, so wäre das schön.
Vielleicht hast du dann ja den Mut mir einmal alles zu erklären. Du hast es versäumt Mutter zu sein. Als Mutter hättest du nicht die Augen davor verschließen dürfen. Sag doch einfach mal, dass auch du Fehler begangen hast, vielleicht könnte ich dich dann wieder lieb haben. Aber du machst ja keine Fehler, und gerade deshalb wird sich auch nichts ändern. Diesen Vorwurf werde ich dir immer machen, aber bitte gib uns eine Chance, wenn du diesen Brief gelesen hast, dann hoffe ich dass du mich endlich verstehst.

Da ich seit Jahren selber Mutter von zwei Kindern bin, stelle auch ich mir die Frage, ob ich dieser Aufgabe gerecht geworden bin, vielleicht gerade, weil ich diese Krankheit habe.
Ich weiß inzwischen, Muttersein muss man lernen. Aber ich weiß auch bereits, dass ich es geschafft habe. Ich brauche ja nur das zu tun, was du nie getan hast.
Also nehme ich meine Tochter in den Arm, und höre ihr einfach nur zu.
Seit fast fünf Jahren bin ich jetzt anfallsfrei, und ich habe in dieser Zeit versucht alles versäumte nach zu hohlen. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich es geschafft habe, und das zu recht.
Warum hast du es nicht geschafft Mutter zu sein?
Aber ich habe dich immer noch unendlich lieb, verdammt noch mal rede mit mir!

Deine Tochter


Damals als ich meiner Mutter diesen Brief in den Briefkasten gesteckt hatte, habe ich so naiv wie ich nun einmal bin, doch wirklich geglaubt, dass meine Mutter ihn gelesen hat.
Endlich dachte ich , würde sie mir einmal zuhören müssen, und mich vielleicht auch in meinem Kummer verstehen. Am kommendem Tag hat sie mir dann gesagt, dass sie den Brief zerrissen und weggeworfen hat. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Wieder einmal hat meine Mutter nicht bemerkt, dass sie mir unendlich damit weh tat. Das was mir doch so wichtig war, hatte sie einfach zerrissen und weggeworfen, in den Müll.

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