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Juli 2004
Ohne Worte
von Ines Haberkorn

ASPEGVCRIYMWOXHDKQZBUNTJLF.
Vollbracht! Ich leierte das Blatt Papier aus der Schreibmaschine, stieß mich mit den Füßen vom Boden ab und überflog meinen Text ein letztes Mal:
„ASPEGVCRIY“ Looping.
„MWOXHDKQZ“ Turn.
„BUNTJLF“ Schraube.
„Punkt.“ Im Rückenflug ging es bis zur Küchentür, wo ich landete und eintrat. Wie erwartet stand mein Gatte am Herd und bewachte rührend eine leise vor sich hin köchelnde Bohnensuppe. Schnuppernd bewegte ich mich zum Tisch und legte das Blatt mit dem Text darauf ab.
„Könntest du mal ein Auge drauf werfen?“
„Aber gern“, antwortete er und tat es. Das Auge traf zielsicher die Überschrift, hinterließ dort einen kleinen feuchten Fleck und rollte weiter über den Text, zuerst von links nach rechts, danach von rechts nach links und noch einmal zurück. Direkt auf dem Punkt kam es schließlich zur Ruhe, drehte sich mit der Pupille zu mir und blickte mich ratlos an. Diesen Blick kannte ich leider nur zu gut. Leise, aber gequält stöhnte ich auf.
„Sag bloß, du hast mal wieder nichts davon verstanden.“
Das Auge kippte etwas zur Seite, sodass sein Blickwinkel um eine viertel Bogensekunde an meinem vorbei schrammte. Ausweichmanöver. Aber nicht mit mir.
„Okay, dann erkläre mir bitte schön, was daran so unverständlich ist“, herrschte ich meinen Gatten an, der mit der einen Hand noch immer die Bohnensuppe rührte, während er mit der anderen auf der Suche nach seinem Auge blind um sich tastete.
„Na ja, sie ist so ... so kurz und ohne Worte.“
„Kurz? Ohne Worte?“ Der Choleriker in mir bäumte sich ruckartig auf und ich versetzte der tastenden Hand einen energischen Klaps auf den Rücken. Wenn ich redete, dann hatte er zuzuhören und nicht mit seiner Hand wild in der Gegend herumzufummeln.
„Was du kurz nennst, ist Prägnanz. Treffender Ausdruck, eindeutige Worte, klare Strukturen, keine sinnlosen Adjektive, vollkommen konzentrisch geschrieben. Das Beste, was je aus meiner Feder floss.“ Im Suppentopf machte es „Plopp“, was mich und meine Erläuterungen für eine Sekunde unterbrach. „Und was die Worte betrifft, diese Geschichte ist voller Worte, natürlich sind sie auf zwei verschiedenen Ebenen angeordnet, einer sichtbaren und einer unsichtbaren, hochexperimentell also.“
Mein Gatte hatte sich unterdessen wieder völlig seinem Eintopf zugewandt und quirlte hektisch darin herum. Das irritierte mich zwar etwas, aber wiederum nicht so sehr, dass es mich aus dem Konzept gebracht hätte. Ich nahm meinen Text zur Hand und rezitierte ihn noch einmal laut, jeden einzelnen Buchstaben dabei liebevoll betonend.
„Findest du nicht, dass er überaus gelungen ist? Eine exzellente Synthese aus melancholischer Politsatire und blutiger Romantik in einem Setting, das zwischen Historie und Science Fiction angesiedelt ist.“ Ich seufzte aus tiefstem Herzen. „Aber was verstehst du schon von Science Fiction oder Politsatire. Du mit deinen trivialen Tierfilmen. Ochse frisst und säuft und bespringt seine Kuh. Basta!“
„Bulle. Wenn schon, dann Bulle“, verbesserte mich mein Gatte ruhig und stocherte weiter mit dem Rührlöffel in der Bohnensuppe. „Ist denn in deiner Geschichte auch etwas Erotisches drin?“
„Etwas? Sie strotzt förmlich vor Erotik. Alles mit eindeutigen Worten ausgedrückt, ganz ohne falsche Prüderie.“ Ich hielt das Blatt Papier in die Höhe wie ein Schaubild. „Hier, siehst du, ein „P“ wie Penis, und dort ein „S“ wie Sex. Nicht mal vor derber Sprache habe ich mich gescheut, wenn du dir diesen Buchstaben betrachten willst: ein „F“ wie ...“
„Fackeln.“
„Fackeln?“ Das brachte mich nun doch aus dem Konzept. Verwirrt blickte ich erst ihn danach meinen Text an.
„Ja, im Sinne von: nicht lange fackeln“, ergänzte mein Gatte und zerrte den Suppentopf von der Herdplatte. Jetzt reichte es mir aber. Energisch schob ich ihn beiseite und beugte mich neugierig über die Bohnensuppe. Sah die lecker aus, aber leider guckten mal wieder mehr Augen rein als raus.
„Also fackeln hatte ich keinesfalls im Sinn.“ Wie er nur auf so etwas kam?
Ich stieß Daumen, Zeige- und Mittelfinger wie einen Greifer in die heiße Suppe. Aber das Auge tauchte tückisch ab und ich erwischte nur eine gequollene Bohne. „Nicht auszudenken, wenn der Leser dieses „F“ ebenso falsch deutet. Das könnte die Aussage komplett untergraben.“ Die Bohne verschwand in meinem Mund und ich schleckte mir die Finger ab. „Also das geht unter gar keinen Umständen. Da muss ich sofort noch mal dran.“
„Tu das“, entgegnete mein Gatte, und wandte sich – wie mir schien enorm erleichtert – dem Kochtopf zu, während ich mich an die Überarbeitung meines Textes machte. Zeitgleich mit dem Abendessen war ich fertig. Und während mein Mann seine Bohnensuppe auftrug, trug ich mein Geschriebenes vor, das er – welch ein Wunder – diesmal auf Anhieb verstand:

A S P E G V C R I Y M W O X H D K Q Z B U N T J L F

Außerirdischer flieht vor
Sex-Sekte, die ihn zur
Penisverlängerung zwingen will, auf die
Erde und landet mitten in einer
Greenpeace-Aktion zur
Verhinderung weiterer
Castor-Transporte, wobei er sich in die
Reinigungskraft
Irina
Yagnowa, ein
Mädchen aus
Weißrussland mit draller
Oberweite und
X-Beinen verliebt, die ihn mit zu sich nach
Hause nimmt und zum
Dinner einlädt, was aus
Kartoffeln mit
Quark und einem
Zipfelchen
Blutwurst besteht, die schmeckt, als wäre sie aus den
Ueberresten von
Nostradamus hergestellt, tatsächlich aber aus den
Teilen eines amphetaminverseuchten
Jünglings zubereitet und mit einem
Liebeszauber belegt wurde, der bewirkt, dass er nur noch eines will: sie
Fernaschen.

© Ines Haberkorn



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