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Juli 2004
Anderland
von Christian Rautmann

Mark erwachte mit dem Gefühl, mit seinem Kopf in einem Scheunentor stecken bleiben zu können. Er rieb sich den Schädel und öffnete langsam die Augen. Sofort schien die direkt über ihm stehende Sonne bis tief in seinen Kopf hinein scheinen zu wollen. Instinktiv hob er die Hände schützend vor sein Gesicht und beschloss, einfach noch einen Moment mit geschlossenen Augen liegen zu bleiben und zu warten, bis der Wecker klingelte.
„Aber Moment.“ fragte er sich plötzlich. „Wieso scheint in unserem Schlafzimmer plötzlich die Sonne? Und seit wann sind Elefanten grün und können stricken? ... .... ..... ...... ELEFANT????“
So schnell war Mark vermutlich nicht mehr aus dem Schlaf hochgefahren, seit ihm eingefallen war, dass er statt im Bett zu liegen eigentlich eine Mathe-Arbeit schreiben sollte. Und das war inzwischen immerhin fast 25 Jahre her.
Nun geschahen im Wesentlichen zwei Dinge:
1. Mark öffnete – Helligkeit hin oder her – seine Augen so weit er nur konnte, und
2. er vergaß seinen schmerzenden Kopf völlig.
Warum? Weil er nicht nur tatsächlich den grünen Elefanten strickend („Wozu braucht ein Elefant gelbe Socken?“) auf einem Sofa sitzen sah, sondern auch noch ein Rabe in Anzug und Krawatte an ihm vorbeistolzierte und ihn mit einem leichten Kopfnicken grüßte..
Marks Kinn klappte so weit herunter, dass ein Spatz bequem in seinem Mund ein Nest hätte bauen können. - Das war eindeutig nicht sein Schlafzimmer. Die 60 Watt Birne über dem Ehebett konnte nicht so hell leuchten und der Elefant hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit seiner Frau. Höchstens mit seiner Schwiegermutter. Die hatte aber in seinem Schlafzimmer nichts zu suchen.
„Verdammt. Was ist denn jetzt los? Das kann doch hoffentlich nur ein Traum sein.“
Er wartete einen Moment und hoffte, dass sich seine Halluzinationen in Luft auflösen würden. Das schienen sie aber so ziemlich als allerletztes tun zu wollen. Kleine Schweißperlen traten auf seine Stirn und sein linkes Ohrläppchen begann zu zucken. – Das tat es immer, wenn Mark besonders aufgeregt war.
„Hallo Du“ hauchte eine Stimme so sanft, dass Mark eine Elfe vor Augen hatte, als er sich umdrehte. „Du brauchst keine Angst zu haben.“ sagte das Nilpferd beschwichtigend zu Mark, der zum wiederholten Male seinen Mund einem Spatz zum Nestbau darbot. Dabei zupfte es sich mit seinen beiden Vorderfüssen sein hellblaues Ballettkleidchen zurecht und lächelte ihn mitfühlend an, wobei es seinen Kopf leicht seitlich geneigt hatte und seine beiden großen Eckzähne entblößte.
Mark klappte seinen Mund langsam wieder zu und stieg aus dem Bett, das daraufhin erleichtert „Puh, war der schwer!“ rief. Danach streckte es sich ein wenig, lief auf seinen vier Beinen los und verschwand im nahegelegenen Wald.
„Willkommen im Anderland.“ sagte die elfenhafte Stimme. Mark wandte sich wieder dem Nilpferd zu, dass er mindestens ebenso fassungslos anstarrte, wie eben noch die Stelle am Waldrand, an der das Bett verschwunden war.
„Ich bin Nelly.“ sagte das Nilpferd. Nach einer Pause – Mark war offenbar nicht in der Lage, auch nur einen Ton herauszubringen - fügte es hinzu: „Vermutlich möchtest du wissen, wo du bist und wie du hierher gekommen bist, oder?“
Nelly weiterhin anstarrend brachte Mark es nur mühsam fertig, ein ziemlich unartikuliertes Gurgeln von sich zu geben, das Nelly wohl als ein ‚Ja’ interpretierte.
„Nun“ begann Nelly munter und strahlte Mark mit ihren glitzernden schwarzen Knopfaugen an. „Am besten kommst du einfach mit mir. Dann zeige ich dir das Anderland und erzähle dir, was ich weiß.“
Als Mark sich noch immer nicht rührte, runzelte Nelly ihrer kleine Nilpferdstirn und sah ihn zweifelnd an. „Meinst du, du schaffst das?“
Mark hatte das deutliche Gefühl, dass sein Hirn sich gerade in Watte verwandelte. Er fragte sich, ob das alles tatsächlich passierte oder ob es sich um einen (freilich sehr realistischen) Traum handelte. Er kniff sich kräftig in den Arm und schloss die Augen.
Als er sie einen Moment später wieder öffnete, war das Nilpferd verschwunden. Auch ein Elefant was nicht mehr zu sehen. Erleichtert wollte er gerade Luft holen, als er eine Stimme hinter sich flöten hörte: „Nun komm’ endlich“.
Mark drehte sich um und sah Nelly vom Waldrand winken. Seufzend stand er auf und macht sich auf den Weg.
Die Nilpferddame tänzelte mit trippelnden Schritten auf ihren Hinterbeinen vor ihm her und deutete plappernd mal nach links auf einen Iglu, dessen Eis trotz der geradezu tropischen Hitze nicht zu schmelzen schien und mal nach rechts auf einige Hühner, die sich kostümiert hatten und Arien aus der Oper Aida sangen.
Währenddessen beschloss Mark im Stillen, dass er vermutlich völlig verrückt geworden war. Er hätte gestern Abend das dritte Bier wohl besser doch nicht trinken sollen.
Sie liefen durch eine Landschaft, die aussah wie eine Mischung aus Schwarzwald und Grand Canyon. Sie wanderten eine riesige Schlucht entlang, die aber völlig mit allerlei Laub- und Nadelbäumen bewachsen war. Sogar an den steilsten Hängen wuchsen Kiefern und Eichen.
Nach und nach begegneten ihnen weitere Bewohner dieses seltsamen Landes: da waren zum Beispiel ein Storch auf einem Fahrrad, ein Krokodil auf einem HĂĽpfstock und ein Geige spielender Seehund.
Während Mark sich noch fragte, wie der Seehund wohl die nötige Fingerfertigkeit zustande brachte, blieb Nelly plötzlich stehen und zeigte auf einen Baum.
„Schau mal die Früchte dieses Baumes an. Kommen sie dir vielleicht bekannt vor?“
„Natürlich“ rief Mark sofort. „So eine hat meine Frau Sandra doch gestern für mich vom Einkaufen mit nach Hause gebracht.“
Sie hatte erzählt, dass sie diese seltsam bunte Frucht bei einer alten Frau gekauft hätte. Sie hatte ausgesehen wie eine Mischung aus einer Banane, einem Apfel und einem belegten Brötchen. (Nein, nicht die Frau, die Frucht natürlich!). Er war so hungrig gewesen, dass er sie sofort gegessen hatte (die Frucht ist gemeint!).
Nelly grinste breit. Und wenn ein Nilpferd breit grinst, dann ist das wirklich beeindruckend.
„Dann weißt du nun ja, wie du hierher gekommen bist. Du hast von der Anderfrucht gegessen.“
Etwas ärgerlich fügte sie hinzu: „Klara kann es einfach nicht lassen, in eure Welt zu gehen und die Früchte zu verkaufen. Ich werde mal wieder ein ernstes Wort mit ihr reden müssen.“
„Wenn ich von den Früchten esse, komme ich dann vielleicht wieder nach Hause zurück zu meiner Frau?“ fragte Mark hoffnungsvoll.
„Leider nein, so einfach ist das nicht.“
Sie hatte den Satz gerade beendet, als es ĂĽber ihnen zu zischen und zu krachen begann.
„Oh nein“, stellte Nelly resigniert fest und sah betreten nach unten.
„Oh Gott!“, rief Mark überrascht und sah entsetzt nach oben.
Ein riesiges „Etwas“ schwebte langsam auf sie zu und landete direkt vor ihnen. Das Ding sah einen Moment so aus, als hätte ein großer Magnet alles Altmetall der Umgebung angezogen und sich damit in die Luft erhoben. Doch dann wieder hatte man den Eindruck, eine riesige rosa Wattekugel vor sich schweben zu sehen. Dann wieder schien es eine großes Gebüsch zu sein, das sich von seinen Wurzeln losgerissen hatte, dann wieder... – aber lassen wir das! Das seltsame „Etwas“ änderte eben ständig sein Aussehen. Aber ganz eindeutig war es groß. So groß, wie ein ganzer Häuserblock.
Mark sah Nelly fragend an. Die zuckte nur leicht mit ihren Nilpferdschultern und sagte: „Das ist Wrksft Grglbrmpf. Er ist der Zauberer von Anderland. Leider ist er ziemlich verrückt und macht nichts anderes, als ...“ Doch weiter kam sie nicht. Denn ein Blitz fuhr durch die Luft und traf Nelly, die gleich daraufhin verschwunden war. Mark schaute in die Richtung, in der das „Etwas“ gelandet war und aus der auch der Blitz gekommen war. Ein kleines Erdmännchen kam auf ihn zu. Wenigstens hätte Mark den Zauberer so beschrieben, wenn er dazu noch die Gelegenheit gehabt hätte. Denn wieder blitzte es und er sah sich in einen knallblauen Ledersessel verwandelt. Das verschlug ihm dann doch für einen Moment die Sprache.
Als er dieselbe wiedergefunden hatte, war Wrksft Grglbrmpf mit seinem „Etwas“ bereits wieder davongeflogen. Nur das schrille Gelächter des Erdmännchenzauberers halte noch durch die Schlucht.
Zum Glück konnte Mark sich noch bewegen (allerdings jetzt auf vier ziemlich kurzen Beinen). Überhaupt schien er noch der Gleiche zu sein, der er vor wenigen Minuten auch gewesen war – nur das er jetzt wie ein Sessel aussah.
Er sah sich nach seiner Begleiterin um, die so plötzlich verschwunden war. Er konnte sie aber nirgends entdecken.
„Nelly? – Wo bist Du?“
„Verflixter Zauberer“ hörte er es zur Antwort schimpfen „Ich könnte diesen Kerl mit großem Vergnügen an eine Wand werfen“
Nun konnte er sie zwar hören, aber zu sehen war sie noch immer nicht.
„Hier unten“ sagte Nelly „siehst Du die gelb-rot getupfte Ameise mit den Hasenohren? – Das bin ich“
Sie schien von ihrer neuen Gestalt nicht sonderlich begeistert zu sein und schimpfte noch eine Weile weiter. Schließlich erklärte sie ihm, dass Wrksft Grglbrmpf eigentlich nichts anderes mache, als alles und jeden, der ihm über den Weg laufe, in etwas anderes, möglichst Verrücktes, zu verzaubern. Er sei vor vielen Jahren wohl einmal kräftig auf den Kopf gefallen und habe seither nicht mehr alle Tassen im Schrank.
Die Hasenohren-Ameise machte es sich nun auf Marks Lederpolster bequem und die beiden zogen weiter.
„Wie siehst du denn wirklich aus“ fragte er Nelly nach einer Weile.
„Keine Ahnung. Ich bin inzwischen so oft verzaubert worden, dass ich mich nicht mehr erinnern kann. Aber ich glaube, dass ich fliegen konnte und in der Nähe der Stelle geboren wurde, an der wir uns getroffen haben.“
Nach einer Weile kamen die beiden aus der Schlucht heraus und blickten auf eine weite Ebene, die nur aus Nichts zu bestehen schien: keine Baum, kein Strauch, kein Lebewesen, kein Pumpelpump (ich weiß auch nicht, was das ist, aber es war ja ohnehin keines da) – eben Nichts.
„So“, sagte Nelly „weiter kann ich nicht mitkommen. Für uns Anderländer ist die geheime Wüste verboten. Aber du musst weitergehen und die Haltstelle suchen, an der der Bus anhält, der dich nach Hause zurückbringt.“
Und so verabschiedeten sich die beiden tränenreich: eine Ameise mit Hasenohren und ein knallblauer Ledersessel, die sich aus verständlichen Gründen nicht einmal umarmen konnten.
Mark zog also los und blickte sich immer wieder nach Nelly um, die er aber schon nach wenigen Metern nicht mehr sehen konnte. Er ging geradewegs in die geheime Wüste hinein, die – wie es sich für eine Wüste gehörte – sandig und heiß war. Mark machte das aber zum Glück wenig aus, da er als Sessel relativ wenig Durst hatte. Nur seine Sprungfedern begannen nach einer Weile zu knirschen, da sich Sand in sie hineinsetzte.
Er mochte schon einige Stunden so gegangen sein, als er in der Ferne eine Gestalt auf sich zukommen sah. Als er sich noch fragte, wer das wohl sein könne, stand der Fahrkartenverkäufer auch schon vor ihm.
„Guten Tag“, sagte der. „Einmal erste Klasse mit Polstersessel nehme ich an?“ Er legte Mark einen Fahrschein auf sein Polster und lachte lautstark über seinen Witz. Dann verschwand er so schnell wieder, dass Mark ihn gar nicht mehr nach der Bushaltestelle fragen konnte.
Aber das war auch gar nicht nötig. Ein großer, roter Bus stand auf einmal direkt vor ihm. Mark wurde auf die Ladefläche gehoben und der Bus fuhr los.

Sandra zog Steve zu sich auf das Bett, küsste ihn leidenschaftlich und begann, sein Hemd aufzuknöpfen. Kurze Zeit darauf fielen weitere Kleidungsstücke. Einige landeten auf einem knallblauen Sessel, der erst kurze Zeit vor dem Bett stand. Daneben, auf einem kleinen Tischchen, stand eine Schale mit seltsam aussehenden Früchten. Sandra war heute einkaufen gewesen.

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