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Juli 2004
Finger weg
von Günter Krause

Ratlos steht Rolo Menzen an der schwach frequentierten Straßenecke und sucht verzweifelt nach der Höhlenstraße. Niemand kann ihm den Weg beschreiben.

„Suchen Sie etwas Bestimmtes?“ Eine attraktive Brünette spricht ihn an.

„Ich muss in die Höhlenstraße“, antwortet er.

Die lächelt. „Das liegt auf meiner Strecke. Kommen Sie, begleiten Sie mich!“

Rolo Menzen kommt der Aufforderung gerne nach. „Da hab ich aber Glück gehabt. In einer halben Stunde muss ich spätestens dort sein.“

„In einer halben Stunde oder nie!“ Sie lacht.

Er schließt sich ihrem Lachen an, obwohl er nicht versteht, was sie sagen will.



Er betrachtet sie aus den Augenwinkeln heraus, während sie nebeneinander hergehen. Ein tolles Weib, denkt er. Die Zeit fliegt dahin. Plötzlich bleibt sie stehen. „Hier wohne ich.“ Sie lädt ihn zu einem erfrischenden Getränk ein. Er sieht auf die Uhr. „Egal“, sagt er. Es ist heiß. Er nimmt die Einladung gerne an.



Rolo setzt sich auf die gemütliche Couch. Sie holt aus der Küche zwei Gläser Cola. Sie beugt sich vorne über, um die Gläser auf den Tisch zu stellen. Sie trägt keinen BH. Sein stierer Blick haftet auf ihren unbedeckten Brüsten. Sein Blut gerät in Wallung.

Ihre Blicke treffen sich. Ertappt sieht er weg.

Sie richtet sich auf, zieht ihr Kleid zu recht. „Gefalle ich dir?“, fragt sie und lächelt ihn an. Verlegen nickt er.



„Zum Wohl!“ Sie hebt das Glas und prostet ihm zu. Lange sehen sie sich in die Augen. Rolo trinkt das Glas halb leer.

„Es ist so heiß, alles klebt an mir!“ Sie zupft an ihrem Kleid. „Stört es dich, wenn ich mir Erleichterung verschaffe?“

„Keineswegs!“, sagt er schnell. Sie stellt sich vor ihn und bittet ihn den Reißverschluss ihres Kleides zu öffnen. Der dünne Stoff gleitet zu Boden.

Nur einen winzigen Slip trägt sie noch. Rolo starrt gebannt auf ihren makellosen Körper. Die Gier quillt aus seinen Augen.

Langsam kommt die nackte Fremde auf ihn zu, setzt sich hemmungslos auf seinen Schoß. Er versteht nicht was passiert. Es ist ein Traum, denkt er.

Er legt seine Hand auf ihren Oberschenkel und spürt ihre zarte Haut. Ihr Parfum betört seine Sinne. Ihre Brüste wogen direkt vor seinen Augen. Die Fremde spielt mit seinem Ehering.

„Hast du deine Frau schon einmal betrogen?“

„Niemals!“, stößt er entrüstet aus. „Ich liebe meine Frau!“ Ihre Frage ernüchtert ihn. Lass es sein!, warnt eine innere Stimme. Vergebens.

Sie streicht ihm ein Strähne aus dem Gesicht.

„Findest du mich begehrenswert?“, fragt sie.

Seine Stimme versagt, das Blut in seinen Adern kocht.

„Sag es mir, bin ich eine Sünde wert?“ Ihr verführerischer Blick lässt ihm keine Chance.

„Ich kenne dich doch kaum!“, versucht er leisen Widerstand zu leisten.

„Ich will dich!“, haucht sie und schmiegt sich fest an ihn.

Sie steht auf und spielt mit ihrem Slip. Tänzelnd zieht sie ihn nach unten und präsentiert Rolo ihre vollkommene Nacktheit. Sein Wille ist endgültig gebrochen.

„Komm“, flüstert die Fremde und greift nach seiner Hand. Widerstandslos zieht sie ihn in ihr Schlafzimmer.



Erschöpft und verschwitzt liegen sie später neben einander in ihrem Bett. Ein Blitzlicht erhellt plötzlich den Raum. „Was ist das ?“, ruft Rolo perplex. Jetzt erst bemerkt er die Fotokamera, die an der Zimmerdecke installiert ist.

„Wenn ich dich schon nicht mehr sehen kann, möchte ich wenigstens ein Erinnerungsfoto von dir haben!“, erklärt sie ihm.

Enttäuscht sieht er sie ihn an. „Können wir uns treffen?“

„Das ist unmöglich!“, beteuert sie.

„Warum denn nicht?“

Sie sieht auf die Uhr. Rolo gähnt. Irgendwie fühlt er sich auf einmal ziemlich müde.



„In einer Stunde wirst du tot sein! Du hast das Gift schon getrunken“, offenbart sie ihm mit breitem Grinsen.

Er lacht. „Guter Witz. Warum solltest du mich töten wollen?“

„Deine Frau zahlt gut!“

„Meine Frau?“, schreit er. Noch kann er keine Zusammenhänge begreifen, alles geht wirr in seinem Kopf durcheinander.

„Genieße deine letzten Minuten!“, sagt sie und schwingt sich aus dem Bett. Sie geht hinüber ins Wohnzimmer. Rolo will ihr folgen. Seine Beine versagen ihren Dienst. „Verdammt, was hast du mit mir gemacht?“, schreit er und krabbelt auf allen Vieren hinter ihr her.

Mühsam erreicht er das Wohnzimmer. Sie sitzt in aufreizender Pose auf der Couch und zündet sich eine Zigarette an. „Was hast du mit mir gemacht?“, winselt er erschöpft.

Demonstrativ sieht sie auf die Uhr an der Wand. „Müh dich nicht ab, du hast sowieso bald ausgekotzt!“

Sie steht auf, geht zum Schrank und öffnet eine Türe. Rolo sieht eine Reihe Laborgefäße in Cocktailglasgröße darin stehen. Sie nimmt zwei davon heraus. Eines ist leer, im anderen schwimmt etwas in trüber Flüssigkeit.

„Was ist das?“, stößt er aus.

Sie hält ihm das Glas direkt vor die Augen. Rolo wird es übel. Er erkennt einen Finger an dem noch ein Ring steckt. „Whää“, macht er. Dann zeigt sie ihm das leere Glas. „Das ist deins!“

Panische Angst ergreift ihn. „Das kannst du nicht machen!“, brüllt er.

„Du wirst es nicht mehr spüren!“, gibt sie eiskalt zurück.

Todesangst breitet sich in ihm aus. „Ich will nicht sterben!“, wimmert er.

„Deine Frau will dich loswerden, weil du sie betrügst!“

„Ich habe sie noch nie betrogen!“

„Du hast mit mir geschlafen!“

„Du hast mich aufs Kreuz gelegt!“

„Na und! Hauptsache ich habe die Fotos und...“ Sie zögert. „deinen Finger!“

„Bitte nicht!“, fleht er mit weinerlicher Stimme.



Sie lacht. „Glaubst du vielleicht, ich gebe mich mit einem Butterbrot ab, wenn ich ein Vermögen haben kann.“

„Wieso?“, fragt er konsterniert.

„Sie hat mich auf dich angesetzt. Ob du treu bist, soll ich herausfinden – mit Erfolgsgarantie.“ Sie lacht hämisch. „Alle waren sie treu, doch jedem habe ich den Finger samt Ring abgeschnitten.“ Sie betrachtet das volle Laborglas. „Pech für euch, dass ihr mir alle nicht widerstehen konntet! Gut für mich, es hat sich ausgezahlt.“

„Du hattest also alles genau so geplant?“ Fassungslos schüttelt Rolo den Kopf.

„So ist es. Und so konnte dir auch niemand den Weg zur Höhlenstraße beschreiben. Die Straße gibt es nicht in dieser Stadt.“

„Dann hatte ich überhaupt keine Chance aus dieser Intrige lebendig herauszukommen?“, stellt er fest.

„Doch, du hättest weitergehen können, als ich dich in meine Wohnung eingeladen habe.“

„Wie hätte ich dann die Höhlenstraße finden sollen?“

„Es gibt diese Straße nicht!“

„Woher sollte ich das wissen! Also hatte ich keine Chance!“

„Sei froh, du musst wenigstens nicht unbefriedigt ins Gras beißen!“

Er lacht verzweifelt. „Was nützt mir das?“

„Na hör mal“, lacht sie, „nicht jeder hat das Glück die letzte Stunde seines Lebens mit einer hübschen, leidenschaftlichen Frau zu verbringen!“

„Gib mir einen Schluck Wasser!“, bittet er.

„Damit du den Boden vollsabberst! Die paar Minuten wirst du schon so aushalten müssen!“

Rolo krümmt sich vor Schmerzen auf dem Boden.

„Du mieses Stück!“, schreit er.

„Dein Geschrei rührt mich nicht. Du bist nicht der Erste, den ich auf diese Weise beseitigt habe. Doch du bist der Letzte. Deine Frau bezahlt mich so fürstlich, dass ich mich zur Ruhe setzen kann. Genug ist genug. Außerdem langweilt mich dieses Geschäft!“

Rolo antwortet nicht mehr. Sein Atem wird flacher. Die Frau sieht auf die Uhr. Genau 70 Minuten sind vergangen, seit er das Gift eingenommen hat. Alles exakt im Zeitplan.



Sie holt ein scharfes Messer und kniet sich zu ihm auf den Boden.

„Schade, du warst nicht schlecht im Bett“, sagt sie.

Sie setzt das Messer an und macht einen leichten Schnitt an seinem Ringfinger.

„Gib mir deinen Finger, den brauchst du sowieso nicht mehr!“



„Da hast du ihn!“, brüllt Rolo plötzlich lautstark und fährt hoch.

Erschrocken zuckt die Frau zusammen und fällt auf den Boden.

Blitzschnell springt Rolo auf und nutzt ihre Schrecksekunde aus. Er greift nach dem Kleid und bindet ihr damit die Hände zusammen. Er rennt zum Telefon und wählt eine Nummer. „Schnell, ihr könnt kommen, beeilt euch!“

Kurz darauf wird die Wohnungstür aufgebrochen. Schwer bewaffnete Polizisten stürmen herein und nehmen die nackte Frau in Gewahrsam.

Eine junge Beamtin eilt zu Rolo hin. „Gottlob, dir ist nichts passiert. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht!“ Sie umarmt ihn und drückt ihn fest an sich. Rolo streicht durch ihr Haar. Britta Rot ist seine Chefin. Fünf Jahre jünger als er. Stets äußerst korrekt, trennt sie Beruf und Freizeit.

„Sie müssen nicht vollenden, was die Bestie nicht geschafft hat.“ Eine dunkle Männerstimme mahnt sie zur Vorsicht. „Erdrücken Sie ihn nicht. Gehen Sie zur Seite, ich muss das Gegengift spritzen.“

Britta steht auf. Jetzt nimmt sie Rolo´s Nacktheit wahr.

„Du Schwein“, fährt es ihr heraus. „Du elendes Schwein! Du hast es mit ihr getrieben!“

„Auftrag ist Auftrag und muss mit allen Konsequenzen durchgezogen werden, wie Sie immer wieder predigen“, rechtfertigt er sich.

„Mach das ja nie wieder!“, droht sie ihm.

„Das klingt ja wie eine Liebeserklärung! Sind Sie gar eifersüchtig?“, bemerkt er.

Britta errötet. Die Sorge um Rolo ließ sie ihre langgehegten Gefühle zeigen. „Werden Sie erst mal wieder fit, dann können wir schön essen gehen und darüber reden!“



„Sollen wir die Person abführen?“ Zwei Polizisten bringen die verhaftete Frau heran. Britta steht ihr gegenüber und sieht ihr in die Augen. Die Killerin erkennt in der Polizistin die Frau, die ihr den Auftrag zu diesem Komplott gab und mit der sie den ganzen Plan ausgeheckt hat.

„Verdammte Scheiße!“, kreischt sie, „ich hab doch gleich gewusst, dass an der Sache etwas faul sein muss. Hätt ich bloß die Finger davon gelassen!“



Günter Krause

Letzte Aktualisierung: 00.00.0000 - 00.00 Uhr
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