Der Tod aus der Teekiste
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Oktober 2004
The Magic Five
von Heidi Hoppe

Der Nordwest fegte ungehindert ins Giebelfenster. Die Glasscheiben lagen zersplittert auf den Holzdielen. Fledermäuse fanden ihr Zuhause unter dem Dach der Hexenkate. Im Laufe der Jahre hatte sich ein ansehnlicher Haufen Exkremente angesammelt, der durch den einsetzenden Regen befeuchtet wurde. Blitze zerteilten den Abendhimmel; sie erhellten für Sekunden den Dachboden. Krachender Donner ließ das Gemäuer erzittern.

Ein Abend für Mutproben.

Am anderen Ende des Dorfes hockte Heiner vor seinem Computer. Ein Klopfen ans Fenster schreckte ihn auf.
„Komm, es ist so weit!“ Magic, der Anführer der Magic Five, stand mit dem Fahrrad draußen.
Endlich. Heiner wartete schon seit Wochen darauf, in den Club aufgenommen zu werden.
„Muss noch mal weg.“ Rief er in die Küche.
„Heiner!“ Seine Mutter war ganz und gar nicht damit einverstanden.
„Bin um acht wieder da!“
Magic warten zu lassen, war nicht drin und schon klappte die Haustür.
Die beiden fuhren die Dorfstraße entlang. und bogen in den Waldweg ein. Dort warteten Shaft, Jangis und Hank unter dem Vordach einer Scheune. Der Regen sammelte sich in der verstopfen Dachrinne und platschte wie ein Sturzbach aufs Kopfsteinpflaster.
Die Jungen verzogen sich ins Innere.
„Lagebesprechung,“ bestimmte Magic. „Als erstes brauchst du einen Namen. Hast du `ne Idee?“, fragte er.
„Klar, ich bin Crow!“
„Cool, okay Crow. Hier hast du die Mutproben-Regeln.“ Magic holte ein Blatt Papier aus der Hosentasche.
Crow faltete es auseinander und überflog den Zettel.
´Tür öffnen… Stiege hoch… drei Gefahrenstufen…Holztruhe…Kerze…Krummdolch…Räucherkammer… Schinken´
„Du Crow, wir haben übrigens Keule rausgeschmissen. Er hat alles an die blöden Zicken verraten, an die beknackte Gina und ihre Clique. Deshalb konntest du jetzt nachrücken“, erklärte Shaft.
„Wie, alles verraten?“
„Alles eben, vor allem, dass die Mutproben bei Vollmond auf dem Dachboden der Kräuterhexe stattfinden.“
„Dieses Weichei. Der wollte sich doch bei der nur einschleimen, ist schon lange scharf auf die Tusse.“ Crow spuckte verächtlich auf einen der Heuballen.

Die Jungen sprangen aufs Rad und kämpften sich gegen Sturm und Regen Richtung Wald.

Crow stand als erster vor der Hexenkate. Während er mit zittrigen Händen versuchte die Dielentür zu öffnen, dachte er an die Angriffe der Alten, wie sie laut zeternd hinter ihm und anderen Kindern hinterhergelaufen war. Ihr strähniges Haar hatte wirr vom Kopf abgestanden, während sie bedrohlich mit dem Reisigbesen gefuchtelt und wirres Zeug geschrieen hatte, sodass ihr einziger Zahn gelblich aus der schwarzen Mundhöhle herausragte. Crow versuchte mit einem Stück Blech die Tür zu öffnen, doch als er sich daran lehnte, gab diese nach. Hatte die Alte vergessen, sie zu verriegeln?

Der Weg hinauf zum Gruselkabinett war der nächste Schritt. Tausende von Holzwürmern hatten ihr Heim in der Stiege gefunden. Die Eingeweihten wussten, dass die dritte, siebte und neunte Stufe auf keinen Fall zu betreten waren. Sie waren entweder morsch oder knarrten dermaßen, dass die Hexe selbst aus tiefstem Schlaf hoch schreckte. Schritt für Schritt tastete sich Crow nach oben. Er umschiffte die ersten beiden Gefahrenpunkte, landete aber prompt auf der neunten Stufe, die ein Knarren hören ließ, das den unten Wartenden das Blut in den Adern gefrieren ließ. Sie drehten sich in Sekundenschnelle zur Tür, bereit zur Flucht, doch die Hausbewohnerin machte keine Anstalten, sich aus ihrem Lehnsessel zu bewegen.
Was war nur mit der Alten?
„Los, weiter, hoch“, flüsterte Magic.
Oben angekommen ergriff Crow die Türklinke, zog die Bodentür vorsichtig zu sich heran und drückte den Griff im Zeitlupentempo herunter. Kurz darauf stand er auf dem Dachboden.
„Äh, was für ein Mief!“ Er hielt sich die Nase zu.
Beißender Gestank reizte seine Schleimhäute.
Crow tastete sich vorwärts.
Taschenlampen waren tabu. Deshalb hatte die Bande Streichhölzer, Kerze und Einmachglas in einer Holztruhe deponiert. Das Glas sollte ihnen als Windlicht dienen.
Crow kniete sich vor die Truhe und hob den Runddeckel an. Ein animalischer Gestank schlug ihm entgegen. Kerze und Streichholz waren schnell gefunden. Nun war sein Tastsinn auf Kaltes, Glattes, Hartes eingestellt. Er griff in das Weckglas hinein, fühlte Glitschiges, Ekliges, schrie:
„Äh. Scheiße! Welcher Idiot…“ und schleuderte das Glas über den Dachboden.
Den unten Wartenden stockte der Atem. Was hatte das zu bedeuten? Ihre Herzen klopften wie wild. Jetzt musste doch die Alte etwas gehört haben?
Das Unwetter hatte sich inzwischen ausgetobt. Der Vollmond schien direkt durchs Fenster und tauchte den Boden in milchig-weißes Licht. Crow stand immer noch wie angewurzelt neben der Truhe. Er blickte zum Fenster. Jetzt entdeckte er den Krummdolch, der von einem Dachsparren baumelnd herabhing. Der Krummdolch, der eigentlich in der Truhe liegen sollte. Mit diesem Dolch hätte er zur Räucherkammer gehen sollen, die sich am Schornstein befand und einen im Rauch hängenden Schinken abschneiden sollen. Doch Crow blieb keine Zeit für weitere Überlegungen. Im nächsten Moment öffnete sich zunächst lautlos, dann mit ohrenbetäubendem Knarren eine Schranktür gegenüber, langsam, ganz langsam. Aus dem Inneren erschien ein Reisigbesen. Eine Gestalt, umhüllt mit einem weißen Tuch, saß darauf und machte Anstalten als wollte sie abheben. Eine weitere Gestalt erschien, ging mit polternden Schritten zu dem baumelnden Krummdolch, griff danach. Blitzschnell suchte Crow das Weite. Er stolperte die Stiege hinunter und rannte so schnell er konnte hinaus. Der Rest der Bande war schon bei den Fahrrädern angelangt. Mit Lichtgeschwindigkeit hetzte die Meute durch die Dunkelheit.

Am nächsten Tag standen die Fünf auf dem Pausenhof zusammen. Sie verstummten, als Gina, Hand in Hand mit Keule auf sie zukam. Sie stoppten kurz und Gina fragte mit erhobener Stimme:
„Schon gehört? Die Alte ist zu ihrer Tochter gezogen vor kurzem. Und im Übrigen stinkst du bestialisch nach Fledermausscheiße, Crow.“









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