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November 2004
I put a spell on you
von Klaus Eylmann

Die Musikbox spielte ‘I put a spell on you’, zwei Frauen hasteten mit aufgespannten Schirmen am Kneipenfenster vorbei, MĂ€nner schĂŒttelten den WĂŒrfelbecher und Gesa Wohlrath starrte in ihr Bier. TagsĂŒber fuhr sie Taxi, nachts war sie mit Carolin unterwegs. Dies war die Zeit dazwischen, in der Carolin durch den Kneipeneingang schoss, ihren Mantel weg hĂ€ngte und sich an Gesas Tisch setzte.
“Wie war der Tag?”
“Du fragst, als sei ich mit dir verheiratet”, murrte Gesa. Carolin lachte.
“Denkst du noch an Achim? Was war denn los mit euch? Ich fand ihn nett.”
“Er arbeitet beim TÜV.” Gesa leerte ihr Glas.
“Und das heißt?”
“Ach ich weiß nicht, er war zu methodisch.” Gesa drehte das Bierglas hin und her. “Auch im Bett. Zu Anfang mochte ich es. Doch spĂ€ter war mir, als ginge er eine Checkliste durch, wenn er mich kĂŒsste. OhrlĂ€ppchen: ok, Nase ok, Wange ok, Hals ok, linke Brust, rechte Brust... du verstehst was ich meine.” Gesa fuhr sich mit der Hand durch das Haar. “Um auf deine Frage zurĂŒck zu kommen, ich dachte an zwei MĂ€nner, die mir gegenĂŒber wohnen.”
Carolin sah sich um. “GemĂŒtlich, diese Kneipe.” FĂŒr Gesa hingegen war dies eine Kneipe wie alle anderen auch. Wenigstens hatten sie was von Dire Straits in der Juke Box und dann, aber Carolin nahm ihr das Wort aus dem Mund.
“Gesa, in den Wirt könnte ich mich doch glatt verlieben.” Ich auch, dachte Gesa, und sah auf den schwarzgelockten Adonis, der hinter der Theke GlĂ€ser putzte.
“Er ist verheiratet.”
“Oh. Und seine Frau, was macht die?”
“Sitzt in der Toilette und liest die Buddenbrooks.”
“Was?”
“Als Toilettenfrau im Damenklo.” Carolin blieb der Mund offen stehen. Dann schĂŒttelte sie den Kopf und nippte an ihrem Bier. “Was machen wir heute Abend?” Sie sah in ihre Geldbörse.
“Bezahlst du? Ich hab gerade kein Geld mit.” Gesa verzog den Mund. Das musste ja kommen. Sie blickte auf die Uhr und stand auf. “Trink aus. Du hast meine neue Wohnung noch nicht gesehen.”

Es war ein warmer, regnerischer Sommerabend. Die beiden Frauen stöckelten am Taxistand vorbei. Sie waren krÀftig gebaut, hatten runde Gesichter und Kurzhaarfrisuren. Gesa trug eine enge Lederjacke und Minirock, wÀhrend Carolin sich unter ihrem Schlabbermantel versteckte.
Kollege Karl saß in einem einsamen Taxi und las Zeitung. Er hatte Gesa einmal zugerufen: “Wenn ich nicht wĂŒsste, dass du eine von uns bist, hĂ€tte ich gedacht, du wĂ€rest eine von denen.” Die standen aufgetakelt und abgekĂ€mpft in den HauseingĂ€ngen.
Carolin trug wie immer einen erstaunten Ausdruck auf ihrem Gesicht. Mit neunundzwanzig war sie zehn Jahre jĂŒnger als Gesa. Sie arbeitete bei Essig-KĂŒhne in der QualitĂ€tskontrolle. Und Gesa fand, Carolin gehörte mit ihrem sĂŒĂŸen Gesicht in eine Schokoladenfabrik.

Einige hundert Meter von der Kneipe entfernt war Gesas Neubauwohnung.
“Schön hast du es hier”, meinte Carolin spĂ€ter. Eine Katze sprang vom Schrank und strich um ihre Beine. “Was sagt denn MĂ€xchen zu seinem neuen Heim?”
“Am ersten Tag hat er in jede Ecke gepinkelt und sein Revier abgesteckt.” Gesa rĂŒmpfte die Nase und zog die lachende Carolin zum Wohnzimmerfenster. Laternen gingen an, LĂ€rm kam von der Straße. Gipsfiguren ĂŒber den Fenstern des gegenĂŒberliegenden Hauses starrten mit leerem Blick zu ihnen herĂŒber. Bis auf ein Fenster waren sĂ€mtliche VorhĂ€nge zurĂŒckgezogen. Eine Kirchturmuhr schlug halb acht.
“Es ist soweit.” GegenĂŒber wechselte die Farbe der geschlossenen VorhĂ€nge ins Hellbraun.
“Was ist das?” Carolin beugte sich vor.
“Grelles Licht, nehme ich an. Sieh auf den Eingang und warte einen Moment”, zischte Gesa. Nach einigen Minuten kamen zwei junge MĂ€nner aus dem Haus. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen, trugen Sonnenbrillen, Shorts, Muskelshirts und Tennisschuhe. Mit ihren durchtrainierten Figuren, BĂŒrstenhaarschnitten und kantigen Gesichtern hatten sie etwas von Comic-Helden.
“Wow!” Carolin öffnete das Fenster, steckte den Kopf raus und sah ihnen nach. “Was fĂŒr Prachtexemplare! Eins davon möchte ich haben. Wer sind sie?”
“Weiß nicht”, antwortete Gesa. “Ist jeden Abend das gleiche. Erst flackert es hinter dem Vorhang, dann kommen die beiden mit Sonnenbrillen und Sport-Outfit da aus dem Haus.”
Carolin rannte zur TĂŒr. “Gehen wir ihnen nach.”
Gesa zögerte. “Komm schon!”, rief Carolin. “Sonst sind sie weg.”
Die MĂ€nner gingen im Gleichschritt die Straße entlang. Gesa und Carolin holten langsam auf.
“Was machen wir eigentlich?”, fragte Gesa.
“Wir gehen zwei MĂ€nnern nach”, kicherte Carolin und beschleunigte das Tempo.
Sie kamen an Miederwaren-, MusikgeschĂ€ften, Betrunkenen, SupermĂ€rkten, Kneipen, Imbissbuden vorbei und blieben vor einem Strip-Club stehen, in dem die MĂ€nner verschwunden waren. Dort animierte ein Plakat: ‘Ladies Night. Abendshow mit Rick und Nick’. Ein Portier rief: “Kommen Sie rein, hier lecken nicht nur die Toiletten.”
“Was soll denn das nun wieder heißen?”, fragte Gesa. Carolin kicherte, schob den Vorhang zur Seite und zog Gesa in das Lokal.
“Gehen wir vor die BĂŒhne, da kommen die Kellner nicht hin.” Carolin stellte sich zu einem Pulk schwatzender Frauen. VerkĂ€uferinnen, Lagerarbeiterinnen, Lehrerinnen, was weiß ich was noch fĂŒr ‘rinnen’, dachte Gesa. Dazu noch ‘ne Taxifahrerin und eine Frau, an der den ganzen Tag GlĂ€ser mit eingemachten Gurken vorbei ziehen. Die Musik wurde lauter. Eine ölige Ansagerstimme kĂŒndigte Rick und Nick an.
“Das sind sie!”, rief Gesa. “Ich sehe ihre Köpfe!” Eine Mauer aus Frauen nahm ihnen die Sicht. Carolin machte einen HĂŒpfer, zwĂ€ngte sich hindurch. “Sie tragen noch ihre Sonnenbrillen!”
“Sonst noch was?”
“Hemden und Shorts. Aber nicht mehr lange.”
Gesa blieb an ihrem Platz. Ihr genĂŒgte Carolins Bericht aus der ersten Reihe. “Jetzt ziehen sie die Hemden aus.” Gesa hatte MĂŒhe, Carolins Stimme in dem Gejohle und Gekreisch auszumachen. “Ich sehe die Slips und die und die und die...”
Wenn Carolin erregt war, konnte sie keinen Satz zu Ende bringen.
Die Frauen hatten Geldscheine in der Hand. Zwei ausdruckslose sonnenbebrillte Gesichter. FĂŒr einen Augenblick kamen sie in Gesas Blickfeld, als einige Frauen mit leeren HĂ€nden und hochroten Köpfen denen den Vortritt ließen, die noch keinen Schein in die Slips der Stripper gesteckt hatten. Gesa hörte wĂŒtendes Geschrei. Carolin taumelte ihr entgegen und hielt sich die Wange.
“Ich wollte meine Hand reinstecken.”
Gesa lachte. “Und den MĂ€nnern die Scheine aus der Hose ziehen?”
“Ich bleib besser bei dir. Die lassen mich nicht mehr nach vorn.” Carolin betastete ihr Gesicht. “Frauen können ja so gemein zueinander sein.”
Das Johlen und Schreien verklang. Die MĂ€nner waren verschwunden.
“Gehen wir”, meinte Gesa. Aus Regenrinnen sprudelte Wasser, Wagen spritzten FontĂ€nen auf den Gehweg. HĂ€user verbargen ihre Farbe unter dem Licht der Straßenlaternen.
Carolin gab Gesa einen Knuff in die Rippen und deutete mit ihrem Kopf auf einen Seitenausgang. Dann gingen Rick und Nick wieder im Gleichschritt vor ihnen her. Der Regen ließ nach und die Nutten kamen aus den HauseingĂ€ngen. Rick und Nick marschierten in eine Seitenstraße und verschwanden hinter einer metallenen Sichtblende.
“Das ist doch die, das ist doch die...”
“Herbertstraße.”

Aufgedunsene Gesichter, Santanas ‘Feels like Fire’, ein Weckglas mit Frikadellen auf der Theke mit einer fetten Wirtin dahinter. Gesa und Carolin saßen am Fenster.
“Wenn die am anderen Straßenende rauskommen, sitzen wir morgen noch hier.” Gesa zahlte an der Theke. “Ich seh sie!” Carolin stĂŒrzte zur TĂŒr hinaus. Dann befanden sich die beiden Frauen mit Rick und Nick auf dem Heimweg.
“Wo willst du hin?” Gesa blieb unschlĂŒssig am Bordstein stehen, wĂ€hrend Carolin ĂŒber die Straße lief und hinter den MĂ€nnern in deren Hauseingang verschwand. Gesa seufzte, hetzte ĂŒber die Fahrbahn in das gegenĂŒberliegende Haus und rannte die Treppe hoch. Eine WohnungstĂŒr fiel ins Schloss.
“Carolin!” Gesa hĂ€mmerte mit der Faust gegen die TĂŒr. Ihre Freundin riss sie auf und schob Gesa ĂŒber den Korridor in ein Zimmer. Gesa kniff die Augen zusammen. Zwei dunkle Schemen verschwanden in einem mannshohen Ring aus grell flirrendem, blĂ€ulichem Licht.
“Sie sind da reingelaufen!” Carolin zog Gesa mit und stolperte. Zuckende Lichter umbrandeten sie, dann wurde Gesa schwarz vor Augen.
“Das ist..., das ist..., das ist...”, rief jemand. Gesa öffnete die Augen. Sie lag auf dem Boden und sah Rick und Nick ĂŒber sich gebeugt.

Gelbe Augen brannten Löcher in Gesas Gedanken. Grelles Licht verschmolz mit dem Weiß der WĂ€nde, so dass der Raum endlos schien.
“Wo sind wir?” rief Carolin.
“Wer seid ihr?”, fragte Gesa.
“Rick und Nick”. Sie zogen die Frauen zu sich hoch. “Ihr seid auf einer Experimentier-Station von Tau-2.”
“Das ist unser Planet”, sagte der eine.
“Wir studieren eure BrĂ€uche”, meinte der andere und zeigte auf eine Konsole mit Bildschirm, auf dem das Zimmer zu sehen war, aus dem sie gekommen waren.
“Unglaublich”, rief Gesa. “Wie macht ihr das?”
“Ihr wĂŒrdet es nicht verstehen.” Einer der MĂ€nner bearbeitete die Konsole. Der Ring erlosch. Das Bild verschwand auf dem Monitor.
“Was sucht ihr bei uns?”, fragte Gesa.
“Frauen. Uns MĂ€nnern ist es hier nicht erlaubt, sich ihnen zu nĂ€hern. Sie leben auf einem anderen Kontinent und ordern Samen per Post.”
“Ich kenne GĂ€rtner, die machen das bei uns auch”, erklĂ€rte Carolin.
“Wir haben uns ĂŒber ein Verbot hinweggesetzt”, sagte einer der MĂ€nner.
“Was fĂŒr ein Verbot?”
“In eure Welt zu kommen.”
“Denn wir beobachteten, wie MĂ€nner auf eurer Welt mit Frauen verkehren. Die Frauen saßen in den Fenstern, MĂ€nner bezahlten sie.”
“Das sind doch Ausnahmen”, warf Gesa ein.
“Sei still”, zischte Carolin. Die MĂ€nner entledigten sich ihrer Hemden.
“Wir erzeugten einen Dimensionstunnel.” Wer ist Rick, wer ist Nick? fragte sich Gesa. Die MĂ€nner stiegen aus ihren Shorts und schwangen ihre HĂŒften.
“So besorgten wir uns das Geld.” Rick und Nick zogen je einen Schein aus ihren Slips und streckten sie den Frauen entgegen.
“Zieht euch aus.”
“Was haltet ihr von uns?” Gesa wurde wĂŒtend. “Wir machen es nicht fĂŒr Geld.”
“Wieso nicht?” Carolin knuffte Gesa in die Seite und griff nach den Scheinen, dann warf sie ihren Mantel auf den Boden.
“Komm schon. Hier kennt uns doch keiner.” Im Nu waren die MĂ€nner nackt und rissen Carolin die Kleider vom Leib.
“Carolin!” Gesas Stimme brach ab, als Rick und Nick ihre Freundin auf die Knie zwangen. Einer stellte sich vor sie, der andere kniete hinter ihr. Gesa wandte sich verstört ab. UnwillkĂŒrlich tasteten Gesas HĂ€nde nach dem Verschluss ihrer Jacke. Carolins Stöhnen durchdrang sie wie heiße Nadeln. Gier, Neid, Scham ĂŒberlagerten Gesas Gedanken. Das war doch ihre Phantasie. Ihre Freundin lebte sie aus. Benommen nĂ€herte sie sich der Konsole. Der Bildschirm war erloschen, die Verbindung zu ihrer Welt unterbrochen. Was gab es dann noch? Die Knöpfe des Schaltpultes verschwammen vor ihren Augen. Gesa schĂ€lte sich aus ihrer Jacke, fuhr sich mit zitternden HĂ€nden ĂŒber den Pullover, zog ihn aus, dann den Rock, den BH, den Slip.
“Das ist, das ist, das ist....genug!” Keuchende Carolin. Gesa sah zu ihr hinĂŒber. Es war, als bearbeiteten die MĂ€nner ein StĂŒck Metall. Das Geld lag unbeachtet auf dem Boden. Gesa bĂŒckte sich danach und war verblĂŒfft, dass sich Carolin aus der Umklammerung der MĂ€nner befreite und diese nichts dagegen unternahmen.
“Gesa, hilf mir! Ich weiß nicht, was mit mir los ist!” Carolins BrĂŒste bewegten sich unter heftigem Atem. Gesa spĂŒrte HĂ€nde, eine Zunge, die ihren Mund eroberte. Wieso Carolin und nicht Rick oder Nick? Das GefĂŒhl, wie sich Carolin an ihrem Körper rieb, löste Gesas Gedanken auf. Nervös fuhren ihre HĂ€nde ĂŒber den Schopf ihrer Freundin. Das Geld flatterte auf den Boden. Einer der MĂ€nner hob es auf. Gesa schob Carolin von sich und ging auf den Mann zu.
“Was zur Hölle ist hier los?”, schrie Carolin und stemmte die Arme in die HĂŒften.
Ich will ihn, ich will ihn, hĂ€mmerte eine innere Stimme auf Gesa ein, die laut rief: “Ich wollte doch beide. Wieso will ich jetzt nur diesen hier?”, bevor sie vor dem Mann kniete und sein Penis ihren Mund verschloss. Wie durch Watte hörte sie Carolins hysterisches Lachen. “Es ist das Geld! Denk mal nach!” Das Geld? Denk mal nach. Wie sollte sie sich konzentrieren? Der Mann hielt ihren Kopf. Seine HĂŒften bewegten sich vor und zurĂŒck. Das Geld lag auf dem Boden. Das Geld. Was war damit? Der Mann beschleunigte das Tempo. Die MĂ€nner hatten Carolin Geld gegeben und Carolin genommen. Sie, Gesa, hatte es aufgehoben und Carolin hatte sie gekĂŒsst. Dann hatte Rick oder Nick die Banknoten in der Hand und Gesa spĂŒrte sexuelle Gier auf diesen Mann. Ich mĂŒsste das Geld von beiden annehmen, wie es Carolin zu Anfang tat, doch kann ich nicht. Ich will nur diesen hier. Gesa krallte ihre HĂ€nde um den Hintern des Mannes und sah zu ihm hoch. Sein Gesicht war ausdruckslos wie immer. Die Augen leuchteten gelb, schienen zu glĂŒhen. Rick und Nick. Waren sie Menschen? Oder Androiden? Gab sie etwa einem Roboter ‘nen Blowjob? Jemand zog einen Geldschein ĂŒber ihr Gesicht. Carolin raunte in ihr Ohr: “Jetzt bin ich wieder dran.” Schon löste sich der Mann von Gesa, die schrie: “Kann man hier ĂŒberhaupt nicht zu Ende...” . Eine Sirene quĂ€kte.
“Die Inspektoren”, rief einer der MĂ€nner, lief zum Steuerpult und hĂ€mmerte auf die Tasten.
“Ihr mĂŒsst hier weg.” Vor ihren Augen entstand ein mannshoher Flammenkreis. Gesa protestierte, als die MĂ€nner sie hindurch schoben. Wieder in dem leeren Zimmer. KleidungsstĂŒcke flogen aus erlöschendem Licht. Dann fanden sich Gesa und Carolin im Schein einer nackten GlĂŒhbirne, die von der Zimmerdecke baumelte. Carolin hielt den zerrissenen Rock in der Hand. Weinend sah sie zu Gesa hinĂŒber, die sich wie betĂ€ubt das Hemd ĂŒberzog und hörte, wie Carolin murmelte: “Ich muss hier weg”, sah, wie Caroline nach ihrem Mantel griff und schluchzend aus der Wohnung lief.
Gesa nahm sich alle Zeit, die sie brauchte, um sich anzuziehen. Es gelang ihr nicht, die Gedanken zu ordnen. Draußen regnete es. SpĂ€ter Abend. Einige Unentwegte strebten unter Regenschirmen unbekannten Zielen entgegen. Ein Autobus verschwand um die Ecke. Das Rot der Leuchtreklame spiegelte sich in den PfĂŒtzen und Gesa huschte ĂŒber die Straße zu ihrer Wohnung zurĂŒck.

Eine feuchte Zunge fuhr ĂŒber ihr Gesicht. MĂ€xchen schnurrte und wartete. Noch war es dunkel. Benommen folgte Gesa dem Kater zur Speisekammer. Dieser absurde und doch so lebhafte Traum. Ihr war, als sei es wirklich passiert. Gesa gab MĂ€xchen Futter und zog sich ins Bett zurĂŒck. Die beiden MĂ€nner, Rick und Nick. Sie war kurz davor gewesen. Aber so sind TrĂ€ume oft, dachte Gesas. Vor dem Höhepunkt hören sie auf. Mit einer Hand fuhr sie ĂŒber ihren feuchten Schoss, mit der anderen öffnete sie die Schublade des Nachtschranks.

“Ich bin heute nicht beisammen.” Gesa saß Carolin in der Kneipe gegenĂŒber.
“Vermutlich habe ich die Trennung von Achim noch nicht verwunden. Der Traum, den ich hatte, nahm mich so mit, dass ich den ganzen Tag in meiner Wohnung geblieben bin.”
“Was fĂŒr ein Traum?” Carolin zĂŒndete sich eine Zigarette an und drĂŒckte sie nach ein paar ZĂŒgen aus. Ihr Blick wanderte zur Theke und zurĂŒck.
“Von zwei MĂ€nnern. Einer hieß Rick...”, “... und der andere Nick”, ergĂ€nzte Carolin. Ihr Gesicht verzog sich. “Das war kein Traum. Ich hab heute den ganzen Tag MĂ€nnerschwĂ€nze in den GurkenglĂ€sern gesehen und wieder angefangen zu rauchen.” Sie sah auf die leere Zigarettenschachtel.
“Das war die letzte. Ich hab gerade kein Geld dabei. Kannst du mir was leihen?”
Gesa gab ihrer Freundin drei Euro und spĂŒrte, wie diese verdammte Gier nach Sex auf sie in ihr hoch stieg.
“Es ist mir unangenehm.” Gesa setzte sich zu Carolin, nahm deren Gesicht in beide HĂ€nde. “Und dann auch wieder nicht. Ich will dich.”
Die schob Gesa von sich weg. “Nicht hier vor allen Leuten. Was meinst du, wie peinlich es mir vorhin war, als mich draußen ein paar Leute vom Zigarettenautomaten los rissen.” Gesa musste lachen. Sie sah hoch und errötete. Die MĂ€nner hatten mit WĂŒrfeln aufgehört und sich zu ihnen hingedreht.
“Gehen wir nach unten”, flĂŒsterte sie, stand auf und nahm Carolin an die Hand. “Es muss das Geld sein. Wir haben uns da drĂŒben was eingefangen.” Sie wussten beide, was ‘drĂŒben’ war und stolperten zur Toilette hinab.
“Gesa”, jammerte Carolin. “Was soll aus uns werden? Was wirst du machen, wenn du den Wirt bezahlst? Gib mir das Geld, dann werde ich mich opfern. Ich wollte mir heute ein Schnitzel bei meinem Schlachter holen. Ein widerlicher Kerl. Was passiert, wenn ich ihm das Geld gebe? Was ist... was ist... was ist mit Bankeinzug, mit Überweisungen?”
Oder wenn ich in der Taxe Wechselgeld rausgebe?, dachte Gesa. Sie zog Carolin aufs Damenklo. Aus der Kneipe tönte Credence Clearwater Revivals ‘I put a Spell on you’.
Die junge fĂŒllige Frau auf dem Plastikstuhl sah von ihrem Buch auf, als Gesa Carolin in einen Verschlag schob.
“Zwei Frauen in einer Kabine. Das geht aber nicht!”, zeterte sie. Stoff riss, MĂŒnder saugten sich aneinander fest. Als die Toilettenfrau mit der Faust gegen die TĂŒr hĂ€mmerte, griffen vier HĂ€nde nach zwei Geldbörsen und holten je eine MĂŒnze hervor, öffneten die TĂŒr, warfen das Geld auf den Teller und zogen die Toilettenfrau in die Kabine.
Stoff riss. MĂŒnder saugten sich aneinander fest.
“Was macht ihr. Das geht doch nicht.” Die Worte der Frau endeten in einem erstickten Schrei und gingen in Stöhnen ĂŒber. Etwas rummste gegen die Kabinenwand.
“Ist ja doch ein bisschen eng hier dri... .” Niemand sah den flirrenden Lichtring, der sich von der Decke ĂŒber sie senkte. Die Musik spielte nicht mehr. Und es war nichts mehr zu hören, außer einem Wassertropfen, der die Stille zerbarst.



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