Unsere Literaturzeitschrift Schreib-Lust Print bietet die neun besten Geschichten eines jeden Quartals aus unserem Mitmachprojekt. Dazu Kolumnen, Infos, Reportagen und ...
Die Musikbox spielte âI put a spell on youâ, zwei Frauen hasteten mit aufgespannten Schirmen am Kneipenfenster vorbei, MĂ€nner schĂŒttelten den WĂŒrfelbecher und Gesa Wohlrath starrte in ihr Bier. TagsĂŒber fuhr sie Taxi, nachts war sie mit Carolin unterwegs. Dies war die Zeit dazwischen, in der Carolin durch den Kneipeneingang schoss, ihren Mantel weg hĂ€ngte und sich an Gesas Tisch setzte.
âWie war der Tag?â
âDu fragst, als sei ich mit dir verheiratetâ, murrte Gesa. Carolin lachte.
âDenkst du noch an Achim? Was war denn los mit euch? Ich fand ihn nett.â
âEr arbeitet beim TĂV.â Gesa leerte ihr Glas.
âUnd das heiĂt?â
âAch ich weiĂ nicht, er war zu methodisch.â Gesa drehte das Bierglas hin und her. âAuch im Bett. Zu Anfang mochte ich es. Doch spĂ€ter war mir, als ginge er eine Checkliste durch, wenn er mich kĂŒsste. OhrlĂ€ppchen: ok, Nase ok, Wange ok, Hals ok, linke Brust, rechte Brust... du verstehst was ich meine.â Gesa fuhr sich mit der Hand durch das Haar. âUm auf deine Frage zurĂŒck zu kommen, ich dachte an zwei MĂ€nner, die mir gegenĂŒber wohnen.â
Carolin sah sich um. âGemĂŒtlich, diese Kneipe.â FĂŒr Gesa hingegen war dies eine Kneipe wie alle anderen auch. Wenigstens hatten sie was von Dire Straits in der Juke Box und dann, aber Carolin nahm ihr das Wort aus dem Mund.
âGesa, in den Wirt könnte ich mich doch glatt verlieben.â Ich auch, dachte Gesa, und sah auf den schwarzgelockten Adonis, der hinter der Theke GlĂ€ser putzte.
âEr ist verheiratet.â
âOh. Und seine Frau, was macht die?â
âSitzt in der Toilette und liest die Buddenbrooks.â
âWas?â
âAls Toilettenfrau im Damenklo.â Carolin blieb der Mund offen stehen. Dann schĂŒttelte sie den Kopf und nippte an ihrem Bier. âWas machen wir heute Abend?â Sie sah in ihre Geldbörse.
âBezahlst du? Ich hab gerade kein Geld mit.â Gesa verzog den Mund. Das musste ja kommen. Sie blickte auf die Uhr und stand auf. âTrink aus. Du hast meine neue Wohnung noch nicht gesehen.â
Es war ein warmer, regnerischer Sommerabend. Die beiden Frauen stöckelten am Taxistand vorbei. Sie waren krÀftig gebaut, hatten runde Gesichter und Kurzhaarfrisuren. Gesa trug eine enge Lederjacke und Minirock, wÀhrend Carolin sich unter ihrem Schlabbermantel versteckte.
Kollege Karl saĂ in einem einsamen Taxi und las Zeitung. Er hatte Gesa einmal zugerufen: âWenn ich nicht wĂŒsste, dass du eine von uns bist, hĂ€tte ich gedacht, du wĂ€rest eine von denen.â Die standen aufgetakelt und abgekĂ€mpft in den HauseingĂ€ngen.
Carolin trug wie immer einen erstaunten Ausdruck auf ihrem Gesicht. Mit neunundzwanzig war sie zehn Jahre jĂŒnger als Gesa. Sie arbeitete bei Essig-KĂŒhne in der QualitĂ€tskontrolle. Und Gesa fand, Carolin gehörte mit ihrem sĂŒĂen Gesicht in eine Schokoladenfabrik.
Einige hundert Meter von der Kneipe entfernt war Gesas Neubauwohnung.
âSchön hast du es hierâ, meinte Carolin spĂ€ter. Eine Katze sprang vom Schrank und strich um ihre Beine. âWas sagt denn MĂ€xchen zu seinem neuen Heim?â
âAm ersten Tag hat er in jede Ecke gepinkelt und sein Revier abgesteckt.â Gesa rĂŒmpfte die Nase und zog die lachende Carolin zum Wohnzimmerfenster. Laternen gingen an, LĂ€rm kam von der StraĂe. Gipsfiguren ĂŒber den Fenstern des gegenĂŒberliegenden Hauses starrten mit leerem Blick zu ihnen herĂŒber. Bis auf ein Fenster waren sĂ€mtliche VorhĂ€nge zurĂŒckgezogen. Eine Kirchturmuhr schlug halb acht.
âEs ist soweit.â GegenĂŒber wechselte die Farbe der geschlossenen VorhĂ€nge ins Hellbraun.
âWas ist das?â Carolin beugte sich vor.
âGrelles Licht, nehme ich an. Sieh auf den Eingang und warte einen Momentâ, zischte Gesa. Nach einigen Minuten kamen zwei junge MĂ€nner aus dem Haus. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen, trugen Sonnenbrillen, Shorts, Muskelshirts und Tennisschuhe. Mit ihren durchtrainierten Figuren, BĂŒrstenhaarschnitten und kantigen Gesichtern hatten sie etwas von Comic-Helden.
âWow!â Carolin öffnete das Fenster, steckte den Kopf raus und sah ihnen nach. âWas fĂŒr Prachtexemplare! Eins davon möchte ich haben. Wer sind sie?â
âWeiĂ nichtâ, antwortete Gesa. âIst jeden Abend das gleiche. Erst flackert es hinter dem Vorhang, dann kommen die beiden mit Sonnenbrillen und Sport-Outfit da aus dem Haus.â
Carolin rannte zur TĂŒr. âGehen wir ihnen nach.â
Gesa zögerte. âKomm schon!â, rief Carolin. âSonst sind sie weg.â
Die MĂ€nner gingen im Gleichschritt die StraĂe entlang. Gesa und Carolin holten langsam auf.
âWas machen wir eigentlich?â, fragte Gesa.
âWir gehen zwei MĂ€nnern nachâ, kicherte Carolin und beschleunigte das Tempo.
Sie kamen an Miederwaren-, MusikgeschĂ€ften, Betrunkenen, SupermĂ€rkten, Kneipen, Imbissbuden vorbei und blieben vor einem Strip-Club stehen, in dem die MĂ€nner verschwunden waren. Dort animierte ein Plakat: âLadies Night. Abendshow mit Rick und Nickâ. Ein Portier rief: âKommen Sie rein, hier lecken nicht nur die Toiletten.â
âWas soll denn das nun wieder heiĂen?â, fragte Gesa. Carolin kicherte, schob den Vorhang zur Seite und zog Gesa in das Lokal.
âGehen wir vor die BĂŒhne, da kommen die Kellner nicht hin.â Carolin stellte sich zu einem Pulk schwatzender Frauen. VerkĂ€uferinnen, Lagerarbeiterinnen, Lehrerinnen, was weiĂ ich was noch fĂŒr ârinnenâ, dachte Gesa. Dazu noch âne Taxifahrerin und eine Frau, an der den ganzen Tag GlĂ€ser mit eingemachten Gurken vorbei ziehen. Die Musik wurde lauter. Eine ölige Ansagerstimme kĂŒndigte Rick und Nick an.
âDas sind sie!â, rief Gesa. âIch sehe ihre Köpfe!â Eine Mauer aus Frauen nahm ihnen die Sicht. Carolin machte einen HĂŒpfer, zwĂ€ngte sich hindurch. âSie tragen noch ihre Sonnenbrillen!â
âSonst noch was?â
âHemden und Shorts. Aber nicht mehr lange.â
Gesa blieb an ihrem Platz. Ihr genĂŒgte Carolins Bericht aus der ersten Reihe. âJetzt ziehen sie die Hemden aus.â Gesa hatte MĂŒhe, Carolins Stimme in dem Gejohle und Gekreisch auszumachen. âIch sehe die Slips und die und die und die...â
Wenn Carolin erregt war, konnte sie keinen Satz zu Ende bringen.
Die Frauen hatten Geldscheine in der Hand. Zwei ausdruckslose sonnenbebrillte Gesichter. FĂŒr einen Augenblick kamen sie in Gesas Blickfeld, als einige Frauen mit leeren HĂ€nden und hochroten Köpfen denen den Vortritt lieĂen, die noch keinen Schein in die Slips der Stripper gesteckt hatten. Gesa hörte wĂŒtendes Geschrei. Carolin taumelte ihr entgegen und hielt sich die Wange.
âIch wollte meine Hand reinstecken.â
Gesa lachte. âUnd den MĂ€nnern die Scheine aus der Hose ziehen?â
âIch bleib besser bei dir. Die lassen mich nicht mehr nach vorn.â Carolin betastete ihr Gesicht. âFrauen können ja so gemein zueinander sein.â
Das Johlen und Schreien verklang. Die MĂ€nner waren verschwunden.
âGehen wirâ, meinte Gesa. Aus Regenrinnen sprudelte Wasser, Wagen spritzten FontĂ€nen auf den Gehweg. HĂ€user verbargen ihre Farbe unter dem Licht der StraĂenlaternen.
Carolin gab Gesa einen Knuff in die Rippen und deutete mit ihrem Kopf auf einen Seitenausgang. Dann gingen Rick und Nick wieder im Gleichschritt vor ihnen her. Der Regen lieĂ nach und die Nutten kamen aus den HauseingĂ€ngen. Rick und Nick marschierten in eine SeitenstraĂe und verschwanden hinter einer metallenen Sichtblende.
âDas ist doch die, das ist doch die...â
âHerbertstraĂe.â
Aufgedunsene Gesichter, Santanas âFeels like Fireâ, ein Weckglas mit Frikadellen auf der Theke mit einer fetten Wirtin dahinter. Gesa und Carolin saĂen am Fenster.
âWenn die am anderen StraĂenende rauskommen, sitzen wir morgen noch hier.â Gesa zahlte an der Theke. âIch seh sie!â Carolin stĂŒrzte zur TĂŒr hinaus. Dann befanden sich die beiden Frauen mit Rick und Nick auf dem Heimweg.
âWo willst du hin?â Gesa blieb unschlĂŒssig am Bordstein stehen, wĂ€hrend Carolin ĂŒber die StraĂe lief und hinter den MĂ€nnern in deren Hauseingang verschwand. Gesa seufzte, hetzte ĂŒber die Fahrbahn in das gegenĂŒberliegende Haus und rannte die Treppe hoch. Eine WohnungstĂŒr fiel ins Schloss.
âCarolin!â Gesa hĂ€mmerte mit der Faust gegen die TĂŒr. Ihre Freundin riss sie auf und schob Gesa ĂŒber den Korridor in ein Zimmer. Gesa kniff die Augen zusammen. Zwei dunkle Schemen verschwanden in einem mannshohen Ring aus grell flirrendem, blĂ€ulichem Licht.
âSie sind da reingelaufen!â Carolin zog Gesa mit und stolperte. Zuckende Lichter umbrandeten sie, dann wurde Gesa schwarz vor Augen.
âDas ist..., das ist..., das ist...â, rief jemand. Gesa öffnete die Augen. Sie lag auf dem Boden und sah Rick und Nick ĂŒber sich gebeugt.
Gelbe Augen brannten Löcher in Gesas Gedanken. Grelles Licht verschmolz mit dem Weià der WÀnde, so dass der Raum endlos schien.
âWo sind wir?â rief Carolin.
âWer seid ihr?â, fragte Gesa.
âRick und Nickâ. Sie zogen die Frauen zu sich hoch. âIhr seid auf einer Experimentier-Station von Tau-2.â
âDas ist unser Planetâ, sagte der eine.
âWir studieren eure BrĂ€ucheâ, meinte der andere und zeigte auf eine Konsole mit Bildschirm, auf dem das Zimmer zu sehen war, aus dem sie gekommen waren.
âUnglaublichâ, rief Gesa. âWie macht ihr das?â
âIhr wĂŒrdet es nicht verstehen.â Einer der MĂ€nner bearbeitete die Konsole. Der Ring erlosch. Das Bild verschwand auf dem Monitor.
âWas sucht ihr bei uns?â, fragte Gesa.
âFrauen. Uns MĂ€nnern ist es hier nicht erlaubt, sich ihnen zu nĂ€hern. Sie leben auf einem anderen Kontinent und ordern Samen per Post.â
âIch kenne GĂ€rtner, die machen das bei uns auchâ, erklĂ€rte Carolin.
âWir haben uns ĂŒber ein Verbot hinweggesetztâ, sagte einer der MĂ€nner.
âWas fĂŒr ein Verbot?â
âIn eure Welt zu kommen.â
âDenn wir beobachteten, wie MĂ€nner auf eurer Welt mit Frauen verkehren. Die Frauen saĂen in den Fenstern, MĂ€nner bezahlten sie.â
âDas sind doch Ausnahmenâ, warf Gesa ein.
âSei stillâ, zischte Carolin. Die MĂ€nner entledigten sich ihrer Hemden.
âWir erzeugten einen Dimensionstunnel.â Wer ist Rick, wer ist Nick? fragte sich Gesa. Die MĂ€nner stiegen aus ihren Shorts und schwangen ihre HĂŒften.
âSo besorgten wir uns das Geld.â Rick und Nick zogen je einen Schein aus ihren Slips und streckten sie den Frauen entgegen.
âZieht euch aus.â
âWas haltet ihr von uns?â Gesa wurde wĂŒtend. âWir machen es nicht fĂŒr Geld.â
âWieso nicht?â Carolin knuffte Gesa in die Seite und griff nach den Scheinen, dann warf sie ihren Mantel auf den Boden.
âKomm schon. Hier kennt uns doch keiner.â Im Nu waren die MĂ€nner nackt und rissen Carolin die Kleider vom Leib.
âCarolin!â Gesas Stimme brach ab, als Rick und Nick ihre Freundin auf die Knie zwangen. Einer stellte sich vor sie, der andere kniete hinter ihr. Gesa wandte sich verstört ab. UnwillkĂŒrlich tasteten Gesas HĂ€nde nach dem Verschluss ihrer Jacke. Carolins Stöhnen durchdrang sie wie heiĂe Nadeln. Gier, Neid, Scham ĂŒberlagerten Gesas Gedanken. Das war doch ihre Phantasie. Ihre Freundin lebte sie aus. Benommen nĂ€herte sie sich der Konsole. Der Bildschirm war erloschen, die Verbindung zu ihrer Welt unterbrochen. Was gab es dann noch? Die Knöpfe des Schaltpultes verschwammen vor ihren Augen. Gesa schĂ€lte sich aus ihrer Jacke, fuhr sich mit zitternden HĂ€nden ĂŒber den Pullover, zog ihn aus, dann den Rock, den BH, den Slip.
âDas ist, das ist, das ist....genug!â Keuchende Carolin. Gesa sah zu ihr hinĂŒber. Es war, als bearbeiteten die MĂ€nner ein StĂŒck Metall. Das Geld lag unbeachtet auf dem Boden. Gesa bĂŒckte sich danach und war verblĂŒfft, dass sich Carolin aus der Umklammerung der MĂ€nner befreite und diese nichts dagegen unternahmen.
âGesa, hilf mir! Ich weiĂ nicht, was mit mir los ist!â Carolins BrĂŒste bewegten sich unter heftigem Atem. Gesa spĂŒrte HĂ€nde, eine Zunge, die ihren Mund eroberte. Wieso Carolin und nicht Rick oder Nick? Das GefĂŒhl, wie sich Carolin an ihrem Körper rieb, löste Gesas Gedanken auf. Nervös fuhren ihre HĂ€nde ĂŒber den Schopf ihrer Freundin. Das Geld flatterte auf den Boden. Einer der MĂ€nner hob es auf. Gesa schob Carolin von sich und ging auf den Mann zu.
âWas zur Hölle ist hier los?â, schrie Carolin und stemmte die Arme in die HĂŒften.
Ich will ihn, ich will ihn, hĂ€mmerte eine innere Stimme auf Gesa ein, die laut rief: âIch wollte doch beide. Wieso will ich jetzt nur diesen hier?â, bevor sie vor dem Mann kniete und sein Penis ihren Mund verschloss. Wie durch Watte hörte sie Carolins hysterisches Lachen. âEs ist das Geld! Denk mal nach!â Das Geld? Denk mal nach. Wie sollte sie sich konzentrieren? Der Mann hielt ihren Kopf. Seine HĂŒften bewegten sich vor und zurĂŒck. Das Geld lag auf dem Boden. Das Geld. Was war damit? Der Mann beschleunigte das Tempo. Die MĂ€nner hatten Carolin Geld gegeben und Carolin genommen. Sie, Gesa, hatte es aufgehoben und Carolin hatte sie gekĂŒsst. Dann hatte Rick oder Nick die Banknoten in der Hand und Gesa spĂŒrte sexuelle Gier auf diesen Mann. Ich mĂŒsste das Geld von beiden annehmen, wie es Carolin zu Anfang tat, doch kann ich nicht. Ich will nur diesen hier. Gesa krallte ihre HĂ€nde um den Hintern des Mannes und sah zu ihm hoch. Sein Gesicht war ausdruckslos wie immer. Die Augen leuchteten gelb, schienen zu glĂŒhen. Rick und Nick. Waren sie Menschen? Oder Androiden? Gab sie etwa einem Roboter ânen Blowjob? Jemand zog einen Geldschein ĂŒber ihr Gesicht. Carolin raunte in ihr Ohr: âJetzt bin ich wieder dran.â Schon löste sich der Mann von Gesa, die schrie: âKann man hier ĂŒberhaupt nicht zu Ende...â . Eine Sirene quĂ€kte.
âDie Inspektorenâ, rief einer der MĂ€nner, lief zum Steuerpult und hĂ€mmerte auf die Tasten.
âIhr mĂŒsst hier weg.â Vor ihren Augen entstand ein mannshoher Flammenkreis. Gesa protestierte, als die MĂ€nner sie hindurch schoben. Wieder in dem leeren Zimmer. KleidungsstĂŒcke flogen aus erlöschendem Licht. Dann fanden sich Gesa und Carolin im Schein einer nackten GlĂŒhbirne, die von der Zimmerdecke baumelte. Carolin hielt den zerrissenen Rock in der Hand. Weinend sah sie zu Gesa hinĂŒber, die sich wie betĂ€ubt das Hemd ĂŒberzog und hörte, wie Carolin murmelte: âIch muss hier wegâ, sah, wie Caroline nach ihrem Mantel griff und schluchzend aus der Wohnung lief.
Gesa nahm sich alle Zeit, die sie brauchte, um sich anzuziehen. Es gelang ihr nicht, die Gedanken zu ordnen. DrauĂen regnete es. SpĂ€ter Abend. Einige Unentwegte strebten unter Regenschirmen unbekannten Zielen entgegen. Ein Autobus verschwand um die Ecke. Das Rot der Leuchtreklame spiegelte sich in den PfĂŒtzen und Gesa huschte ĂŒber die StraĂe zu ihrer Wohnung zurĂŒck.
Eine feuchte Zunge fuhr ĂŒber ihr Gesicht. MĂ€xchen schnurrte und wartete. Noch war es dunkel. Benommen folgte Gesa dem Kater zur Speisekammer. Dieser absurde und doch so lebhafte Traum. Ihr war, als sei es wirklich passiert. Gesa gab MĂ€xchen Futter und zog sich ins Bett zurĂŒck. Die beiden MĂ€nner, Rick und Nick. Sie war kurz davor gewesen. Aber so sind TrĂ€ume oft, dachte Gesas. Vor dem Höhepunkt hören sie auf. Mit einer Hand fuhr sie ĂŒber ihren feuchten Schoss, mit der anderen öffnete sie die Schublade des Nachtschranks.
âIch bin heute nicht beisammen.â Gesa saĂ Carolin in der Kneipe gegenĂŒber.
âVermutlich habe ich die Trennung von Achim noch nicht verwunden. Der Traum, den ich hatte, nahm mich so mit, dass ich den ganzen Tag in meiner Wohnung geblieben bin.â
âWas fĂŒr ein Traum?â Carolin zĂŒndete sich eine Zigarette an und drĂŒckte sie nach ein paar ZĂŒgen aus. Ihr Blick wanderte zur Theke und zurĂŒck.
âVon zwei MĂ€nnern. Einer hieĂ Rick...â, â... und der andere Nickâ, ergĂ€nzte Carolin. Ihr Gesicht verzog sich. âDas war kein Traum. Ich hab heute den ganzen Tag MĂ€nnerschwĂ€nze in den GurkenglĂ€sern gesehen und wieder angefangen zu rauchen.â Sie sah auf die leere Zigarettenschachtel.
âDas war die letzte. Ich hab gerade kein Geld dabei. Kannst du mir was leihen?â
Gesa gab ihrer Freundin drei Euro und spĂŒrte, wie diese verdammte Gier nach Sex auf sie in ihr hoch stieg.
âEs ist mir unangenehm.â Gesa setzte sich zu Carolin, nahm deren Gesicht in beide HĂ€nde. âUnd dann auch wieder nicht. Ich will dich.â
Die schob Gesa von sich weg. âNicht hier vor allen Leuten. Was meinst du, wie peinlich es mir vorhin war, als mich drauĂen ein paar Leute vom Zigarettenautomaten los rissen.â Gesa musste lachen. Sie sah hoch und errötete. Die MĂ€nner hatten mit WĂŒrfeln aufgehört und sich zu ihnen hingedreht.
âGehen wir nach untenâ, flĂŒsterte sie, stand auf und nahm Carolin an die Hand. âEs muss das Geld sein. Wir haben uns da drĂŒben was eingefangen.â Sie wussten beide, was âdrĂŒbenâ war und stolperten zur Toilette hinab.
âGesaâ, jammerte Carolin. âWas soll aus uns werden? Was wirst du machen, wenn du den Wirt bezahlst? Gib mir das Geld, dann werde ich mich opfern. Ich wollte mir heute ein Schnitzel bei meinem Schlachter holen. Ein widerlicher Kerl. Was passiert, wenn ich ihm das Geld gebe? Was ist... was ist... was ist mit Bankeinzug, mit Ăberweisungen?â
Oder wenn ich in der Taxe Wechselgeld rausgebe?, dachte Gesa. Sie zog Carolin aufs Damenklo. Aus der Kneipe tönte Credence Clearwater Revivals âI put a Spell on youâ.
Die junge fĂŒllige Frau auf dem Plastikstuhl sah von ihrem Buch auf, als Gesa Carolin in einen Verschlag schob.
âZwei Frauen in einer Kabine. Das geht aber nicht!â, zeterte sie. Stoff riss, MĂŒnder saugten sich aneinander fest. Als die Toilettenfrau mit der Faust gegen die TĂŒr hĂ€mmerte, griffen vier HĂ€nde nach zwei Geldbörsen und holten je eine MĂŒnze hervor, öffneten die TĂŒr, warfen das Geld auf den Teller und zogen die Toilettenfrau in die Kabine.
Stoff riss. MĂŒnder saugten sich aneinander fest.
âWas macht ihr. Das geht doch nicht.â Die Worte der Frau endeten in einem erstickten Schrei und gingen in Stöhnen ĂŒber. Etwas rummste gegen die Kabinenwand.
âIst ja doch ein bisschen eng hier dri... .â Niemand sah den flirrenden Lichtring, der sich von der Decke ĂŒber sie senkte. Die Musik spielte nicht mehr. Und es war nichts mehr zu hören, auĂer einem Wassertropfen, der die Stille zerbarst.
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