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Gesa schloss ihre WohnungstĂŒr auf. Machte sie hinter sich wieder zu und lehnte sich erschöpft dagegen. Sie zog ihre Schuhe aus. Gesas Wut auf MĂ€nner war heute besonders groĂ. Die Kollegen in der Taxizentrale, die FahrgĂ€ste und Achim. Von dem hatte sie sich vor einiger Zeit getrennt, aber er gab keine Ruhe und versuchte ihr Leben zu ruinieren. Da kam ihr Kater MĂ€xchen unschuldig mauzend aus dem Wohnzimmer und strich um ihre Beine. Sie nahm ihn auf den Arm und streichelte ihn sanft. Das war das Einzigste mĂ€nnliche Wesen, das sie in ihrer NĂ€he noch ertragen konnte. Sie machte fĂŒr den Kater eine SchĂŒssel Futter fertig und holte sich eine Minipizza aus dem Gefrierschrank. War zwar nicht so gesund, dachte sie, aber nach einem Tag wie diesem, mochte sie auch nicht mehr in der KĂŒche stehen und kochen. Und fĂŒr einen allein machte es sowieso keinen SpaĂ.
Gesa ging in das dunkle Wohnzimmer. Eine Lampe aufzuhĂ€ngen, hatte sie noch keine Zeit gehabt. Sie machte sich Musik an, Dire Straits, ihre Lieblings CD, und lieĂ sich auf das Sofa fallen. Der Sound der Gitarre entspannte sie. Bei dem dĂŒnnen Lichtschein, der aus der KĂŒche kam, fielen ihr die Augen zu.
Das Piepen der Mikrowelle lieĂ sie wieder hoch schnellen. Sie holte sich den Teller mit dem Essen und ging ans Fenster. Gardinen hatte sie auch noch nicht aufgehĂ€ngt. Sie blies die noch viel zu heiĂe Pizza und schaute in den Wolken verhangenen Nachthimmel. Ob es morgen Schnee gab? Dann schaute sie in die erleuchteten Fenster im Haus gegen ĂŒber. In einem der Zimmer sah sie den Fernseher flimmern, in einem anderen wurde gerade das Abendessen zubereitet. Doch was war da los? Ein Mann hielt ein MĂ€dchen am Arm fest und versuchte sie in das andere Zimmer zu zerren. Er schlug sie. Das MĂ€dchen, vielleicht zwölf oder dreizehn, versuchte sich aus dem Griff zu befreien. Gesa legte den Teller mit dem Essen auf das Fensterbrett und starrte aus dem Fenster. Was ging da vor?
Gesas beobachtete weiter, wie der Mann das MĂ€dchen mit einem Arm fest umschlossen hielt und auf den Tisch drĂŒckte. Mit der anderen fummelte er an seiner Hose. Plötzlich lieĂ er das Kind los und hielt sich den Arm. Das MĂ€dchen rannte zur TĂŒr und stĂŒrzte hinaus.
Gesa war entsetzt. Was sie da gerade gesehen hatte, lieĂ in ihr die Wut auf MĂ€nner erneut entfachen. Doch was sollte sie tun. Die Polizei rufen und erzĂ€hlen was geschehen war? Aber es gab keinen Beweise, und in ihrem Hass auf das andere Geschlecht, wĂŒrde man sie wahrscheinlich eher fĂŒr unzurechenbar halten. Da sah sie, wie das MĂ€dchen halb nackt aus der HaustĂŒr kam und die StraĂe hinunter rannte. 'Ich muss ihr helfen!', schoss es Gesa durch den Kopf und sie rannte zur TĂŒr, schnappte sich ihre Jacke und die AutoschlĂŒssel.
Als sie unten an kam, sah sie, wie das MĂ€dchen gerade um die Ecke am Ende der StraĂe verschwand. Gesa setzte sich in ihr Auto und fuhr ihr nach. Schon nach kurzer Zeit hatte sie das halbnackte Wesen eingeholt und hielt etwas weiter vorn an, stieg aus und lief der Kleinen entgegen. Die lief ihr geradewegs in die Arme.
âHe, was ist los?â, fragte Gesa, doch das MĂ€dchen wollte gleicht wieder weg rennen. Gesa hielt sie fest. âIch will dir helfen, hier hast du meine Jacke. Komm, wir setzen uns in mein Auto.â Mit verheulten und verĂ€ngstigten Augen schaute sie Gesa an: âWer sind Sie, sind Sie von der Polizei?â
Gesa beruhigte sie: âNein, ich bin Taxifahrerin und ich wohne bei euch gegenĂŒber.â Die Kleine schlug sich die HĂ€nde vor den Mund und fing an zu wimmern: âEr bringt mich um, er bringt mich um.â
âBeruhige dich doch, wer will dich umbringen?â
âMein Vater, er hat gesagt, wenn jemand davon erfĂ€hrt, bringt er mich um.â
Gesa wusste nicht so recht, was sie sagen sollte. Einerseits hÀtte sie den Mann gern hinter Gittern gesehen, aber sie wollte auch die Kleine nicht unnötig in Gefahr bringen.
âKomm, wir fahren erst mal zu mir und dann sehen wir weiter. Wie heiĂt du eigentlich?â
âTabeaâ, kam es langsam ĂŒber ihre zitternden Lippen.
âIch bin Gesa.â
Dann fuhren sie beide zurĂŒck. Die StraĂe vor dem Haus war menschenleer. Gesa schaute zu dem Fenster, wo sie den Vater von Tabea vermutete. Er war nicht zu sehen. Schnell gingen sie in Gesas Wohnung.
âWillst du einen Tee?â, fragte sie Tabea und ging in die KĂŒche. âDu kannst ins Wohnzimmer gehen, aber es gibt kein Licht, lass einfach die TĂŒr offen.â
Als Gesa mit den Tassen kam und sie auf den Tisch stellte, stand Tabea am Fenster und starrte hinaus.
âDu hast alles gesehen?â, vermutete Tabea.
âJa, aber ich fĂŒrchte, es wird nicht reichen, dass er ins GefĂ€ngnis kommt.â
âEr macht das immer, wenn Mama Nachtdienst hat. Ich hab schon versucht, bei einer Freundin zu bleiben, aber deren Eltern wollen nicht, dass ich bei ihnen schlafeâ, erzĂ€hlte Tabea und erneut kullerte eine TrĂ€ne ĂŒber ihre Wange.
Gesa nahm das MĂ€dchen in den Arm. âIch glaub, ich weiĂ, wie du dich fĂŒhlst, ich kann zur Zeit auch keine MĂ€nner leiden. Bleib einfach bei mir, bis deine Mutter wieder nach Hause kommt.â
âMeinst du das wirklich, aber wir kennen uns doch gar nicht.â Ein Hoffnungsschimmer war in ihren Augen zu sehen.
âNein, aber das können wir ja Ă€ndern.â Gesa schob sie vom Fenster weg. Die Minipizza war inzwischen kalt geworden und Gesa lieĂ sie einfach auf dem Fensterbrett stehen.
Beide setzten sich auf das Sofa, kuschelten sich in die Decke und tranken ihren Tee.
Gesa fĂŒhlte sich hilflos. Sie hatte keine Beweise fĂŒr das, was sie gesehen hatte, und Tabea musste damit rechnen, dass ihr Vater die Drohungen ernst machte. Das Einzige, was sie tun konnte, war, Tabea einen Zufluchtsort zu geben, wo sie vor ihrem Vater sicher war. Vielleicht gab es auch noch eine andere Lösung, aber nicht an diesem Abend.
Michaela Kux 16-11-2004
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