Madrigal für einen Mörder
Madrigal für einen Mörder
Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
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Januar 2005
Das perfekte Geschenk
von Anke Michels

Fröhlich pfeifend schob Arno das Paket ins Fach und verschloss die Tür. Er hatte das Unmögliche wahr gemacht und das perfekte Geschenk für seine Frau gefunden.

Im alljährlichen Geschenkwettbewerb, der ausschließlich in Arnos Kopf stattfand, stand es nach zehn gemeinsamen Jahren 9:0 für Sanne. Und das nur in der Kategorie “Weihnachten”. In den anderen Disziplinen (Geburtstage, Jahrestage und ähnliches) sah es nicht besser aus.
Manche seiner Ideen waren nur nicht besonders gut, andere dagegen bodenlos schlecht gewesen. Der absolute Tiefpunkt war die Weight Watchers Mitgliedschaft gewesen, sein Geschenk von vorletztem Jahr. Sanne hatte einige Wochen vorher selbst davon gesprochen, fand sie dann aber zu teuer.
Vor den Augen der gesamten Familie, die wie jedes Jahr Heiligabend anwesend war, hatte Arno ihr freudestrahlend den Gutschein überreicht. Die Freude war ihm jedoch vergangen, als Sanne ihn entsetzt anblickte - „Du findest also, dass ich zu dick bin?” - den Umschlag wie eine heiße Kartoffel fallen ließ und heulend aus dem Zimmer lief.
Die anwesenden Frauen warfen Arno vorwurfsvolle Blicke zu, bevor sie Sanne folgten. Die Männer sahen betreten unter sich. Sein Vater klopfte ihm schließlich mitfühlend auf die Schulter: „Du musst noch viel lernen, mein Sohn.”

Und er hatte dazugelernt. Reinfälle gehörten der Vergangenheit an. Dieses Jahr würde er Sanne und die gesamte Verwandtschaft in Begeisterung versetzen.
Nicht nur die Auswahl des Geschenks, sondern auch dessen Lagerung hatte er genauestens geplant.
Zu Hause war kein Winkel vor Sanne sicher. Es bei Freunden oder Verwandten zu lassen kam auch nicht in Frage. Alle sollten bis Heiligabend glauben, dass er mangels guter Ideen auf Nummer Sicher gegangen war und einen Parfümeriegutschein gekauft hatte.

Die Kundenschließfächer hier im Einkaufszentrum waren ein ideales Versteck. Dank des Zahlenschlosses musste er auch keinen verdächtigen Schlüssel mit sich herumtragen. An Heiligabend würde Sanne ihn, wie jedes Jahr, für ein paar Last-minute-Besorgungen losschicken. Dann konnte er es in Ruhe und ohne Verdacht zu erwecken abholen.

Heiligabend wartete Arno gespannt darauf, dass Sanne ihn zum Einkaufen losschickte. Als das bis zum Mittag nicht geschehen war, wurde er langsam nervös.
„Hey, Sanne, soll ich nicht langsam mal los und die restlichen Besorgungen machen? Um zwei schließen doch schon die Geschäfte.”
„Du wirst es kaum glauben, aber das ist nicht nötig. Ich habe gestern noch einen Großeinkauf gemacht. Du darfst also heute schön zu Hause im Warmen bleiben. Ist das nicht klasse?!”
Für einen Moment wurde Arno ein bisschen flau im Magen, aber schnell fasste er sich wieder. Ihm würde schon etwas einfallen.
Er machte eine schnelle Inventur von Kühlschrank, Lagerraum und Weinkeller. Alles war – leider – im Überfluss vorhanden.
Plötzlich kam ihm der rettende Gedanke.
„Sanne, ich habe ganz vergessen, eine Flasche Glenfiddich zu kaufen. Den trinkt dein Vater doch so gern. Ich fahr nochmal schnell los und kaufe welchen.“
„Ach, Papa kann doch auch mal Johnny Walker trinken.“
„Dauert doch nicht lange. Ich will es mir schließlich nicht mit meinem Schwiegervater verderben.“
Schnell machte er sich auf den Weg, um Sanne keine Gelegenheit für weitere Einwände zu geben.

Im Einkaufszentrum fand Arno nach langem Suchen endlich einen Laden, der Glenfiddich verkaufte. Sündhaft teuer, aber er hatte keine Zeit mehr, wählerisch zu sein. Inzwischen war es kurz vor Ladenschluss.
Jetzt noch schnell das Paket aus dem Schließfach holen. Er tippte die Kombination ein. Die Tür ließ sich jedoch nicht öffnen. Er versuchte es nochmals, wieder ohne Ergebnis. Hektisch hackte er auf dem Nummernfeld herum.
„Was machen Sie denn da, junger Mann? Nr. 382 ist mein Schließfach.”
Hinter Arno stand eine ältere Dame, die ihn nun resolut zur Seite schob. Sie tippte die Kombination ein und öffnete die Tür. Im Fach lag eine Tüte mit Lebensmitteln.
Arno wurde weiß vor Schreck. Das konnte nicht wahr sein. Er wusste genau, dass dies sein Schließfach war.
„Mein Paket war hier drin. Jemand muss es gestohlen haben.“
„Wann haben sie es denn hier eingeschlossen?”
„Am Freitag.”
Das Gesicht der Dame hellte sich auf: „Wussten Sie nicht, dass man die Schließfächer nur während der Ladenöffnungszeiten benutzen darf?“
„Warum sagt einem das denn niemand?”
Amüsiert blickte die Frau ihn an und deutete auf ein großes Hinweisschild.
Arno konnte es nicht fassen, wie hatte er das nur übersehen können?
„Zurückgelassene Gegenstände können an unserer Kundeninformation im 1. Obergeschoss abgeholt werden“, las Arno und lief los.

„Das Weihnachts - - geschenk - - für meine Frau”, keuchte Arno.
Verwundert sah die Frau hinterm Schalter ihn an.
„Es war in Schließfach - - dreihundert - - zweiundachtzig.”
„Wie sieht es denn aus?”
„Ein großer Karton - - grünes Glanzpapier - - rote Schleife.”
„Oh, DAS Paket. Wir haben alle schon herumgerätselt, was wohl drin ist. Und warum es bisher niemand abgeholt hat.”
Sie gab ihm das Paket.
„Vielen Dank. - - Frohes Fest.” Er rannte weiter zum Parkhaus.
„Was ist denn nun drin?”, rief die Angestellte ihm hinterher, aber Arno war schon weg.

Eine halbe Stunde später fuhr Arno mit quietschenden Reifen in die Garageneinfahrt. Sekunden später öffnete Sanne mit Unheil verkündender Miene die Tür.
„Wo warst du so lange? Hast du den Whisky in Schottland gekauft? Jetzt haben wir kaum noch genug Zeit für unsere private Bescherung, bevor die Gäste kommen”, sagte sie vorwurfsvoll.
„Wieso private Bescherung? Sonst haben wir damit doch immer gewartet, bis unsere Gäste da sind.“
„Dann ist es dieses Jahr halt mal anders.”
„Na gut ...”, murmelte Arno. Dabei hatte er sich vorgestellt, dass alle beim Auspacken dabei sein würden. Aber er wollte Sanne nicht weiter die Stimmung verderben. Sie war in letzter Zeit sowieso leicht reizbar. Also gab er nach.
„ ... aber ich darf meins zuerst aufmachen!”
„Du bist neugierig wie eine alte Frau, Arno. Aber von mir aus.“
Sanne holte ihr Geschenk aus dem Wohnzimmerschrank.
An der Verpackung erkannte Arno, dass sie ein Buch enthielt. Er überlegte, ob es irgendein Buch gab, dass ihn besonders interessierte. Ihm fiel keines ein. Dieses Jahr würde er seinen ersten Punkt machen! Siegessicher öffnete er das Päckchen.
Er schaute zunächst das Buch, dann Sanne fragend an.
„‘Unser Baby‘? Heißt das ...?”
„Ja, ich bin schwanger. Ab August sind wir zu dritt.”
‚10:0‘, dachte Arno, während sich ein Lächeln auf seinen Lippen breit machte.

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